18. Dezember 2023 17:00

Umgang mit Wertezuwachs Globales „Nullwachstum“ bedeutet Not, Elend und Tod

Lediglich eine weitere, dem „Geist Kains“ entsprungene, antikapitalistische Idee

von Robert Grözinger

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Bildquelle: Shutterstock Wachstum: Spielt sogar beim Sinn des Lebens eine Rolle

Was wäre, wenn wir ein globales „Nullwachstum“ erreichten? Wenn wir 8 Milliarden Menschen uns irgendwie einigten, dass wir jetzt einen „ausreichenden“ Lebensstandard erklommen haben? Die Folge wären Umverteilungskämpfe und eine Planbehörde, die versuchen würde, allen alles recht zu machen. Es gäbe Chaos, Hoffnungslosigkeit und einen unweigerlich sinkenden Lebensstandard.

Was wir unter Wirtschaftswachstum verstehen, also einen sich jährlich „aufzinsenden“ Wertezuwachs der Produktionsmenge, gibt es erst seit etwa 250 Jahren. Der Zuwachs seither beträgt durchschnittlich etwa zwei Prozent jährlich. 250 Jahre sind, großzügig gerechnet, zehn Generationen. Nach zigtausend Generationen, in denen es kein solches Wachstum gab, ist das ein historisch einzigartiger Kulturschock, den noch nicht alle innerlich verarbeitet haben. So eine Entwicklung, so eine „kreative Zerstörung“, wie der Ökonom Joseph Schumpeter (1883–1950) sie nannte, macht es fast unvermeidlich, dass einige Verlierer zurückbleiben. Diese Zerstörung betraf und betrifft nicht nur einzelne Unternehmen, sondern ganze Institutionen und Gesellschaftsstrukturen, wie zum Beispiel die Sklaverei und den Feudalismus. Nicht wenige der Verlierer – innerlich noch immer Sklavenhalter und Feudalherren – brannten und brennen mit einer abgrundtiefen Missgunst gegenüber dem Kapitalismus und seinem Wachstumsimpuls, wie sie Kain gegenüber seinem Bruder Abel empfunden haben muss. Diese Missgunst ist die Wurzel aller antikapitalistischen Ideen, so auch der Idee des Nullwachstums. 

Im „Lexikon der Wirtschaft“ der „Bundeszentrale für Politische Bildung“ heißt es unter dem Schlagwort „Nullwachstum“: „Bezeichnung für einen Zustand der Volkswirtschaft, in dem wesentliche wirtschaftliche Größen (zum Beispiel Bruttoinlandsprodukt, Produktionspotenzial, Kapital, Bevölkerung) Steigerungsraten von null Prozent aufweisen. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Grenzen des Wachstums und um eine nachhaltige Entwicklung wurde auch die Forderung nach Nullwachstum erhoben, konkret in Form eines realen Wachstums des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beziehungsweise des realen BIP-Wachstums je Einwohner von null Prozent.“

Also, Nullwachstum heißt dort null Prozent Wachstum pro Einwohner. Ich habe den Eindruck, die Fürsprecher einer solchen Strategie denken etwas anders. Null Prozent heißt für sie null Prozent insgesamt. Es geht ihnen ja vordergründig schließlich darum, die Erde, die Biosphäre, die Natur zu retten. Null Prozent pro Einwohner wäre da völlig unzureichend, wenn die Bevölkerung weiterwüchse. Denn: Mehr Menschen setzen zwingend die Produktion von mehr Nahrungsmittel, Kleidung, Unterkunft und so weiter voraus.

Miniaturisierung und Produktivitätssteigerung – Phänomene, die man langfristig nur in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung findet – können zwar zu einem gewissen Grad helfen, die „Ausbeutung“ der Natur und die unvermeidbare Umweltverschmutzung zu minimieren. Aber es gibt absolute Grenzen solch günstiger Entwicklungen: Es ist zwar erstaunlich, wie viel Rechenkraft inzwischen in eine Hosentasche und in Zukunft, wenn wir wollen, unter unsere Haut passt. Die körperliche Größe des Menschen erzwingt jedoch ein gewisses Mindestmaß an Material für unverzichtbare Dinge wie Nahrungsmittel, Kleidung, Unterkunft und Transport. Es sei denn, der Mensch an sich wird umgemodelt – Stichwort Transhumanismus mit all seinen ethisch fragwürdigen Begleiterscheinungen.

