Guter Einkauf: Der Trödelmarkt: Von Mensch zu Mensch
Handeln in Freiheit
von David Andres
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Die Luft riecht nach Sommer, Altholz, Deospray von Lidl und echter Bratwurst mit Curryketchup aus der langen Hela-Flasche. Menschen aller Generationen, Herkünfte und sozialer Schichten mischen sich vollkommen freiwillig, ohne quotierte Zuteilung und ohne wohlmeinende Planung durch jene, die ihren teuren Speckgürtel nicht verlassen, um hier zwischen dem Volk zu flanieren. Die Sonne scheint. Niemand trägt Maske … und tat es auch so gut wie nie, als es noch vorgeschrieben war.
Die Menschen zahlen bar, überall, auch dort, wo es ausschließlich Neuware gibt. Günstige Freizeitklamotten oder Kleinelektronik, Ein-Euro-Gebrauchsartikel oder Berge von CDs, Videospielen oder DVDs, die nicht neu sind, aber professionell gehandelt. Gerade jetzt, wo die Hipster alle wie wild Platte kaufen, kann ein Musikfreund sich auf CD die gesamte Geschichte aller Genres zusammenkaufen, die ihn interessieren. Die Preise sind im Keller und die Auswahl ist groß. An diesem Sonntag landen die Allman Brothers in meiner Tasche und einiges von Van Halen und Thin Lizzy, im Jazz finde ich sogar Coltrane und Blythe … Arthur Blythe, das muss man sich mal vorstellen.
Die Menschen handeln miteinander, überall, auch dort, wo manche Familie schon mit den Augen rollt, wenn wieder einer vor ihrem rein privaten Sammelsurium aus Geschirr, Spielzeug, Kleinmöbeln und alten Büchern steht und selbst aus einer Zwei-Euro-Vase noch eine „Nimmischmit fuffzig Cent“-Vase machen will. Sie rollen die Augen ohne Angst davor, dass sie deswegen jemand für Rassisten halten könnte, und sie sind noch dazu nicht ernsthaft böse auf den wahrscheinlich türkischen Mann, der als wandelndes Klischee auf zwei Beinen sein Angebot durch den dichten dunklen Bart nuschelt.
Die Menschen helfen der Umwelt, ohne dass es ihnen jemand befohlen hätte oder ein ideologisches Anliegen wäre. Der westfälische Mittdreißiger mit dem kantigen Kopf, der gerade eben einen zehn Jahre alten Bohrhammer erworben hat, kauft keinen neuen im Baumarkt. Die Mutter in floraler Bluse, deren kleine Tochter auf ihrem neuen alten Rad erfolgreich eine Proberunde drehte, braucht kein frisches aus dem Handel. Das mag ärgerlich für den Handel sein, ist aber nicht bloß praktische Ressourcenschonung, sondern für alle hier Beteiligten ein Gewinn. Die privaten Verkäufer erhalten endlich mal ein paar Euro steuerfrei und die Käufer können sich etwas leisten, das sie sich neu gerade wahrscheinlich ohnehin nicht zu kaufen vermögen.
Der Trödelmarkt, er ist zurück.
Vollumfänglich, überall, auf Baumarktparkplätzen und Wiesen, vor Unis und auf drolligen Gemeindeflächen.
Wer hingeht zum Verkaufen, macht sich Mühe und steht früh auf.
Wer ihn veranstaltet, als Verpächter der kleinen Parzellen, wird nicht reich, hält aber eine der menschlichsten, persönlichsten und unkontrolliertesten Traditionen unseres Landes am Leben, zwischen Bargeld, Bratwurst und Basargefühl, von Angesicht zu Angesicht, im freiwilligen Feilschen der Individuen.
Unterstützen wir ihn.
Kommentare
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