Proteste gegen illegale Einwanderer in britischen Hotels: Kommt es zum Migrations-„Brexit“?
Relevant ist, welche Erzählung in den Köpfen der Menschen wirkmächtig ist, denn das bestimmt ihr Handeln.

Vor etwa einem Jahr brachen plötzlich in mehreren englischen Städten gewaltsame Unruhen gegen Migrantenunterkünfte und Moscheen aus. Auslöser war der barbarische Mord an drei Mädchen, die sich in Southport ereigneten, begangen von einem Sohn ruandischer, nichtmuslimischer Einwanderer. Damals wurden Leute, die Sach- und Personenschaden verursachten, ganz schnell eingebuchtet – zusammen mit anderen, die in diesem Zusammenhang „Desinformationen“ sowie „Hass und Hetze“ im Netz verbreitet hatten. Aber nur, wenn sich diese Aufwallungen gegen Migranten richteten. Etwa die Falschinformation, dass es sich beim Täter um einen illegal eingereisten Islamisten handelte. Dass Desinformationen, die zu Übergriffen von Migranten auf Einheimische führten, bestraft wurden, ist nicht bekannt.
Diese strafrechtlichen Maßnahmen dienten objektiv der Einschüchterung jener Menschen, die von der Politik verlangten, dass sie eine dauerhafte Lösung des Problems zunehmender illegaler Einwanderung hauptsächlich junger Männer aus fremden Kulturen findet. Die Antwort auf dieses Begehren waren eben diese strafrechtlichen Maßnahmen. Ein Jahr später zeigt sich, dass die Einschüchterung nicht langfristig gewirkt hat. Und das wiederum scheint den Staat einzuschüchtern.
Den Anfang machte vor etwa zwei Wochen die Stadt Epping am nordöstlichen Rand des Londoner Großraums. Ein illegal über den Kanal hineingeschipperter 38-jähriger Migrant aus Äthiopien soll dort, gerade acht Tage nach seiner Ankunft, einen sexuellen Übergriff an einer 14-Jährigen begangen haben. Seitdem protestieren Menschen aus der Nachbarschaft des Hotels, in dem dieser Herr mit vielen anderen illegal eingereisten Migranten untergebracht ist, gegen deren Anwesenheit. Ein Hotel unter vielen, die der Staat mit Steuergeldern für diesen Zweck angemietet hat, weil ihm der Platz für die jährlich zehntausenden, illegal eindringenden Einwanderer fehlt, die er hier aufgrund seiner Zugehörigkeit zum „Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“ zumindest zeitweise tolerieren muss – oder will. Der Gemeinderat verlangt inzwischen einstimmig, dass die Regierung das Hotel räumt.
Proteste dieser Art, oft mit vielen hunderten lautstarken Beteiligten, schießen inzwischen vielfach dort auf der Insel aus dem Boden, wo es solche Hotels gibt. Und das, obwohl der Mainstream erwartungsgemäß diese Ereignisse entweder verschweigt oder zumindest herunterspielt. Obwohl außerdem vor einer Woche der „Online Safety Act“ in Kraft trat, der den Internetplattformen vorschreibt, Inhalte zu zensieren, die für Minderjährige „schädlich“ sein könnten – worunter, oh Wunder, offenbar auch das eine oder andere Video über die Proteste fallen könnte. Mindestens X hat diesem Gesetz nachweisbar bereits Folge geleistet. Obwohl, drittens, an vielen Stellen Gegendemonstrationen stattfanden, mitsamt dem wie üblich Misanthropie ausstrahlenden, maskierten und aufgerüsteten Personal.
Mit anderen Worten: Der Einschüchterungsversuch der britischen Regierung vor einem Jahr ist verpufft. Nun könnte sie die Daumenschrauben anziehen und weitere Verhaftungen vornehmen. Dass dies bisher nicht geschehen ist, deutet darauf hin, dass sie Angst hat – vor der eigenen Bevölkerung. Und das ist gut, denn Angst der Regierung vor der Bevölkerung ist, wie wir wissen, eine unverzichtbare Voraussetzung für Freiheit.
Ich sehe hier eine gewisse Parallele zum Brexit. Als vor zehn Jahren das Referendum ernsthaft ins Gespräch kam, äußerte ich die Vermutung, dass, wenn es ein Land gebe, das den Mut aufbringen könnte, die EU zu verlassen, es das Vereinigte Königreich sein würde. Der Grund dafür hat mit dem zu tun, worüber ich in meiner Rede auf der eigentümlich frei-Konferenz im vergangenen November sprach: Die Unverzichtbarkeit, ja Unvermeidbarkeit von Erzählungen, wenn man politisch etwas ändern will.
Das Selbstverständnis der Menschen in ganz Europa und darüber hinaus in der ganzen westlichen Welt wird bis heute von der Erzählung über den Zweiten Weltkrieg beherrscht. In Deutschland zusätzlich, mehr noch als in anderen Ländern, vom Holocaust. Dieses Selbstverständnis prägt die Politik wie kaum etwas anderes. Mehr noch als die Erzählungen von schmelzenden Polkappen und 72 Geschlechtern.
