Voll auf Linie: „Viele sehen mich als Staatsfeind“
Anwärter für den größten Unsinn des Jahres
von Sascha Koll
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Was stellen Sie sich, verehrter Leser, unter einem Staatsfeind vor? Doch sicher so Leute wie mich: Personen, die gegen Androhung und Ausübung von Zwang und Gewalt gegenüber friedlichen Menschen sind, oder? Weit gefehlt. Staatsfeind ist jetzt, wer voll auf Linie ist. Glauben Sie nicht? Ein eigentlich völlig unbedeutender X-Nutzer kam damit auf Platz 15 in den Trends.
Der von mir männlich gelesene „black_tom“ (@kaptnrock) hat eine beeindruckende Liste von angeblich staatsfeindlichen Aktivitäten und Ansichten veröffentlicht, die es wirklich in sich hat:
Er lebt vegan. Was daran staatsfeindlich sein soll, nachdem der Staat mittlerweile links-grüne Bürgerräte (Berlin) einführt, die bestimmen sollen, ob und wie viel Fleisch auf den Tisch kommt, kann ich nicht nachvollziehen.
Er gendert. In Bayern könnte ihn das unter Söder vielleicht noch zum Staatsfeind machen, aber bundesweit wird ihn dafür kein Herrscher blöd anmachen.
Er ist E-Auto- und E-Bike-Fahrer. Ich wünschte, ich hätte die Möglichkeit, ein E-Auto zu laden. Zum Glück werde ich wohl in den nächsten zehn Jahren dazu gezwungen, mir eine Lösung zu überlegen.
Er ist für Wind und Solar. Es ist nichts falsch daran, für Wind- und Solarenergie zu sein. Ich, als Staatsfeind, denke selbst über eine Photovoltaikanlage nach, aber ein ganzes Land zum Zappelstrom zu zwingen und grundlastfähige Kraftwerke abzuschalten, käme mir nicht in den Sinn. Ich denke, nach seinem Verständnis geht ein Dafürsein auch damit einher, andere notfalls dazu zu zwingen, indem man alles andere verbietet.
Er ist für die Wissenschaft. Wo macht einen das zum Staatsfeind? „Die Wissenschaft“ hält doch für das Klima, eine Grippewelle und sonst alles Mögliche her, um der Regierung mal wieder zu bestätigen, dass jede noch so tyrannische Maßnahme gerechtfertigt ist.
Er ist geimpft. Großartig, das bin ich auch, aber ich vermute, er meint gegen Covid. Den Schuss habe ich mir tatsächlich nicht gegeben. Aber irgendwie meine ich mich zu erinnern, dass ich der Staatsfeind gewesen sein soll, da ich mir die Plörre nicht freiwillig geben wollte. Er hingegen ist doch wieder voll auf Linie.
Er ist für ein Böllerverbot. So wie jede Regierungsfraktion. Nochmal: Was macht den Typen bitte zum Staatsfeind?
Er ist für besseren Tierschutz. Wer nicht? Voll auf Linie.
Er ist für ein Tempolimit. Wieder genau wie praktisch jeder in der Regierung (die paar wenigen FDPler mal ausgenommen). Sie trauen sich bloß nicht, es endlich einzuführen, da sie mit massivem Widerstand aus der Bevölkerung rechnen, also von den sogenannten Staatsfeinden.
Er ist gegen die AfD, CDU, FDP und sonstige rechte Parteien. Ich frage mich, ob er mich verschaukeln will.
Er schließt seinen Tweet dann mit dem Satz ab, den ich nicht glauben konnte und der Anlass für diesen Text war: „Viele sehen mich daher als Staatsfeind.“
Mir fällt beim besten Willen nicht ein, wie man mehr für den Staat und die aktuelle Regierung simpen kann als er (Simp: jemand, der einer anderen Person übermäßiges Mitgefühl und Aufmerksamkeit entgegenbringt, ohne dass dies wirklich erwidert wird).
Jeden Punkt würde eine Außenministerin Baerbock unterschreiben. Ein Bundeskanzler Scholz sicher die allermeisten. Wie kann man sich selbst als Staatsfeind sehen, wenn einem die aktuelle Regierung praktisch bei allem zustimmen und sie andere nur zu gerne zum gleichen Verhalten wie dem des X-Nutzers zwingen würde?
Von Robert Habeck und Konsorten haben wir dieses Jahr schon viel Unsinn ertragen müssen, aber ein Staatsfeind, der von Mittelstrahl-Medien und Regierung hofiert würde, ist mir einfach zu wild.
Kommentare
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