Naturwissenschaft, Theologie und Freiheit: Atheismus vor einem Offenbarungseid
Abwesenheit chaotischer Willkürherrschaft ist abhängig davon, welche Religion vorherrscht
von Robert Grözinger
Wir leben seit 2020 in einer Zeit der Offenbarung. So viel ist klar. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass dies die Zeit „der“ biblischen Offenbarung, also die der ultimativen „Endzeit“ ist. Warum, dazu vielleicht ein andermal. Aber wir leben definitiv in „einer“ Zeit der Offenbarung. Immer offenbarer wird die geistige Schwäche des seit fünf Jahrhunderten global-hegemonialen Westens, die Ausdruck findet in seiner zunehmend strukturellen Schwäche, seine Werte, seine Lebensart, seine Vision zu verteidigen, aufrecht zu erhalten und zu verfolgen.
Die Debakel in Afghanistan, der Ukraine und jetzt Nahost sind nur einige außenpolitische Manifestationen. Innenpolitisch sehen wir die Migrationskrise, die Krise der Lebenshaltungskosten und – dem Kern des Ganzen sehr nahe – die Krise des rationalen Denkens. Letztere findet ihren Ausdruck insbesondere in der Klima-, Trans- und in der aktuell etwas eingeschlafenen Corona-Hysterie, die vielleicht in naher Zukunft von einer Ufo-Hysterie abgelöst wird.
Der Grund für die Urkrise des Westens, also die des rationalen Denkens, ist die in den säkularen Kirchen des Westens – auch Zwangsschulen und Universitäten genannt – vermittelte Loslösung kognitiver Aktivität von jeglicher Verankerung in der Realität. Oder, besser gesagt, die dortige Neigung, Schüler und Studenten von der Vorstellung abzuhalten, dass es so etwas wie objektive Realität gibt. Das Ergebnis ist totaler, um nicht zu sagen totalitärer, chaotischer Relativismus und Subjektivismus. Mit der Folge, dass eines Tages jene objektive Realität mehr oder weniger laut an der Nationalgrenze oder Wohnungstür klopft und die Betroffenen nun, in der Zeit ihrer „Tür-Offenbarung“, mit einer von tausenden Versionen von „Hä?“ reagieren.
Das ist ein gutes Zeichen. Ein Zeichen der beginnenden Heilung. „Hä?“ ist sehr wahrscheinlich das erste jemals in der Geschichte der Menschheit gesprochene Wort. Warum? Weil es das einzige Wort ist, das überall und sofort von jedem verstanden wird. Am Anfang war das „Hä?“. Wer „hä?“ sagt, ist auf dem besten Weg, Erkenntnis zu gewinnen.
Ein mächtig-gewaltiger Erkenntnisgewinn steht dem relativistischen – weil vom Atheismus hegemonial durchdrungenen – Westen kurz bevor. Dieser Erkenntnisgewinn kommt ironischerweise aus der Naturwissenschaft. Er ist eigentlich schon da, wird aber von vielen Naturwissenschaftlern verschwiegen oder geleugnet. Gerade die Corona-Krise hat offenbart, dass Wissenschaftler auch nur Menschen sind, die, wie wir alle, Versuchungen ausgesetzt sind und ihnen hin und wieder erliegen. Sie verschweigen und vertuschen Dinge, die ihren Forschungszuschüssen und Karrieren abträglich sein, oder die ihr Lebenswerk als völlig verfehlt aussehen lassen könnten. In der Coronakrise kamen zusätzlich sicher auch bei einigen die Elemente der Psychopathie und des Machtrausches hinzu. Dem Menschen, auch in Gestalt des Naturwissenschaftlers, geht es nicht immer nur um die „Wahrheit und nichts als die Wahrheit“. Das steht uns jetzt noch deutlicher vor Augen als im Zusammenhang mit der Klima-Hysterie.
Was ist der Erkenntnisgewinn, den sie verschweigen? In der Physik, Chemie und Biologie sind in den vergangenen Jahrzehnten Dinge zutage gefördert worden, die eine zufällige Entstehung des Lebens immer unwahrscheinlicher machen. Wissenschaftler entdeckten, und entdecken immer noch, immer mehr „Zufälle“, die in dem auf feinste Weise austarierten Zusammenspiel miteinander nötig sind, um Leben auf der Erde überhaupt möglich zu machen – und für längere Zeit aufrechtzuerhalten. Ich betone: Es handelt sich nicht nur um die allgemein schon etwas bekannteren, ohnehin sehr unwahrscheinlichen „Zufälle“ des ultrafeinst ausbalancierten Zusammenspiels etwa der Naturkonstanten, die im ganzen Universum gelten. Das allein schon ist atemberaubend genug. Nein, es geht um eine zunehmende Zahl höchst fein austarierter Zustände im Sonnensystem, ohne die das Leben hier auf der Erde entweder ganz unmöglich oder nur von sehr kurzer Dauer tragfähig wäre.
