21. Dezember 2023 07:00

Privatisierung Gäbe es ohne den Staat keine Infrastruktur?

Dabei braucht es nur ein wenig Phantasie

von Olivier Kessler

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Bildquelle: Salivanchuk Semen / Shutterstock Deutschlands Straßen sind in einem katastrophalen Zustand: Wären wir ohne Staat womöglich besser dran?

Heute werden viele Infrastrukturprojekte vom Staat gebaut und betrieben. Aus diesem Grund können sich die meisten gar nicht mehr vorstellen, wie solche Bauten auf privater Basis errichtet und unterhalten werden könnten. Bedauerlicherweise gehen deshalb auch die überwältigenden Vorteile vergessen, die eine Privatisierung der Infrastruktur mit sich bringen würde.

Die Vorstellung, nur der Staat könne Straßen und Schienen errichten, zeugt von wenig Phantasie. Der Staat ist nicht die einzige kollektive Organisationsform, mit der solche Projekte realisiert und unterhalten werden könnten. Vielmehr handelt es sich beim Staat um die fragwürdigste von allen möglichen, weil er sämtlichen Bewohnern seines Territoriums die Kosten aufhalst, auch wenn diese im Einzelfall Einwände gegen das entsprechende Projekt haben und ihre knappen finanziellen Ressourcen lieber für andere Prioritäten ausgeben würden. Den Staat interessiert das nicht. Ohne mit der Wimper zu zucken, nötigt er allen die anfallenden Kosten der Bauprojekte auf.

Es gibt wesentlich humanere Kooperationsformen, mit denen Infrastrukturprojekte realisiert werden können als staatliche Befehle. Denkbar sind private Vereinigungen und Zusammenschlüsse wie etwa Unternehmen, Konsortien oder Genossenschaften, dank denen größere Projekte gemeinsam aufgegleist und umgesetzt werden können. So haben beispielsweise im Wesentlichen private Unternehmen das Eisenbahnnetz der Schweiz aufgebaut.

Heute gehört ein großer Teil der Infrastruktur dem Staat. Eine Privatisierung dieser Infrastruktur hätte allerdings gewichtige Vorteile. Würde man die vorhandenen und bereits errichteten Bauten an private Investoren versteigern, käme der Staat zu enormen Einnahmen, die er unter anderem für Steuersenkungen und zur Tilgung seiner enormen Schuldenlast benutzen könnte, um künftige Generationen nicht zu belasten.

Es kursieren diverse Einwände, die vermeintlich gegen eine solche Privatisierung sprechen. Bei genauerem Hinsehen aber entpuppen sich diese als unbegründet. So wird beispielsweise behauptet, wichtige Projekte würden nicht realisiert aufgrund von Trittbrettfahrern, die sich weigerten, sich am Projekt zu beteiligen, wenn der Staat sie nicht dazu zwinge. Dadurch kämen zu wenig Mittel für den Bau und den Unterhalt zusammen. Straßen und Schienen sind jedoch im Interesse einer Vielzahl von Individuen. Trittbrettfahrer hin oder her: Es ist davon auszugehen, dass sich Anbieter trotzdem zusammenschließen und organisieren werden, damit diese Projekte der Nachfrage entsprechend realisiert werden können. Nur weil es hie und da ein paar Trittbrettfahrer geben mag, heißt das noch lange nicht, dass die Menschheit deswegen auf die Befriedigung elementarer Bedürfnisse und auf den Fortschritt verzichtet. Ein solches Verhalten wäre völlig irrational.

Komplett ignoriert wird die Tatsache, dass es marktwirtschaftliche Mechanismen gibt, mit denen das Trittbrettfahrertum verhindert werden kann: So könnte man beispielsweise vorsehen, dass jene, die sich nicht freiwillig am entsprechenden Infrastrukturbau beteiligt haben, es dann aber doch benutzen möchten, einen höheren Nutzungspreis bezahlen müssen als die Investoren. Damit entsteht ein Anreiz zur finanziellen Beteiligung.

