„Überfluss“: Verwerflicher Luxus?
Von (linker) Ideologie getriebene Neiddebatte

Oftmals werden Güter oder Dienstleistungen als „Luxus“ bezeichnet, die zum Überleben nicht absolut notwendig sind. Während „Überfluss“ im Privaten meist mit Freude, Muße und Wohlstand assoziiert wird, erhält er im politischen Diskurs oft einen bitteren Beigeschmack. Der Hinweis oder Vorwurf, jemand leiste sich einen luxuriösen Lebensstil, zielt bewusst auf unsere Neidinstinkte. Es geht jenen, die den überflüssigen Luxus anprangern, fast immer darum, mit dem Finger auf „die Reichen“ zu zeigen und sie dadurch zu Sündenböcken zu machen. Indem sie auf die frappanten Unterschiede zur Restbevölkerung hinweisen, lassen sie jene, die „in Saus und Braus“ leben, als moralisch niedrige, gefühlskalte und egoistische Wesen erscheinen, denen man mit einer staatlichen Umverteilungspolitik ans Portemonnaie müsse.
Dem (fehlgeleiteten) Ökonomie-Verständnis der Sozialneid schürenden Etatisten folgend, müsse man die egoistischen Reichen einfach entschlossener besteuern und das Geld den „Armen“ aushändigen, damit alle in den Genuss eines „angemessenen“ Lebensstils kommen könnten. Dieser wäre dann zwar frei von „überflüssigem“ Luxus, dafür aber für alle „würdig“.
Die Probleme mit dieser Argumentationsweise beginnen schon bei den Begriffen. Warum sind „würdig“, „angemessen“, „überflüssig“ oben in Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt? Weil diese Dinge immer im Auge des Betrachters liegen. Was angemessen, überflüssig oder würdig ist, unterliegt einem rein subjektiven Werturteil. Es ist nicht objektivierbar.
Ist es ein „überflüssiger“ Luxus, ein Auto zu haben? Für einen jungen Städter vielleicht schon, der auf unzählige und regelmäßig fahrende öffentliche Verkehrsmittel sowie Lebensmittelgeschäfte an jeder Ecke zurückgreifen kann. Für jemanden auf dem Land kann ein Auto hingegen eine Notwendigkeit sein, etwa für den Einkauf, der nur ein paar Kilometer entfernt erledigt werden kann. Oder wollte man etwa behaupten, das Auto sei für eine ältere Dame „überflüssig“, die ihren Wocheneinkauf weit von ihrem Wohnort entfernt tätigen muss? Wäre es da nicht sogar „unwürdig“, ihr das Auto zu verbieten und ihr zuzumuten, ihre schweren Einkaufstaschen zu Fuß über mehrere Kilometer schleppen zu müssen?
Wer alle über denselben Kamm schert und ein politisches Eingreifen fordert, um „überflüssigen Luxus“ wegzusteuern oder um zu bestimmen, worin ein „angemessener“ Lebensstil für alle liegen soll, der maßt sich ein Wissen an, das kein Mensch und kein Staat besitzen kann. Er will seine eigenen Interessen rücksichtslos durchsetzen, indem er den Staat beauftragt, Gewalt gegen jene anzudrohen oder anzuwenden, die andere Vorstellungen haben. Welche Bedürfnisse legitim sind und welche nicht, ist keine Frage, die die Politik oder die demokratische Mehrheit für alle entscheiden darf. Es ist eine individuelle Wertefrage.
Was Überfluss ist und was zu einem würdigen Leben unbedingt dazugehören muss, ist nicht nur subjektiv, sondern unterliegt auch dem aktuellen Zeitgeist. Was man vor 200 Jahren noch als „unnötigen Überfluss“ bezeichnet hätte und ausschließlich Königen und Kaisern vorbehalten war, zählt heute zu einem „würdigen“ Mindeststandard. Dank des unglaublichen Wohlstandszuwachses in den letzten beiden Jahrhunderten lebt die Durchschnittsbevölkerung heute wesentlich wohlhabender als frühere Könige und Kaiser.
Entsprechend haben sich auch die Erwartungen und Anforderungen angepasst. Das zeigt jedoch, wie dehnbar die obigen Begriffe sind. Dieser Tatsache sollte man sich bewusst sein, wenn neidgetriebene Ideologen „überflüssigen Luxus“ anprangern und sozialstaatliche Zwangsumverteilung und Verbote einfordern.