Da wäre etwa der Mond. Unter den Planeten des Sonnensystems hat nur die Erde nur einen Mond. Die anderen haben entweder keinen oder mehrere. Und kein anderer Planet hat einen Mond von der relativ großen Masse des unseren. Und nur deswegen schwingt die Erdachse weniger erratisch als sie es sonst täte, was eine relative Stabilität der Jahreszeiten und des Klimas (!) entscheidend zu garantieren hilft. Außerdem: Ein etwas größerer oder kleinerer Mond würde diese Stabilität nicht hinkriegen.
Oder: Die Tatsache, dass die Umlaufbahnen der beiden Riesenplaneten Jupiter und Saturn genau da sind, wo sie sind, bedeutet, dass die bei der Entstehung des Sonnensystems zwangsläufig übriggebliebenen Schwärme an Trümmern und Geröll auf relativ stabilen Bahnen weit von der Erde entfernt gebunden sind. Sonst würden wir viel zu häufig von einem Felsen mindestens jener Größe getroffen werden, der einst die Ausrottung der Dinosaurier ausgelöst haben soll. Noch ein erdspezifischer „Zufall“: Wenn die Erde nur ein wenig größer oder kleiner wäre, bei gleicher Dichte, gäbe es hier kein Leben. Einige wesentliche Dinge wären dann entweder zu leicht oder zu schwer.
Eine der wundersamsten „Zufälle“ ist, dass 43 bis 44 Prozent der Strahlungsenergie der Sonne im sehr schmalen Spektralbereich des sichtbaren Lichts ausgesondert wird. Also in genau jenem Spektralbereich, der für die fortdauernde Existenz von Leben am notwendigsten ist. Wie unwahrscheinlich das ist, verdeutlicht Eric Metaxas in seinem 2021 erschienenen Buch „Is Atheism Dead?“, aus dem ich diese und die anderen erwähnten, bemerkenswert abgestimmten Naturphänomene entnehme.
Denn, so Metaxas, das mögliche Spektrum elektromagnetischer Strahlung ist breit. Sehr breit. Der Journalist, der für das Buch Informationen von vielen Wissenschaftlern gesammelt hatte, verdeutlicht die relative Schmalheit des sichtbaren Spektrums so: Man stelle sich einen Satz Spielkarten vor, dessen Stapel von der Erde bis zur Andromedagalaxie, also 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt, reicht. Wenn dieser Megastapel das gesamte elektromagnetische Spektrum der Sonne, also von den kurzwelligsten Gammastrahlen bis zu den langwelligsten Radiowellen repräsentiert, dann wäre das Spektrum des sichtbaren Lichts etwa so breit wie zwei bis drei aufeinanderliegende Karten. Aus diesem unglaublich schmalen Bereich kommt die knappe Hälfte der Strahlungsenergie unseres Zentralgestirns.
Nebenbemerkung: Metaxas schreibt, 70 Prozent der Strahlungsenergie von der Sonne seien im sichtbaren Lichtbereich. Ich finde im Internet sonst nur die Zahlen 43 oder 44 Prozent. Er verweist unter anderem auf Bücher des Biochemikers Michael Denton, die mir nicht vorliegen. Vielleicht ist hier ein Teil des ultravioletten und infraroten Spektrums mit eingeschlossen. Das Hauptargument der hohen Unwahrscheinlichkeit dürfte von dieser Diskrepanz allerdings unberührt bleiben.
Ebenfalls diesem Buch ist zu entnehmen, dass zu den vielen seltsamen Eigenschaften eines anderen für das Leben grundlegenden Stoffes, nämlich des Wassers, gehört, dass es die Strahlen fast des gesamten elektromagnetischen Spektrums absorbiert – mit der alleinigen Ausnahme des sichtbaren Lichts. Nur deswegen konnten die Blaualgen, die zu den allerersten Lebewesen gehörten, nicht nur im Meerwasser lang genug überleben und aus der Sonnenenergie Nährstoffe für andere Lebewesen erzeugen, sondern mit der Photosynthese den Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre erhöhen, was die Voraussetzung für höhere Lebensformen ist.
