Guter Einkauf: Whisky.de: Die meinungsstarke Gemütlichkeit
Wieso die Familie Lüning jeden Cent verdient hat
von David Andres
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„Guten Abend und herzlich willkommen im Unternehmerblog, kurz Unterblog genannt. Begleiten Sie mich auf meinem Lebensweg …“
Na, wissen Sie schon, wie der Satz weitergeht? Falls ja, haben Sie auch gleich die dazugehörige Stimme im Ohr, dieses angenehme, runde und wohlige Timbre. Falls nein, es geht so: „… und lernen Sie die Geheimnisse der Gesellschaft und Wirtschaft kennen, die von Politik und Medien gerne verschwiegen werden.“
Die angenehme Stimme, die derlei Großes in jeder Folge ankündigt, gehört Horst Lüning und ist geschmiert vom moderaten, bewussten Genuss jener feinen Flüssigkeit, die er über das Internet an den Mann bringt. Der Onlinehandel, den seine Frau Theresia und sein Sohn Benedikt als Geschäftsführer leiten, ging bereits 1994 ins Netz, nachdem Theresia – so die Firmenhistorie – „mit ihrem Mann Horst Lüning 1990 auf einer Schottlandreise ihre Liebe zum Single Malt Whisky“ entdeckte, die den Startschuss bildete.
1994 und direkt in den Onlinehandel! In einer Zeit, in der es noch ein Jahr in der Zukunft lag, dass die große Schachtel von Windows 95 im Einzelhandel aufschlug und dass die zwei anderen wunderbar gemütlichen Herren Wolfgang Rudolph und Wolfgang Back vom WDR Computerclub ihre erste Sendung live von der CeBit im ruckeligen, langsamen, der Mehrheit noch recht unbekannten Internet übertrugen. Oder, wie Horst Lüning gerne süffisant den jungen Menschen zuruft, die ihn ob seiner herrlich altmodischen Optik zwischen Wohnmobil-Camper und Steg-Angler unterschätzen: „Ich bin das Internet!“
Der Videoblog von whisky.de mit seinen Tastings zählt zum Zeitpunkt, an dem ich diesen Text bei einem Glas „The Quiet Man Distiller’s Selection“ aus dem Hause Lüning schreibe, satte 2.094 eingestellte Videos und 67.400 Abonnenten. Mit seinem oben eingeführten Unterblog allerdings hat sich Lüning auf 168.000Abonnenten hochgearbeitet und sein Kerngeschäft in Sachen Youtube somit bei Weitem überflügelt. Ohne Schnitt, ohne Heckmeck, ohne weitere Effekte sitzt er dort und tut in aller Ruhe seine Meinung kund, die politisch meist liberal bis libertär ausfällt, aber auch wiederum nicht alle Haltungen automatisch einkauft, die in „unseren“ Kreisen meistens Kanon sind. So ist der gelernte Luft- und Raumfahrttechniker Lüning ein ungebrochener Fan der Elektromobilität und hat auch die Eier in der Hose, auf der ef-Konferenz in Usedom neben dem abendlichen Whisky-Tasting in der eigentlichen Vortragsreihe genau diese umstrittene Fortbewegungsform mit Zahlen, Argumenten und Passion zu vertreten.
Die Tatsache, dass whisky.de eine unerschöpflich inspirierende Ressource ist, um immer mehr über das Feinschmeckertum dieser Sparte zu lernen und für sich selbst wie für andere stets beste Geschenke zu finden, sowie die weitere Tatsache, dass Lüning auf seinem Unteblog (geadelt ebenfalls schon durch mehrere Strikes) seine Meinung so sagt, dass er im Grunde je nach Thema mit allen aneckt – diese beiden Aspekte alleine machen seine Produkte bereits zu einem guten Einkauf. Ich möchte allerdings hervorheben, was ihn darüber hinaus auszeichnet wie kaum einen zweiten „alten weißen Mann“, von oben genanntem Wolfgang Rudolph einmal abgesehen, der den Computerclub übrigens auch mit seinem Sohn fortführt wie Horst Lüning sein Whisky-Erbe mit Benedikt Lüning.
Die Rede ist von Lünings ureigener Mischung aus unerschütterlicher Ruhe, trockenem Humor und einer interessanten Unerreichbarkeit oder Unnahbarkeit, die ihn sehr angenehm von anderen Influencern jeder Altersklasse unterscheidet.
Der Horst siezt sein Publikum.
Der Horst geht auf Leserpost ein, stellt sogar Bücher vor, die im Selfpublishing erschienen sind und zitiert seitenweise gute Briefe, die ihn erreichen, aber eben nach seinem Gusto, unbestechlich und ohne jedwede Reaktionsgarantie.
Der Horst wirbt in jeder Unterblog-Sendung auch für sein Unternehmen und das stets mit dem gleichen eingeschobenen Satz, weil es sein verdammtes Recht ist und er niemals das Geschäft außen vor lassen würde, um Selbstlosigkeit zu simulieren.
Der Horst würde sich niemals als „euer Horst“ verkaufen, sondern bleibt immer und somit auch wieder hier durch mich, den ich den Hut vor dieser Lebensleistung ziehe, der Herr Lüning.
Der „Quiet Man“ schmeckt übrigens laut der Beschreibung im digitalen Katalog von whisky.de nach „Eichennoten mit Honig und frischen Äpfeln“, Karamell, Birne, Orangenschale und Anklängen von Ingwer im Abgang. Ich gebe zu, den Ingwer nicht erkannt zu haben, den Rest der Aromen allerdings durchaus, plus einem Hauch von Vanille. Aber ich übe noch, ich lerne noch … von und mit den Lünings.
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