Allerdings blenden jene, die das Trittbrettfahrerargument vorbringen, oftmals auch berechtigte Bedenken der Skeptiker, Zweifler und Warner an den von der Politik vorgeschlagenen Bauten aus. Es widerspricht der Ethik der individuellen Freiheit, dass man andere Menschen dazu zwingt, sich an Projekten zu beteiligen, die sie persönlich nicht für prioritär und nicht unterstützungswürdig halten. Dies ist ihr gutes Recht. Das wichtigste Menschenrecht ist das Recht, von anderen in Ruhe gelassen zu werden. Sonst könnte jeder seine Anliegen mit Gewalt durchsetzen.

Ein weiteres Argument, das gegen eine Privatisierung vorgebracht wird, ist dasjenige, dass es ein riesiges Chaos gäbe, weil man als Benutzer die verschiedenen Infrastruktur-Eigentümer – zum Beispiel von Autobahnabschnitten – einzeln entschädigen müsste, was ein effizientes Vorwärtskommen verunmögliche. Doch die Erfahrung zeigt, dass private Unternehmen durch die Marktwirtschaft zur Kooperation angehalten werden, wenn dies im Sinne der Kundschaft ist. Dies wird auch in anderen Bereichen offensichtlich: So können Sie etwa mit der Debitkarte Ihrer Regionalbank fast auf der ganzen Welt an Geldautomaten Bargeld beziehen. Ähnliche Kooperationen gibt es bei Fluggesellschaften, um von A nach B zu reisen. Genauso wäre es mit einer privatisierten Infrastruktur: Es würden nicht vor jedem Straßenabschnitt Barrieren und Kassierer stehen. Würde ein Anbieter das so handhaben, würden Kunden auf jene Anbieter ausweichen, die effizientere Lösungen anbieten, weil ihnen ihre Zeit auch etwas wert ist. Denkbar sind beispielsweise regionale oder nationale Abobezahlmodelle, dank denen ein effizientes Vorwärtskommen ohne Staus ermöglicht wird.

Titus Gebel umschreibt in seinem Buch „Freie Privatstädte: Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“, wie eine vollständig privatisierte Infrastruktur hervorragend mit der Nutzungseffizienz in Einklang gebracht werden könnte: „Die einzelnen Bürger schließen mit dem Privatstadt-Betreiber einen Vertrag ab, in welchem sie sich dazu verpflichten, eine Summe zur Betreibung der Infrastruktur beizutragen und diese im Gegenzug nutzen zu dürfen.“

Ein weiterer Einwand gegen eine private Infrastruktur ist jener, dass die Nutzung für den Kunden teurer würde. Es gibt jedoch keine Belege dafür, dass eine Privatisierung je zu höheren Kosten für die Kunden geführt hätte, wenn man sämtliche Kosten berücksichtigt. Privat offerierte Leistungen sind aufgrund des Wettbewerbs zuverlässig günstiger. Die Infrastrukturbau- und -nutzungskosten würden daher vielmehr sinken, wenn man nicht einen staatlichen Monopolisten dafür zuständig erklären würde.

In den Preisen mag es lokale Unterschiede geben. Dort, wo nur ein geringer Wettbewerb unter den Anbietern herrscht, wie vielleicht bei wenig befahrenen Bergstraßen, dürften die Preise etwas höher liegen als in Regionen, wo es verschiedene Routen zum selben Ziel gibt. Selbst wenn sich die Straßenanbieter zu einem Kartell zusammenschließen würden, um die Preise hochzuhalten, würden viele Leute einfach auf die Bahn oder andere Verkehrsmittel umsteigen, was das Kartell zum Einsturz bringen würde.

Nicht zuletzt werden auch Bedenken geäußert, die Qualität der privaten Infrastruktur sei geringer, weil die Eigentümer des Profits wegen möglichst wenig Geld für Renovierungen und den Unterhalt ausgeben würden. Auch das ist falsch. Der Wettbewerb hält zu hochkarätigen Angeboten an, weil man die Kunden von seinem Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen möchte. Die Qualität würde auch wegen der Haftbarkeit steigen, die bei staatlichen Bürokraten nicht greift. Stürzt beispielsweise aufgrund fehlenden Unterhalts eine Brücke ein, so haftet der Eigentümer persönlich und dürfte der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen werden.


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