Doch nicht nur die Dehnbarkeit der Begriffe spricht gegen jene, die politisch gegen Luxus und Ungleichheit vorgehen wollen und meinen, man könne das Paradies auf Erden schaffen, indem man den einen ihren Luxus wegnehme und diesen an die Ärmeren umverteile. Sie kämpfen damit auch gegen ökonomische Gesetze an, die unumstößlich sind.
Wer nämlich so argumentiert, wird von einem Nullsummen-Irrglauben fehlgeleitet. Das ist die falsche Vorstellung, die Wirtschaft sei ein Nullsummenspiel. Der Wohlstand gleicht in dieser Vorstellung einem immer gleich großen Kuchen, der – wie von magischer Hand – in regelmäßigen Zeitabständen neu aus dem Ofen geholt und lediglich „gerecht“ verteilt werden müsse. Wenn man den Produktionsprozess dieses Kuchens gänzlich außer Acht lässt, fällt es natürlich leicht, materielle Ungleichheit a priori als „ungerecht“ anzuprangern und diese als „größtes gesellschaftliches Problem“ darzustellen. Wer die Ökonomie unzulässigerweise auf reine Verteilungsfragen reduziert, wird „die Reichen“ wenig überraschend für Schmarotzer an der Gesellschaft halten, die sich frecherweise ein zu großes Kuchenstück herausgenommen haben. „Was fällt diesen ungehobelten Bonzen bloß ein?“, werden sich diese ökonomischen Laien aufregen: „Entreißt den Gierigen ihr zu großes Stück, dass sie sich genommen haben, und verteilt es an die Armen!“
Doch diese Sichtweise ignoriert, dass die Größe des gebackenen Kuchens stark davon abhängt, welche Anreize man jenen setzt, die ihre Arbeit und ihr Kapital in diesen Produktionsprozess reinstecken. Wenn sich gute Leistungen nicht lohnen – wenn also am Ende ohnehin alle das gleich große Kuchenstück erhalten –, wird sich auch niemand besondere Mühe geben oder sich anstrengen. Entsprechend fällt dann auch die Kuchengröße als Ganzes kleiner aus. Mangelwirtschaft und Armut melden sich zurück.
Die Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel. Sie ist kein immer gleich großer Kuchen. Ansonsten hätten wir weltweit übers Ganze gemessen immer noch den gleichen Wohlstand wie vor 200 Jahren – eine offensichtlich absurde Vorstellung, wenn man bedenkt, dass im selben Zeitraum die Weltbevölkerung von rund einer auf heute acht Milliarden gestiegen ist, es also für den Einzelnen achtmal weniger Wohlstand geben müsste als noch vor 200 Jahren.
Wohlstand wächst, wenn man die Menschen frei miteinander interagieren und tauschen lässt. Jedes Mal, wenn jemand einen Tausch eingeht, tauscht er damit etwas ein, das aus seiner subjektiven Sicht weniger Wert hat als das Gut, das er im Gegenzug dafür bekommt. Sein Wohlstand ist also gestiegen. Der Wohlstand des Vertragspartners sinkt dabei im Gegenzug aber nicht, wie es die Nullsummengläubigen vermuten. Denn der Wert einer Sache ist subjektiv und hängt davon ab, wie stark es zur Erreichung subjektiver Ziele beiträgt. Ein freiwillig eingegangener Tausch zeigt, dass allen Vertragsparteien das jeweils andere Gut wichtiger ist als dasjenige, das sie herzugeben bereit sind. Der Wohlstand aller Vertragsparteien ist also gewachsen. In anderen Worten: Der Umfang des in der Gesellschaft vorhandenen Luxus nimmt zu, was eine wunderbare Sache ist. Denn das bedeutet, dass es den Menschen besser geht und sie mehr von ihren Bedürfnissen befriedigen können.
Es ist interessant, dass Antikapitalisten, die früher behauptet haben, der Kapitalismus führe zu mehr Armut für die Arbeiter, heute das genaue Gegenteil anprangern: den Überfluss, den selbst eine verkrüppelte Marktwirtschaft für alle hervorbrachte. Angeprangert wird heute vielmehr der „Konsumwahn“ und der „Luxus“, den sich die Leute leisten. Es ist schon etwas eigenartig, wie verbissen Antikapitalisten an ihrer Kritik der Wirtschaftsfreiheit festhalten, auch wenn sich ihre Befürchtungen gar nicht bestätigt haben. Es wäre an der Zeit, die eigenen ideologischen Irrtümer einzugestehen.
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