Fluch oder Segen?: Bezahlkarte für Flüchtlinge
Ein Vorgeschmack auf CBDCs
von Sascha Koll
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Nachdem im Kreis Greiz (Thüringen) erste Flüchtlinge abreisten, da sie statt Bargeldzahlungen bloß eine Bezahlkarte erhielten, wollen sich nun 14 der 16 deutschen Bundesländer dem Vorstoß des Kreises anschließen.
Dass Bezahlkarten anstelle von Bargeld wirken, lässt sich nicht mehr leugnen. Der Pull-Faktor der üppigen und praktisch bedingungslos ausgezahlten Barmittel könnte tatsächlich für eine Entspannung des Migrationsstroms sorgen. Stand 20. Januar wurden bereits 200 Bezahlkarten an sogenannte Flüchtlinge ausgegeben. Dagmar Pöhland, die zuständige Chefin für Flüchtlingsbetreuung, gab bei „Bild“ zu Wort: „Die meisten akzeptieren die Umstellung und sind froh, dass sie überhaupt etwas bekommen. Aber bereits im Dezember haben 15 Flüchtlinge gesagt ‚Wir wollen keine Karte, wir wollen Bargeld‘ und sind kurz darauf abgereist.“ Die Quote der Abreisenden soll zwischenzeitlich sogar um ein Vielfaches gestiegen sein.
Alle deutschen Bundesländer, mit Ausnahme von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, beteiligen sich an dem neuen Projekt. Die beiden Ausreißer planen ein eigenes Modell.
Flüchtlingen soll durch die Bezahlkarte verunmöglicht werden, Kredite bei Schleppern abzubezahlen oder Geld in die Heimat zu schicken. Die Karte soll nur in Deutschland gelten und Online-Bestellungen aus dem EU-Ausland sollen beschränkt möglich sein. Weiter sollen nur geringe Bargeldbeträge mit der Karte abgehoben werden können, die dann als eine Art Taschengeld dienen. Die Karten sollen auf Veranlassung der Behörden im Falle eines Missbrauchs gesperrt werden können.
Bis Ende Juni soll die europaweite Ausschreibung für die Umsetzung des Projekts laufen und noch vor den Landtagswahlen im Osten sollen die ersten Karten ausgegeben werden.
Viele freuen sich jetzt gerade über die Bezahlkarten, die die Handlungsfreiheit der Flüchtlinge einschränken sollen. Sie sind nicht ganz die häufig geforderte Sachleistung, die auch einen logistischen und finanziellen Mehraufwand bedeutet hätte, doch scheinen sich einige mit diesem Kompromiss zufriedenzugeben.
Ich sehe jedoch Gefahren in diesen neuen Karten. Ein Nutzer auf „X“ bringt die mögliche Gefahr hervorragend auf den Punkt. @KilezMore: „Erst kamen die Bezahlkarten für Flüchtlinge, doch ich schwieg, denn ich war kein Flüchtling. Dann kamen die Bezahlkarten für Bürgergeldempfänger, doch ich schwieg, denn ich war kein Bürgergeldempfänger. Dann kam die Bezahlkarte für mich, doch es war zu spät, sich zu wehren!“
„Leistungsberechtigte sollen perspektivisch einen Teil der Leistungen als Guthaben auf einer Karte anstelle einer Barauszahlung erhalten. Über die Höhe des Barbetrags sowie über weitere Zusatzfunktionen entscheidet jedes Land selbst“, teilte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) mit. Gerade „weitere Zusatzfunktionen“ lassen bei mir erst einmal alle Alarmglocken schrillen. So wäre eine Beschränkung der Karte auf eine Region, ausgewählte Branchen und sogar einzelne Waren- und Dienstleistungsangebote möglich. Wer sich hier direkt an Central Bank Digital Currencies (CBDCs) erinnert fühlt, dem möchte ich beipflichten. Bevor das programmierbare Geld kommt, kommen die programmierbaren Karten. Sind diese erst einmal erprobt, könnte man sie nicht bloß für Flüchtlinge, sondern auch an Bürgergeldempfänger, Beamte oder sogar den produktiven Arbeitnehmer ausgeben.
Die ersten Umgehungsmöglichkeiten, um dennoch an Bargeld zu kommen, sind bereits erprobt. Vor einiger Zeit kauften Flüchtlinge Wasserflaschen, die mit Pfand belegt sind, um die Flaschen sofort nach dem Kauf zu entleeren, das Pfand umgehend in den Pfandautomaten zu werfen und sich das Bargeld auszahlen zu lassen. Aber auch der Kauf von Gütern, die direkt wieder gegen Bares veräußert werden, ist eine Möglichkeit, die Beschränkungen zu umgehen.
Doch wir müssen uns Folgendes bewusst werden: Das Problem ist nicht, dass Flüchtlinge Geld in die Heimat schicken oder ihre Mittel für Dinge einsetzen, die wir persönlich nicht gut finden. Es sind auch nicht die Ausgabestellen das Problem. Die Einnahmenseite ist, was wir kritisieren sollen. Steuern sind Raub. Die Regierung kann nur Geld verteilen, das sie vorher anderen weggenommen hat oder das aus der Druckerpresse der Europäischen Zentralbank kommt, die dann unsere Geldeinheiten entwertet.
Ja, man kann die Ausgabenseite bemängeln, man kann dafür argumentieren, dass Flüchtlinge ihre Barmittel nicht so einsetzen, wie wir es für richtig halten. Wir können kritisieren, dass „Bargeld auf die Hand“ ein Pull-Faktor ist, aber die sogenannte Gesellschaft sollte sich nicht um Schadensbegrenzung bemühen, sondern den Schadenverursacher, die Räuberbande, endlich in ihre Schranken weisen.
Den Menschen, die hierherkommen, kann man bei „unserem“ Angebot keinen Vorwurf machen. Auch was sie mit dem Geld anstellen, mit welchem „Wir“ sie bewerfen, geht „uns“ überhaupt nichts an. Sie und mich sollte tangieren, wer uns das Geld aus den Taschen zieht. Und die gleichen Personen, die dies mit Freude tun, spielen gerade mit Karten, die beliebig programmierbar und damit beschränkbar sind. Sie sind neben den CBDCs das Einfallstor für den totalen Überwachungsstaat. Diesen Testlauf, der aufzeigen soll, was möglich ist und wie weit man es mit den Menschen in diesem Land treiben kann, sollten wir nicht bejubeln, sondern anprangern.
Der Weg dahin, alle staatlichen Leistungen nur noch auf dem Wege einer Bezahlkarte auszuzahlen, ist nicht weit. Auch wenn ich staatliche Sozialleistungen aus Prinzip ablehne, will ich nicht zuschauen, wie die ohnehin in die Abhängigkeit Getriebenen bald zum gläsernen und steuerbaren Menschen werden, der dann als Probelauf für die Unterdrückung aller wird.
Erste Flüchtlinge reisen wegen Bezahlkarte ab („Bild“)
Was Flüchtlinge noch kaufen dürfen („Bild“)
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