Hier aber ist der Knackpunkt, der meiner Ansicht nach entscheidend zum Brexit führte und der entscheidend eine Wende in der europäischen Migrationspolitik einleiten könnte: Im Vereinigten Königreich ist die WK2-Erzählung eine andere als in allen anderen europäischen Staaten. Es ist das einzige Land in Europa, das im Zweiten Weltkrieg nicht entweder in einer eigenen Tyrannei lebte, oder von einer solchen unterjocht wurde, oder neutral blieb. Im Hinblick auf den Brexit kam noch hinzu, dass die Inselnation groß genug war, um dem Druck von außen zu widerstehen, ein „falsches“ Referendumsergebnis zu „überdenken“.
Aber im Hinblick auf die Migrationswelle ist entscheidend, dass in Großbritannien seit der „Stunde Null“ von 1945 die Bücher und Spielfilme über jene Zeit einen anderen Mythos in die Köpfe der Bevölkerung eingepflanzt haben als in allen anderen Ländern. Statt der Negativbotschaft „Wir müssen alles tun, dass es nie wieder zum Krieg, zur Tyrannei und zum rassistischen Massenmord kommt“, heißt die Entsprechung in Großbritannien viel konkreter und positiver: „Wir wissen, was zu tun ist, wenn uns ein Tyrann – oder ein Eindringling – bedroht“. Dann kommen Bilder in den Köpfen hoch wie die von der Luftschlacht um England oder dem Einsatz der vielen zivilen Kleinboote, die die mehreren hunderttausend Soldaten aus der Einkesselung bei Dünkirchen über den Kanal retteten. Die historische Korrektheit dieser und ähnlicher Erzählungen ist irrelevant. Relevant ist, was in den Köpfen der Menschen wirkmächtig ist, denn das bestimmt ihr Handeln.
Zwar haben die üblichen Verdächtigen auch in Großbritannien versucht, insbesondere in den vergangenen dreißig Jahren in einem jeden Kopf speziell der Bio-Briten ein Schuldgefühl für vergangene „rassistische“ Untaten aus der Kolonialzeit und des Sklavenhandels einzupflanzen. Aber im Ersten und Zweiten Weltkrieg einen mächtigen Gegner niedergerungen – oder zumindest bis zur Ankunft des großen Bruders jenseits des Atlantiks erfolgreich widerstanden – zu haben, dieser Mythos übertrumpft in England, Schottland, Wales und Nordirland noch immer die von oben angeordneten psychologischen Verzwergungsversuche. Insbesondere, aber nicht nur, die unteren Schichten der Bevölkerung scheinen dagegen mehr Immunität zu besitzen als etwa in Deutschland.
Aber auch in Deutschland gibt es Zeichen von erzählungsgenerierter Widerstandskraft gegen die zunehmende Diktatur. Oder es gab sie zumindest vor kurzem, nämlich während der Coronazeit. Die Rede ist von den „Montagsspaziergängen“. Sie griffen offensichtlich die Erzählung der Montagsdemonstrationen auf, die maßgeblich zum Fall der DDR beitrugen. Die Spaziergänge waren ein probates Mittel, das Demonstrationsverbot zu umgehen. Sie waren so zahlreich und weit verbreitet, dass die Staatsgewalt wortwörtlich „übermannt“ war. Der Protest gegen illegale Migration ist hier jedoch aus verständlichen Gründen gehemmter. Schon 2015 attestierten viele Beobachter in der „Refugees Welcome“-Hysterie den Versuch, die historische Schuld am Holocaust zu sühnen.
Mir geht es hier aber darum, dass aus Großbritannien nach dem Brexit zum zweiten Mal der Anstoß kommen könnte, einem Projekt der Globalisten und gleichgültigen bis bösartigen Eliten Sand ins Getriebe zu streuen. Wenn es ein Land in Europa gibt, das diesen Anstoß geben kann, dann ist es das Vereinigte Königreich.
Bisher zeigt der britische Staat wenig Willen, den diesjährigen Sommerunruhen etwas Wirksames entgegenzusetzen. Ein wichtiger Grund ist der, dass, im Vergleich zum vergangenen Sommer, einfach zu viele Proteste auf einmal stattfinden, so wie 1989 und 2022 in Deutschland. Es tut sich was in England, Wales, Schottland und Nordirland – und, übrigens sogar in der Republik Irland. Der wirkliche Test jedoch, ob die Proteste wirksam sind, wird der Ausstieg Großbritanniens aus dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sein, der seit Jahren Rückführungen weitgehend verhindert und in einer Entscheidung in der vergangenen Woche nochmals erschwert hat. Bisher zeigt sich das britische Establishment resistent gegen diese Forderung. Ein Ausstieg wäre also eine Riesensensation. So groß wie der vom selben Establishment verhasste Brexit, wenn nicht noch größer.
Zusatzinformation:
Aktueller Lagebericht (englisch) eines Beobachters über die aktuellen Proteste in England (British Landeur, This cannot be stopped, Youtube)
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