Personalprüfung zu Christian Lindner: Die Wahrheits-Performance
Lindner und Lehfeldt decken auf
von David Andres
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Wer den Zorn von Margot Käßmann auf sich zieht, müsste eigentlich auf der richtigen Seite des Lebens stehen. In diesem Fall allerdings tobt sie über eine Großveranstaltung, auf der man allenfalls als gut bezahlter Hofnarr hätte zugegen sein wollen, um den Damen und Herren für eine fünfstellige Gage folgenlos die Meinung zu geigen.
Worum es geht? Christian Lindner hat geheiratet, zwölf Kilo leichter, wie wir in der Qualitätspresse lesen durfte, oder auch sechs, sei’s drum – seine Eitelkeit ward durch das Abspecken vor dem Ereignis und auch seine Disziplin unterstrichen. Die Sause stieg auf Sylt, drei Tage lang, eine „Deluxe-Gästeliste“ hatten Lindner und seine Braut Franca Lehfeldt zusammengestellt, wie der „Merkur“ schreibt, der Kanzler war dort und der Armin Laschet, „Dressurreit-Star Isabell Werth, Philosoph Peter Sloterdijk und TV-Moderator Heiner Bremer“ sowie Friedrich Merz, der im Privatjet einflog und das „selbst am Steuer“. Chapeau. Jedenfalls gaben sich Lindner und Lehfeldt, die rein von den Nachnamen her auch eine blitzsaubere Talkshow oder einen feschen Podcast ergeben würden, das Jawort auch in einer Kirche, obschon beide längst aus dieser ausgetreten sind. Möglich wurde dies durch das Labeling der Veranstaltung als „Segnungsgottesdienst“ statt als „christlicher“. Daher die Wut der ehemaligen evangelischen Ratsvorsitzenden Käßmann. „Hier ging es nicht um christlichen Inhalt, sondern um eine Kulisse.“
Was die Margot nicht versteht und wofür wir dem Protagonisten der dieswöchigen Personalprüfung dankbar sein dürfen – es ging bei diesem Ereignis ja gerade in jedem einzelnen Detail um die Kulisse. Lindner und Lehfeldt führten der ganzen Nation gleich einer Kunstperformance vor, wie die derzeitige Gesellschaft funktioniert. So klar, so eindeutig und so unmissverständlich, dass wir, den Aluhut aufgesetzt, nicht mehr bloß sagen dürfen: „Sie zeigen es uns durch die Filme“, sondern nun auch: „Sie zeigen es uns durch die Hochzeit.“
Was hat uns der Christian nun also durch seine Hochzeit offenbart?
Erstens: Die Elite existiert und sie lebt genussvoll in ihrer Parallelwelt.
Robert Habeck mag nur noch drei Minuten duschen, aber Friedrich Merz fliegt eben mit eigenem Jet innerdeutsch nach Sylt, während sein Gastgeber das Volk selber, ganz wie der Robert, kürzlich auf rund fünf Jahre der Entbehrung eingeschworen hat. Ganz offensichtlich, dass diese auch nur für das Volk gelten wird, nicht für die Amtsträger … aber eben auch nicht für Dressurreiter, für TV-Moderatoren oder für Starphilosophen.
Zweitens: Die Elite genießt auf Kosten der Untertanen.
Man könnte dem Mann sein Dreitages-Event von ganzem Herzen gönnen, samt jedem Happen Hummer, jedem Tropfen Sekt und jedem kräftigen Röhren des Motors seines Porsche, in dem das Paar nach der Trauung davonbrauste – hätten sie auch die dafür notwendigen Sicherheitsmaßnahmen in diesem Fall aus eigener Tasche beglichen. So aber finanziert das Treffen in Keitum ebenso der Steuerzahler wie das Treffen in Elmau … während er Brennholzvorräte anlegt und nur noch vier Minuten duscht, eine länger als Habeck.
Drittens: Die Politik geht mit der Presse ins Bett.
Franca Lehfeldt war Chefreporterin bei RTL und ist es jetzt beim TV-Sender der „Welt“. Einen Podcast mit ihrem Nachnamen und einem „und“ hatte sie ebenfalls, „Lehfeldt und Bremer“, daher war der Heiner auch zugegen. Selbstverständlich wird sie als Journalistin ihre Unabhängigkeit behalten und gegenebenfalls auch die Partei oder die Politik ihres Gatten scharf kritisieren oder von ihrem Team bei „Welt“ scharf kritisieren lassen. Sie wird diese Politik im Zweifel aber eben auch sehr viel besser und sensibler erklären können, da ihr einfach tagtäglich mehr Interviewzeit mit dem Lindner zur Verfügung steht.
Viertens: Die Macht schert sich nicht um Institutionen.
Klar sollte der Segen der Kirche jenen vorbehalten sein, die in der Kirche sind. Aber man nennt es halt anders und dann geht es wieder – so wie auch beim „Sondervermögen“, beim „Impfdurchbruch“ oder beim „Selbstbestimmungsgesetz“.
Fünftens: Menschen ändern sich.
Das ist nun ein ganz spezieller Insider: Jener Mann, der die Arroganz der Macht wie kein Zweiter verkörpert. Jener Mann, der im März persönlich für die Impfpflicht stimmte und dessen Partei heute heillose Schulden und die Geschlechtsumwandlung mit 14 Jahren ohne Zustimmung der Eltern billigt, eine Laufzeitverlängerung der Kernenergie aber nicht … dieser Christian Lindner war mal Autor dieses Magazins. War mal in Kontakt mit dem libertären Untergrund. Wussten Sie nicht? Schauen Sie es nach, Ausgabe 21, Seite 10. Da schreibt er, der damals „jüngste FDP-Landtagsabgeordnete“, die Hoffnung für die Freiheit.
Übernächste Woche kommt wieder ein Ur-Libertärer dran, ein echter, wie neulich der Blankertz. Versprochen.
eigentümlich frei –„Keine Chance für den Wettbewerbsföderalismus?“ von Christian Lindner
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