Auch Produktivitätssteigerungen können nur bis zu einem gewissen Grad helfen, Umweltverschmutzung und Ressourcenabbau zu minimieren, denn das zweite Gesetz der Thermodynamik – die Entropie – bedeutet, dass es bei jedem Produktionsprozess ein wenig Reibungsverlust geben wird. Wie man im Ersatzteillager in meiner Wehrdienstkaserne sagte: „Ein bisschen Schwund ist immer.“ Auch das vielbeschworene Recycling hilft da bestenfalls nur, den allgemeinen Abrieb etwas zu verlangsamen.

Also, denken die Fürsprecher absoluten Nullwachstums, müsse eine Obergrenze der zulässigen Zahl an Menschen auf diesem Planeten gesetzt werden. Hinter nicht allzu vorgehaltener Hand wird die Ziffer von einer halben Milliarde Menschen feilgeboten. Abgesehen von der Menschenfeindlichkeit auf höchstem genozidalen Niveau dieser Vorstellung gibt es zwei weitere Argumente, die dagegensprechen.

Das eine ist der Verlust an Arbeitsteilung. 500 Millionen Menschen können sich nicht so stark spezialisieren wie acht oder mehr Milliarden. Das bedeutete einen riesigen Produktivitätsverlust, der sehr wahrscheinlich viel größer wäre als der „Gewinn“ durch verminderte Belastung der Natur. Und somit langfristig ein Verlustgeschäft auch für diese. Es käme für die Überlebenden der „großen Keulung“ zu einem Niedergang des Lebensstandards. Dieser könnte – theoretisch – durch den Einsatz von Robotern und künstlicher Intelligenz aufgefangen werden. Im Voraus geplant werden kann so etwas aber nicht, siehe „Planwirtschaft“. Und würde daher nicht geschehen.

Das andere Argument ist ein Punkt, den die Fürsprecher nicht bedenken, oder worüber sie zumindest intensiv schweigen. Es ist dieser: Es gibt keine Maximalzahl an Menschen, die eine „Nachhaltigkeit“ eines beliebigen Lebensstils ermöglicht. Auch dann nicht, wenn der neue Lebensstil jener der Altsteinzeit wäre. Irgendwann werden die letzten Steinbrüche aufgebraucht und der letzte Faustkeil zersplittert sein – die Entropie lässt grüßen.  

Nachhaltigkeit für die Natur, wie sie sich einige Nullwachstumsbefürworter vorstellen, gibt es nur, wenn die Maximalzahl an Menschen die Zahl eins ist. Dann stirbt er oder sie, und dann ist es vorbei mit der Menschheit und die Natur, in all ihrer Gut- und Bösartigkeit, darf aufatmen. Oder es dürfte eine fast beliebige Zahl an Menschen geben, aber nur eines – biologischen – Geschlechts. In dem Fall kann es sogar eine ziemlich hohe Zahl sein. Die würde nach spätestens zwölf Jahrzehnten auf null heruntergefahren sein. Es sei denn, sie setzten das Klonen ein – was jedoch ein sehr hohes Maß an technischer Entwicklung und, damit einhergehend, Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung voraussetzt. Und wir wären dann wieder beim Transhumanismus.    

Nehmen wir aber mal eine „vernünftige“ stabile Zahl an Menschen beiderlei Geschlechts an, die laut den Nullwachstumsbefürwortern eine „Nachhaltigkeit“ sowohl der Wirtschaft als auch der Ressourcen und des Umweltschutzes ermöglicht, also sagen wir mal die berühmte halbe Milliarde: Auch dann würden sich die Rohstoffe allmählich – sprich- und wortwörtlich – in Luft auflösen. Nur vielleicht etwas langsamer als jetzt. Und dann?

Es läuft alles auf denselben Punkt hinaus: Nullwachstum bedeutet Dahinvegetieren bis zum Tod. Selbst das „weiche“ Nullwachstum – also „nur“ das Nullwachstum pro Kopf – würde schnell zur Aussichts- und somit Zukunftslosigkeit führen. Denn dann würde die Urexistenzfrage schnell sehr akut werden: Wozu sind wir hier? Nur um ein paar Milliarden Jahre herumzuhängen, die gleiche Lebensqualität an die nächste Generation weiterzureichen und zu warten, bis die Sonne stirbt und uns dabei den Hintern verbrutzelt? Viel früher als dieses Ereignis käme es zu Umverteilungskämpfen: Wenn nicht mehr gewachsen werden darf, kann man nur noch reicher werden, indem andere ärmer werden. Um das zu verhindern, bräuchten wir nicht nur „Planwirtschaft“, sondern alles andere Drum und Dran, was zu einem echten kommunistischen „Paradies“ dazugehört. Den Sklavenhaltern und Feudalherren wird das freuen.  

