Personalprüfung zu Markus Lanz: Mit zweierlei Maß
Wer ist der wahre Markus?
von David Andres
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Im Jahre 2014, Markus Lanz hatte gerade neben seiner täglichen Talkshow auch zwei Jahre lang „Wetten, dass..?“ moderiert und ob des Unfalls in der Sendung schließlich zu Ende gebracht, starteten Menschen eine Petition, die seine Absetzung forderte. „Raus mit Markus Lanz aus meinem Rundfunkbeitrag“ sammelte beachtliche 233.355 Unterstützer. Im Begründungstext hieß es, „dass Herr Lanz weder fähig noch willens ist, seinen Gästen gleichberechtigt Wohlwollen, Rederecht und Anstand entgegenzubringen“. Konkreter Anlass war der Umgang des gebürtigen Tirolers mit Sahra Wagenknecht, denn in der Petition hieß es weiter, dass Lanz „offenbar große Probleme damit hat, dem politischen Spektrum links von der Mitte mit einem Mindestmaß an Höflichkeit zu begegnen“. Schaut man sich weiter an, was genau den Petenten und seine fast eine Viertelmillion starke Anhängerschaft damals empörte, entsteht auf unheimliche Weise eine Verbindung zur Gegenwart: „Nicht nur Falschbehauptungen zu Ungunsten der Russischen Föderation und der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine erregen die Gemüter des Publikums, auch das Weglassen brisanter Informationen lässt an der Redlichkeit der Sendeanstalten zweifeln: Man verschweigt Vorstrafen und kriminelle Geschäfte ukrainischer Machthaber und Oligarchen, man berichtet nur unzureichend über unvorstellbare Massaker an der russischen Bevölkerung, wie zum Beispiel in Odessa geschehen.“
Vor einigen Tagen geriet die Professorin Ulrike Guérot bei Lanz in eine vergleichbare Lage, als sie von ihm und vom Rest seiner Gäste ob ihrer Gegnerschaft zur aktuellen Kriegsbegeisterung auseinandergenommen wurde. Oliver Gorus hat auf dieser Seite darüber in seinem Artikel „Klug, aber dumm – Der Fall Guérot“ ausführlich berichtet. Während Lanz in seiner Sendung während der Corona-Pandemie durchaus eine ordentliche Figur machte, teilweise sehr richtige Fragen bezüglich der Maßnahmen stellte und immerhin die kritischeren Gestalten innerhalb des Mainstreams einlud, ist er in Sachen Krieg und Geopolitik offenbar seit jeher klar auf transatlantischer Linie.
Er? Oder doch eher „nur“ seine Sendung?
Die Frage stellt sich hochinteressant, wenn man sich die Zeit nimmt, sich den Podcast „Lanz & Precht“ anzuhören, der ebenfalls als Produkt des ZDF ausgewiesen ist, aber vollkommen anders daherkommt. In dem wöchentlichen Format spricht Lanz mit seinem Kollegen und ganz offenbar engen Freund Richard David Precht über Fragen des Zeitgeschehens, aber auch hier und da über zeitlose Themen der Politik, der Ethik, der Philosophie und des Lebens, garniert mit persönlichen Einblicken und vor allem – völlig frei von Polemik, Effekt und diskursiver Einseitigkeit. Besonders deutlich wird das eben exakt an der russisch-ukrainischen Frage, die 2014 zu der Petition führte und 2022 zum Tribunal gegen Guérot. Denn Richard David Precht nimmt im Zwiegespräch mit seinem „Markus“ im Grunde genau die Positionen ein, die auch einer Guérot sowie anderen Unterzeichnern jenes berüchtigten Briefes der Intellektuellen zu eigen sind, die sich gegen schwere Waffenlieferungen an die Ukraine gewendet haben. Precht sieht keinen Sinn in der Fortführung dieses Krieges, wirft sehr zweifelndes Licht auf die Zusammenhänge und versucht immer wieder, die russische Position und die Kontexte zu verstehen. Und was macht der Markus, der Lanz?
Schreit er seinen Freund nieder? Zeigt er sich moralisch entsetzt bis zur Cancel-Freude? Holt er sich Gäste dazu, um zu viert den naiven Richard und seine antibellizistischen Argumente zu attackieren?
Nein.
Der Markus, der diskutiert in aller Ruhe, in gegensätzlicher Position, aber auf Augenhöhe mit dem Richard, lässt ihn ausreden, ausführen und vor allem keinerlei Zweifel daran, dass beide Männer danach weiterhin gleichwertig sind, voller gegenseitigem Respekt und Teil eines zivilisierten Diskurses, in dem die eine Position den anderen nicht moralisch hochwertiger macht.
Wer einige Folgen des Podcasts gehört hat, dem deucht deutlich, dass der wahre Markus Lanz dort hinterm Mikro und nicht vor den TV-Kameras sitzt. Der „wahre“ Markus in dem Sinne, dass er einen zivilisierten Diskurs führen möchte und kann, in dem das Gegenüber trotz völlig konträrer Meinung weiter geachtet wird.
Denn eines wird auch klar – Markus Lanz glaubt in beiden medialen Inkarnationen und somit offenbar tatsächlich auch als Person an die Sinnhaftigkeit dieses Krieges und tatsächlich unterm Strich noch an die Redlichkeit der meisten westlichen Politiker jen- und diesseits des Atlantiks, denen Precht im Übrigen – trotz seines Buches „Von der Pflicht“ und anderer angepasster Texte – viel skeptischer gegenübersteht, als sein Image es auf den ersten Blick vermuten lässt. Doch auch das führt nicht dazu, dass sein Freund Markus ihn zum Schwurbler erklärt.
Zweierlei Maß, die überaus erkenntnisreich miteinander zu vergleichen sind.
Das eine Maß – die Talkshow von Markus Lanz
Das andere Maß – der Podcast von Markus Lanz
Klug, aber dumm – Der Fall Guérot
Die damalige Petition gegen Lanz
Brief der Intellektuellen an Olaf Scholz
Kommentare
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