26. Juni 2025 06:00

Der „fette“ Staat Keine Angst vor Steuerausfällen

Zwangsumverteilung schafft Armut

von Olivier Kessler drucken

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Bildquelle: Shutterstock AI Generator Unersättlich: (Schweizer) Staat wird immer fetter

Der Staat hat in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz enorm an Gewicht zugelegt. Die Stellen des öffentlichen Sektors etwa haben zwischen 2011 und 2019 viel stärker zugenommen als jene in der Privatwirtschaft, nämlich um 13,6 Prozent, verglichen mit 9,7 Prozent im privaten Sektor. Mittlerweile sind 16,6 Prozent aller Beschäftigten im öffentlichen Sektor (inklusive staatsnahe Betriebe wie Schweizerische Bundesbahnen, Post et cetera) tätig. Waren die Personalkosten für die Verwaltung von 1990 bis 2007 schon um durchschnittlich 1,5 Prozent pro Jahr gestiegen, legten sie von 2008 bis 2019 noch stärker zu: nämlich um 2,2 Prozent.

Der Staat ist übergewichtig geworden. Übergewicht macht bekanntlich krank. Je mehr Aufgaben und Kompetenzen sich die Staatsmacht an sich reißt, desto eher verliert sie ihre Kernaufgabe – den Schutz von Leib, Leben und Eigentum – aus dem Fokus; desto mehr verzettelt sie sich und tut Dinge, die dieser Kernaufgabe widersprechen; desto mehr Steuern muss sie erheben und die Menschen entmündigen; desto stärker wird aufgrund der zunehmenden Verstaatlichung die Innovationskraft der Wirtschaft geschwächt; desto intensiver wird die individuelle Freiheit jedes Einzelnen eingeschränkt und erlahmen die Produktivkräfte, die uns ursprünglich Prosperität gebracht haben.

Der Staat ist zu fett geworden – eine Abspeckungskur ist dringend nötig, wenn man die immer weiter ausufernden gesellschaftlichen Probleme eindämmen möchte. Liberale Reformen drängen sich auf, die die Entscheidungskompetenzen von den staatlichen Ebenen an die Bürger zurückdelegieren. Doch diese elementar wichtigen Prozesse zur nachhaltigen Gesundung der Wirtschaft und der Gesellschaft werden von manipulativ argumentierenden Etatisten torpediert, die die Bürger am liebsten weiterhin maximal ausbeuten wollen. Ein beliebtes Schlagwort im Arsenal der Status-quo-Verteidiger ist der Begriff der „Steuerausfälle“. Wenn man liberale Reformen durchführe, so hätte das solche zur Folge. Das Wort „Ausfälle“ impliziert dabei, dass man mit einer Liberalisierungsmaßnahme Werte vernichte, weil danach etwas nicht mehr da sei, was zuvor da gewesen war. Etwas falle weg und fehle nachher in der gesellschaftlichen Gesamtrechnung, nämlich die Steuereinnahmen. Und das sei für die Gesellschaft als Ganzes schlecht. Es wird impliziert, sie werde ärmer, denn sie habe schließlich weniger Geld zur Verfügung, das sie für gute Zwecke ausgeben könne.

Doch das ist natürlich Unfug. Allein den Staatsetat zu betrachten und daraus Schlussfolgerungen für das Wohl der Gesellschaft zu ziehen, ist widersinnig. Denn das Staatsbudget ist nur ein Teil des gesamtgesellschaftlichen „Budgets“. Was dabei ausgeblendet wird, sind die vielen privaten Haushalte, die individuellen Budgets der Steuerzahler.

Es ist völlig klar, dass der Staat nur an Gewicht zulegen kann, wenn er sich von den Steuerzahlern mehr nimmt. Der Staat kann kein Geld ausgeben, das er zuvor nicht irgendjemandem weggenommen hat. Und die Steuerzahler überlassen dem Staat dieses Geld nur unfreiwillig. Denn der Staat schließt mit seinen Opfern keine Verträge ab, sondern nimmt sich deren Eigentum unter Androhung oder Anwendung von Gewalt. Würde er seine Einnahmen aufgrund freiwilliger Zahlungen und abgeschlossener Verträge erhalten, wäre er eben nicht ein Staat (der sich unter anderem durch das Erheben von Steuern definiert), sondern ein privates Unternehmen, das Güter und Dienstleistungen an freiwillig zahlende Kunden verkauft.

