Guter Einkauf: Ültje: Sie gehen keinem auf die Nuss
Wie ein Knabberunternehmen im alten Normal bleibt
von David Andres
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Immer, wenn ich auf der A1 nach Süden düse, überkommt mich die gute Laune, wenn links von mir das Werk der Intersnack Deutschland SE am Fenster vorbezieht und sich das Logo der Firma Ültje in die Luft reckt. 1867 gründet Alfred Russell das Unternehmen in Emden als Import- und Großhandelsagentur, 1949 rösten Alexander und Enno Russell erstmals Erdnüsse, also „Ültjes“ im ostfriesischen Plattdeutsch. Laut Firmenangaben kennen 90 Prozent der Deutschen zumindest namentlich die Waren dieser Qualitätskoryphäe in Sachen nussigen Knabberkrams.
Im Herbst 2019, nur wenige Monate vor Beginn des Corona-Zeitalters und der neuen Normalität, rollte das Unternehmen eine neue Kampagne aus, in der es einen sehr sympathischen Ort als Schauplatz für die kleinen erzählten Geschichten wählte: Die gute alte Kneipe. „Fietes Bar“ wird betrieben von einem graubärtigen Rocker mit Lederweste, der seinen Kunden mit den Worten „Nüsse sind auch Früchte. Hier haste deinen Smoothie“ eine Dose Ültje über den Tresen schiebt … und dabei schon einen kleinen Seitenhieb gegen das Hipsterwesen verteilt. Auch die fiktionalen Gäste vom „old white man“ Fiete sind Gegenmodelle zur Prenzlberg-Welt: ein Fitnesstrainer, ein Handwerker, eine Studentin und ein Bankerin, die ihre Position nicht durch Quotengeschacher erreicht hat, sondern durch Arbeit und Wettbewerbslust. Ihr Spruch: „Versuch mal, ohne Nüsse in die Chefetage zu kommen.“
Auf der Website der Firma wird nicht gegendert – man spricht im generischen Maskulinum von „Mitarbeitern“ oder „Verbrauchern“ und beteiligt sich an keinerlei Symbolpolitik oder Virtue signalling. Gesinnungsethik nein, Verantwortungsethik ja – entlang der vier Säulen einer „Nachhaltigkeitsstrategie“ nimmt man mittels Qualität der Produkte und ordentlichen Arbeitsbedingungen die Kunden wie die Beschäftigten ernst und sorgt „ für fairen Handel und die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards entlang der gesamten Lieferkette“.
Während der Corona-Zeit hielt sich Ültje von der unsäglichen Kampagne fern, in deren Rahmen Hunderte von Firmen ihr Logo oder ihre Claims zugunsten der Impfpropaganda umdichteten. Auch ansonsten beteiligte sich das Haus in keiner Weise an dem gesellschaftlichen Disput um diese oder andere spalterische Fragen.
Auf dem Instagram-Profil finden sich ausschließlich appetitliche Bilder von hervorragend angerichteten Rezepten, die sich rund um die Nüsse herstellen lassen. Diese Galerie der kulinarischen Freude wird von vorpandemischen Zeiten bis heute durch nichts anderes unterbrochen. Keine feschen Sprüche zum Zeitgeschehen, keine gestelzten Backstage-Aufnahmen cooler, junger, queerer Mitarbeiter*innen und nicht mal jetzt irgendeine gelb-blaue Sonderedition zugunsten der Ukraine.
Ültje macht Nüsse.
Ültje macht Snacks.
Ültje spricht nicht den ganzen Menschen an und erzieht ihn dabei gleich noch, sondern nur jenen Teil im Verbraucher, dem der Gaumen nach Nervennahrung lüstet und der für dieses Bedürfnis eine Befriedigung braucht.
Anders ausgedrückt und verzeihen Sie bitte, aber dieser Kalauer muss sein: Ültje betreibt einfach nur hervorragend sein Kerngeschäft.
Und dafür darf man dieser Tage bei einer kultigen großen Marke mit einem Bekanntheitsgrad irgendwo zwischen Dieter Bohlen und Günther Jauch sehr dankbar sein.
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