Um diesem Schicksal zu entgehen – materielle Verarmung, mörderische Umverteilungskämpfe, tyrannische Planwirtschaft und dauerhafte spirituelle Hoffnungslosigkeit – muss die Menschheit wachsen, wirtschaftlich und zahlenmäßig. Zahlenmäßig, um die Arbeitsteilung voranzutreiben, was wiederum dem Wirtschaftswachstum nutzt, welches uns ein immer angenehmeres Leben bereitet. Aber was sei mit der Ressourcenverknappung und der Umweltverschmutzung, lautete dann der Widerspruch. Dafür gibt es eine einzigartig taugliche Lösung: Privateigentum – und die damit verbundene, durch den Preismechanismus mögliche, feingliedrige Nutzung des für Wachstum nötigen Wissens. Mit anderen Worten: Die möglichst vollständige, weil dezentralisierte Nutzung der verfügbaren „ultimativen Ressource“, wie der amerikanische Ökonom Julian Simon (1932–1998) sie nannte, nämlich die Fähigkeit unserer Hirne, Problemlösungen zu finden. 

Wachstum ist somit ein äußerer Ausdruck des Einklangs des Menschen mit der Natur, seiner eigenen und der „seiner“ in Privateigentum befindlichen Umwelt – vorausgesetzt natürlich, dieses Wachstum beruht auf ehrlicher Arbeit und lauterem Handel. Und genau hier, in der Institutionalisierung des Raubes, Diebstahls und Betrugs durch den Staat und seines Geldproduktionsmonopols in Form von Zentralbanken, liegt die Ursache vieler Phänomene, die viele instinktiv richtig als Naturausbeutung empfinden, für die sie aber fälschlicherweise den Kapitalismus alias die freie Marktwirtschaft verantwortlich machen.

Warum aber müssen wir wachsen, um „spiritueller Hoffnungslosigkeit“ zu entkommen? Mühen des Lebens sind unvermeidbar. Wachstum zeigt allen, dass sich Mühen lohnen können – nicht nur jenen, die den ehrlichen Lohn einfahren, sondern auch jenen, die noch „an sich“ arbeiten müssen, um ebenfalls den Segen ehrlicher Arbeit zu empfangen. Es gibt nämlich einen noch „ultimativeren“ Faktor des Wachstums als den von Simon benannten. Das ist die Antwort auf die erwähnte Urexistenzfrage: Wozu sind wir hier? „Unser Hirn besser zu nutzen, um mit der höchsten Zahl an Spielzeugen zu sterben“ ist als Antwort unzureichend. Zwar wären wir dann bald in der Lage, noch tiefer in die Erde hinein zu buddeln und Ressourcen wortwörtlich sogar vom Himmel zu holen; wir wären dann bald auch in der Lage, das Sonnensystem zu bevölkern und vielleicht darüber hinaus ins Weltall zu dringen. Dann ist zwar die Sorge gebannt, dass uns die Sonne irgendwann den Heimatplaneten grillt. Aber einen Sinn des Lebens haben wir dann immer noch nicht gefunden. Solange wir diesen nicht finden, oder, genauer gesagt, solange die meisten diese Frage ignorieren, bleibt die ganze Menschheit anfällig für selbstzerstörerische Ideologien, die dem „Geist Kains“ entstammen.

„Wenn du recht tust, darfst du aufblicken“, sagte Gott dem zornig grübelnden Kain. Doch dieser wollte nicht aufblicken. Er wollte nicht das eigene Wachstumspotenzial sehen. Das wäre ein Eingeständnis, zuvor nicht recht getan, nicht das richtige, das ausreichende Opfer dargebracht zu haben. Der Stolz hielt ihn davon ab. Er blieb lieber geistig der Steinzeit verhaftet.

Es ist sehr wahrscheinlich kein Zufall, dass das 250 Jahre alte Wirtschaftswachstum in einer Kultur entstand – inmitten einer religiösen Erweckungsphase übrigens –, die eine Antwort darauf gefunden hatte, wie Kain seinen zerstörerischen, genozidalen Zorn besänftigen, seinen Stolz überwinden und seine Energie in schöpferische und auf Liebe beruhende Tätigkeit umwandeln kann.     


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