Der Aufklärungsphilosoph Frédéric Bastiat (1801–1850) beschrieb diese Strategie, den Fokus allein auf den Staatsetat und das staatliche Handeln zu reduzieren, sehr treffend in seinem Büchlein „Was man sieht und was man nicht sieht“. Er greift dabei die Argumente für einen ausgebauten Staat mit umfangreichem Budget auf. Ein großes Staatsbudget könne viele Menschen ernähren, indem diesen zum Beispiel Sozialhilfe, Subventionen oder ein Lohn ausbezahlt werde. Es könnten mit diesen Staatsgeldern auch neue Infrastrukturprojekte errichtet werden, etwa neue Straßen, Brücken, Tunnels, Schulen und Spitäler. Nach Bastiat sind diese Staatsausgaben und die sichtbaren Ergebnisse dieser Ausgaben das, was man sieht. Was man nach Bastiat bei dieser Verherrlichung „staatlicher Wohltaten“ ausblende, sei das, was man nicht sieht. Dazu zählen etwa das Leid und die Nachteile der Steuerzahler, denen das Geld abgeknöpft wird. Sie haben nun ihrerseits weniger Mittel zur Verfügung, die sie nach eigenen Präferenzen und eigenem Gutdünken ausgeben können. Nicht mehr sie dürfen von den ihnen erwirtschafteten Mitteln profitieren, sondern Politiker und Funktionäre.

Man kann also nicht einfach nur die Ausgabenseite des Staates betrachten und dann sagen: „Wow, der Staat leistet so viele Wohltaten, ist der denn toll!“ Das wäre in etwa so absurd, wie wenn man einem Bankräuber nur beim Ausgeben seiner Beute im Supermarkt zuschauen würde und zum Schluss käme, dass dieser Bankräuber ein feiner Mensch sei, weil er die Wirtschaft ankurble. Bastiat fordert uns dazu auf, das ganze Bild zu betrachten: „Sie vergleichen die Nation mit ausgetrockneter Erde und die Steuer mit einem fruchtbaren Regen. Nun gut. Aber Sie müssen auch fragen, wo die Quellen dieses Regens sind und ob es nicht eben genau die Steuer ist, die die Feuchtigkeit aus dem Boden pumpt und ihn austrocknet. Sie müssen sich außerdem fragen, ob der Boden so viel von dem kostbaren Regenwasser erhalten kann, wie er durch die Entwässerung verliert.“

Worauf Bastiat mit dem letzten Satz anspielt, ist die Tatsache, dass sich jegliche Besteuerung nachteilig auf die Wohlstandsbildung auswirkt im Vergleich zu einer Situation, in der Eigentumstitel auf freiwilliger Basis den Besitzer wechseln. Immer wenn jemand besteuert wird, ist das eine Win-lose-Situation. Der Nettosteuerzahler verliert, der Nettosteuerempfänger gewinnt. Wenn Eigentumstitel jedoch ausschließlich auf Basis von Verträgen den Besitzer wechseln, so entsteht immer eine Win-win-Situation, bei der beide Seiten gewinnen und sich beide besserstellen. Ansonsten würden sie ja den Vertrag nicht freiwillig abschließen.

Man könnte natürlich argumentieren, dass man von den staatlichen Leistungen als Besteuerter auch wieder etwas zurückerhält, weshalb Besteuerung doch nicht so schlimm sein könne. Doch wenn man zur Besteuerung Zwang anwenden muss, so bedeutet das immer, dass es aus Sicht des Besteuerten eine bessere Verwendungsmethode für dieselben Mittel gegeben hätte. Ansonsten hätte er das Geld ja freiwillig hergegeben und man hätte ihn nicht dazu zwingen müssen. Das ist der Grund, warum eine Marktwirtschaft mit geschützten Eigentumsrechten bei der Schaffung von Wohlstand anderen Systemen immer überlegen ist: Jegliche Zwangsumverteilung schafft mehr Armut im Vergleich zu einer Situation, in der es keine Zwangsumverteilung gegeben hätte.

Es ist außerdem irreführend, wenn behauptet oder impliziert wird, aufgrund von „Steuerausfällen“ würden wichtige, gesellschaftlich erwünschte Funktionen wie die Armenhilfe oder der Bau von Infrastrukturprojekten einfach wegfallen. Denn wenn der Staat weniger gefräßig wäre, bliebe den Bürgern und Unternehmen mehr Geld, um gewünschte Funktionen effizienter und besser zu erfüllen, als es die Politik könnte – unter anderem deshalb, weil sie im Vergleich zu den politischen Akteuren „skin in the game“ haben und der Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern spielen kann. Je mehr Mittel die Bürger selbst ausgeben dürfen, desto mehr können sie sich auch in all jenen Bereichen engagieren, die heute vom Staat okkupiert sind. Es ist daher wichtig zu betonen, dass Steuerausfälle gerade in der heutigen Situation erstrebenswert sind. Sie sind ein Begleitphänomen bei der Rückeroberung von Freiheit und Selbstbestimmung. Ein Hoch auf Steuerausfälle!


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