Also haben wir hier einen doppelten, einen „Superzufall“: Die beiden grundlegendsten physikalischen und chemischen Voraussetzungen für das Leben, nämlich sichtbares Licht und Wasser, sind höchst fein auf eine solche Weise aufeinander abgestimmt, dass sie – erst im Zusammenspiel miteinander – eben diese unverzichtbare Grundlage für das Leben sind. Und es gibt für diese Abgestimmtheit nicht den geringsten Hinweis eines wissenschaftlich erklärbaren, kausalen Zusammenhangs.
In meinem Fach, der Ökonomie, kennt man das Phänomen des „doppelten Zufalls der Bedürfnisse“ als Problem des Naturaltausches ohne Geld. Die Österreichische Schule der Ökonomie weiß, dass dies der Grund für die ziemlich schnelle, spontane Entstehung des Geldes ist, nämlich des fast immer und überall „absatzfähigsten Gutes“ – die Definition echten Geldes. Weil es nämlich ohne Geld höchst unwahrscheinlich ist, jemanden zu finden, der nicht nur genau das will, was man selbst im Überfluss hat, sondern auch genau das übrig hat, was man selbst dringend im Tausch benötigt. Genauso ein doppelter „Zufall“, ohne den kein Leben möglich ist, herrscht aber im Universum, im Zusammenspiel des Wassers mit dem sichtbaren Licht.
Diesem doppelten Zufall gesellen sich im Sonnensystem so viele weitere Zufälle hinzu, dass einem fast schwindelig werden kann. Neben der Ballung der Sonnenenergie im „Schmalstbereich“ des sichtbaren Lichts ist das zum Beispiel die Tatsache, dass die Erde „zufällig“ genau in der relativ schmalen, gemäßigten Zone ihre Kreise dreht, wo das Wasser weder komplett verdampfen noch komplett erfrieren muss. Und die darüber hinaus „zufällig“ genau die richtige Größe hat, siehe oben. Und deren tektonische Plattenbewegung – auch keine Selbstverständlichkeit – dafür sorgt, dass die vom Wasser erodierte Erdkruste immer wieder erneuert wird.
Nun noch kurz zur Biologie. Die meisten Leser werden sich aus ihrer Zeit des Besuchs ihrer „säkularen Kirche“ an jenes Experiment erinnern, demzufolge Aminosäuren entstanden, als man eine Mixtur, die angeblich der „Ursuppe“ der Erdatmosphäre entsprach, lang genug mit Blitze simulierenden Elektroschocks bearbeitete. Aminosäuren sind Bausteine des Lebens. Das war das Miller-Urey-Experiment aus dem Jahr 1952. Das Experiment und sein Ergebnis passten so sehr in die säkulare Theologie, dass sie in deren Gebets- beziehungsweise Lehrbücher aufgenommen wurden und seither dort eine zentrale Stellung einnehmen.
Das Problem: Seit damals konnte nicht gezeigt werden, wie es weiter ging mit der chaotisch-zufälligen Lebensentstehung. Und nicht, weil man das nicht versucht hätte. Es geht hier nicht um die Widerlegung der Evolution nach Entstehung des Lebens, sondern um die Frage seiner Entstehung selbst. Und hier hat es einen geradezu exponentiell wachsenden Erkenntnisgewinn über die atemberaubende, dynamische Komplexität der Mikrobiologie einer Zelle – der kleinsten und ersten Lebensform – gegeben. Verschiedene Wissenschaftler setzen die Komplexität einer Zelle inzwischen mit der einer Fabrik oder gar einer Großstadt gleich. Ironischerweise begann diese Entwicklung im Jahr gleich nach dem Miller-Urey-Experiment, nämlich mit der Entdeckung der DNS-Doppelhelix durch James Watson und Francis Crick.
Leser dieser Seite wissen nur zu gut, dass, wenn allzu viele zweckdienliche „Zufälle“ gehäuft auftreten, eine „Verschwörung“ oder, neutraler ausgedrückt, eine „Absicht“ dahinter vermutet werden darf. So auch hier. Im Gegensatz zu den gelegentlich vermuteten politischen Absichten können wir hier aber von einer guten Absicht ausgehen.
Was hat das alles mit Freiheit zu tun?
