Personalprüfung zu Hans-Hermann Hoppe: Fundamentale Wucht
Ein Fels, der die Brandung schäumen lässt
von David Andres
von David Andres drucken
„Man muss doch das Augenmerk auch auf diejenigen richten, die dafür verantwortlich sind. Das ist doch eine Ungeheuerlichkeit, dass die Personen, die diese ganze üble Situation herbeigeführt haben, uns jetzt auffordern: ‚Ja, ihr müsst den Gürtel enger schnallen, ihr dürft die Temperatur nicht höher stellen‘ und so weiter … Die Herrschaften selber kümmern sich um solche Sachen gar nicht. Die ganzen Abgeordneten in Deutschland haben sich gerade eine Gehaltserhöhung genehmigt.“
Der Mann, der diese Worte bezüglich der kommenden Energiekrise und der Lage in Europa ausspricht, trägt ein schlichtes Hemd in Khaki und eine dunkle Freizeitjacke. Mit seiner einfachen Vollrandbrille und dem gepflegt lässig frisierten silbergrauen Haar könnte er überall sonntags beim Bäcker vor der Theke stehen und einen freundlichen Schnack mit der Verkäuferin halten. Tatsächlich ist er seit Jahrzehnten einer der radikalsten Denker unserer Zeit. In der Talkshow, aus der ich eben zitiert habe, bezeichnet er die Europäische Zentralbank als „Geldfälscherinstitut“ und die Staaten Westeuropas als „Vasallen der USA“. Er sagt „Ich bin doch nicht gegen Sezession“ und fordert das Recht der Millionen Russen in der Ukraine, sich für die Abspaltung etwa der Krim auszusprechen, und erklärt seine „Geldfälscher“-Äußerung damit, „dass man ein Land nicht reicher“ mache, „indem man jede Menge Papiergeld herstellt“. Das alles in einem ruhigen, gelassenen und dadurch umso entschlossenerern Tonfall, einem Hauch von Sonntagmorgen eben, gemischt mit der eisernen Sicherheit des lebenserfahrenen Onkels der Familie, der im Vergleich zu den Nichten und Neffen als Einziger bereits gearbeitet hat.
Hans-Hermann Hoppe ist Volkswirt und Philosoph und als 1949 geborene Autorität wohl die älteste und renommierteste Stimme der Österreichischen Schule der Ökonomie und des reinen, kompromisslosen Anarchokapitalismus. Sein aktueller oben zitierter Auftritt fand freilich nicht in einer deutschen Talkshow statt. Eine Maischberger oder einen Plasberg würde er – wie die jungen Leute es heutzutage von ihren Rappern sagen – „zerstören“, einen Markus Lanz in schlaganfallartige aufrichtige Empörung treiben. Es war der österreichische, vom liberal-konservativen Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz finanzierte Sender ServusTV, der Hoppe in seinem Format „Talk im Hangar-7“ die Möglichkeit bot, den Nato-PR-Sprechern und politisch korrekten Kombattanten tatsächlich ausführlichen Gegenwind zu bieten. Selbstverständlich müssten die Sanktionen enden, mit denen der Westen sich nur selbst zerstört, und ganz generell „die Quellen beseitigt werden, die dazu beitragen, dass der Lebensstandard fällt“, also die gesamte grünsozialistische Ideologie der Gegenwart. Und in seiner Opposition gegen die Heuchelei der Zeit wirft er sich nicht auf die eine oder die andere Seite der politischen Akteure, sondern gegen die Politik an sich: „Trump will die Abhängigkeit von Russland gerne abschaffen gegen die Abhängigkeit von Amerika“, den „Profiteur dieser ganzen Angelegenheit“.
Ich richte den Blick auf Hans-Hermann Hoppe, weil ich in der vergangenen Folge über Christian Lindner versprochen hatte: „Übernächste Woche kommt wieder ein Ur-Libertärer dran, ein echter, wie neulich der Blankertz.“ Seither schaue ich Vorträge und Auftritte des Distinguished Fellow des Ludwig von Mises Institute in Auburn, Alabama und des Mitglieds im wissenschaftlichen Beirat des Ludwig von Mises Instituts Deutschland, einige davon sind unten verlinkt, und staune über die absolut ungebremste, keinerlei Abschwächungen von der Lehre zulassende Konsequenz dieses Mannes, vor allem aber über seine Wucht. Ein Stefan Blankertz, ein Thorsten Polleit oder auch ein David Dürr sind nicht weniger kompromisslos in ihrer Lehre, im reinen Libertarismus, der nicht einmal einen Minimalstaat akzeptieren würde, da selbst der kleinste Keim eines Staates sich wieder zu einem großen Gewächs ausbilden wird. Doch sie alle geben sich anders, etwa als in den Schriften versunkende Bücherwürmer oder als humorvoll-verschmitzte Reflektoren der Widersprüche. Hoppes Ruhe ist eine andere, sie ist ein scharfkantiger Fels in der Brandung, der die Brandung selber aufzuschäumen vermag, der die See provoziert, der den Kraken im Kampf der Titanten anlockt, um ihn mit gezielten Stichen trotz seiner überwältigenden Größe zu erledigen.
Schauen Sie sich diesen Mann, der bis heute zum Redaktionsbeirat dieses Magazins gehört, mal wieder an, vor allem auch in seinen Solo-Vorträgen. Diesen Fundamentaldenker, der sogar die Radikalität seines großen Vordenkers Ludwig von Mises übertrifft, der durchaus noch einen Staat wollte, während, so Hoppe in einem Interview von 2021, „für jüngere, anderen und neuen Ideen gegenüber noch offener stehende Menschen der Übergang vom Minimalstaatler zum Anarchokapitalisten oft nicht mehr als das Ergebnis einer halben Stunde intensiven, vorurteilsfreien Nachdenkens“ sei.
ServusTV – Talk im Hangar-7 | Explosion der Energiepreise: Droht jetzt der Flächenbrand?
mises.de – Prof. Dr. Hans Hermann Hoppe: Der Staat – Feind von Ethik und Freiheit
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.