Erstens: Wie ich vor kurzem auf Freiheitsfunken geschrieben habe, entwickelte sich aus der Aufklärung die Vorstellung, dass der zum rationalen Denken fähige Mensch die „Hypothese Gott“ – so der Astronom Laplace zu seinem Kaiser Napoleon Bonaparte – nicht mehr benötige. Alles sei berechenbar, vorhersehbar, planbar. Selbst menschliche Gesellschaften. Auf dieser Grundlage erhoben sich die totalitären Ideologien des 18. und 19. Jahrhunderts, die um eine Haaresbreite im 20. die ganze Menschheit ausgerottet hätten. Ohne diesen in der gebildeten Elite weit verbreiteten Glauben an die totale Machbarkeit wären diese Ideologien in jenen dunkleren Winkeln menschlicher Gesellschaften steckengeblieben, wo sie hingehören.
Zweitens: Die Naturwissenschaft ist jener Prozess, mit der wir Menschen uns die Erde untertan machen und somit unsere Bewegungs-, Handlungs- und Lebensfreiheit fortschreitend ausweiten. Diese Freiheit ist und bleibt aber eine „nur“ relative Freiheit. Irgendwann verlangt der Tod seinen Zoll. Es ist unbestreitbar und von vielen Gelehrten in jüngerer Zeit ausführlich dargelegt, dass es kein Zufall ist, dass die Naturwissenschaft auf dem Humus des christlichen Weltbildes – einer von einem rationalen, von Liebe erfüllten Gott geschaffenen Welt – entstanden ist und nirgendwo sonst eine vergleichbare kulturelle Durchschlagskraft entwickelte. Näheres dazu habe ich in meinem Buch „Jesus, der Kapitalist“ zusammengetragen. In bezeichnender Ironie versuchen jene, die glauben, die Wissenschaft brauche Gott nicht und könne den Menschen in eine gottgleiche Position „absoluter“ Freiheit heben, die Erkenntnisse der Wissenschaft der letzten 70 Jahre zu ignorieren, die immer stärker das genaue Gegenteil andeuten.
Drittens: Aus den ersten zwei Punkten ist erkennbar, dass Religion mitnichten eine Privatangelegenheit ist, sondern eine, die jede Faser der Gesellschaft durchwebt und beeinflusst. Religion ist unvermeidbar. Die Frage ist: Welche Religion ist mit der Realisierung größtmöglicher Freiheit – was unter Beachtung des Nichtaggressionsprinzips bedeutet, größtmöglicher Menschlichkeit – am ehesten vereinbar? Jene Religion, die in ihren Kirchen, die zu besuchen wir gezwungen sind, das Märchen verbreitet, dass der zufällige Ursprung des Lebens wissenschaftlich mehr oder weniger bewiesen ist, wir daher der Macht des Zufalls unterliegen und somit dem Zufall der Macht, wir also, um Freiheit für uns selbst zu erringen, möglichst viel Macht über andere anstreben sollten – oder jene Religion, die mit ihren zehn Geboten schon vor dreitausend Jahren das kodifizierte, was der große Libertäre Roland Baader „das einzig wahre Menschenrecht“ nannte, nämlich das Recht, in Ruhe gelassen zu werden? Jene Religion zudem, die, einzigartig unter den Religionen, etwa mit der „Magna Carta“ die unerhörte Vorstellung von der „Herrschaft des Rechts“ statt der „Herrschaft der Macht“ kulturell verwirklichte? Die allein sich rühmen kann, aus eigenem Antrieb die Sklaverei abgeschafft und geächtet zu haben?
Zurück zur aktuellen Zeit: Welche Chance hätten Übeltäter, eine Klima- oder Corona-Hysterie – „Glaubt der Wissenschaft!“ – loszutreten, wenn Menschen wüssten, wie sehr sie in den vergangenen Jahrzehnten von der Wissenschaft in einer der grundlegendsten Fragen überhaupt hinters Licht geführt worden sind? Welche Chance hätten sie, eine Ufo-Hysterie loszutreten, wenn Menschen wüssten, wie unwahrscheinlich die Entstehung des Lebens ist? Welche Chance hätten Inflationstreiber in Politik und im Bankensystem, wenn die Menschen an einen wahrhaft liebenden und, damit untrennbar verbunden, wahrhaft richtenden Schöpfergott glaubten, der ihnen das Lügen und das Stehlen – in der Geldpolitik also: das Inflationieren – verbietet?
Abwesenheit von chaotischer Willkürherrschaft ist abhängig davon, welche Religion vorherrscht. Uns steht ein Offenbarungseid des Atheismus bevor. Das ist eine gute Nachricht für die Freiheit.
Eric Metaxas, Autor von “Is Atheism Dead?” spricht mit dem Chemiker und Nanotechnologen Dr. James Tour sowie dem Astrophysiker Dr. Hugh Ross (Youtube, englisch)
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