13. Dezember 2022

Personalprüfung zu Hansi Flick Im Erdgeschoss des Elfenbeinturms

Ein Funktionär mit Stammplatzgarantie

von David Andres

Mit dem Namen fängt es schon an. Hansi. Wer die Verniedlichung zulässt, hat Gründe dafür, strategische Gründe. Der trotz des auf allen Ebenen schmachvollen Scheiterns der Fußballnationalmannschaft weiterhin im Amt befindliche Bundestrainer heißt nicht „Hansi“, er heißt Hans-Dieter, doch er trägt seinen seriösen Namen nicht. Er transportiert lieber ein Duz-Gefühl, eine Suggestion, dass jedermann in Deutschland den Hansi einfach so anhauen und mit ihm in der Vereinskneipe ein Bier trinken könnte. Die Vorstellung, man habe es mit einem Menschen zu tun, der mit beiden Beinen im normalen Leben steht. Nichts könnte falscher sein.

Das normale Leben, was zeichnet es aus? Es spielt im Mittendrin, im Trubel, wenigstens in den Bereichen, die den Beruf betreffen. Ein mittelständischer Unternehmer ist in seiner Stadt, seiner Ortschaft sichtbar. Kundenkontakte mit festem Handschlag, hier und da am Sonntag auf dem Schützenfest oder beim Spiel des örtlichen Clubs, Anwesenheit auf einigen Hochzeiten und noch auf viel mehr Beerdigungen. Flick und seine Truppe von Nagelpflegemännern mit Privatfrisören wohnten während der kurzen Phase der WM als einziger Tross des gesamten Turniers eine Stunde Fahrt vom Geschehen in Doha entfernt in einem Luxusresort hinter hohen Mauern mitten in der Wüste. Würde man die Symbolik erfinden, man bekäme eine Rüge des Chefredakteurs wegen plumper Übertreibung.

Das normale Leben, welche Grundregeln hat es? Es fordert Konsequenzen je nachdem, wie man handelt und was dabei herumkommt. Wer mies wirtschaftet, geht bankrott. Wer stets nur Minderleistung bringt, darf sich seines Jobs nicht pauschal sicher sein. Flick hat nach einer mauen Europameisterschaft 2021 nun auch eine Weltmeisterschaft schlichtweg vercoacht. Er hat handwerklich groben Mist gebaut und er ist – Marcel Reif betonte es kürzlich in seinem Podcast Reif ist live sehr treffend – auch nur ein Angestellter des DFB, „ein leitender Angestellter, aber ein Angestellter.“ Dennoch reagierte er auf den zügigen Abschied von Oliver Bierhoff als Manager der Nationalelf im ersten Augenblick so patzig, dass seine Worte in der echten Welt wahrscheinlich direkt zu seinem Rauswurf in Kombination geführt hätten. Er könne sich gar nicht vorstellen, wer Bierhoff ersetzen solle, sagt er wörtlich und implizit drückte er aus: Wie könnt ihr, meine Vorgesetzten, es überhaupt wagen, auch nur ein Rädchen aus meinem dysfunktionalen Getriebe zu nehmen, von dem ich ausgehe, dass es auf ewig so bleibt?

Denn das ist, was Flick darstellt und wie er sich sieht: Als Funktionselite, die – wie die Granden der Politik von Berlin bis Brüssel – vollkommen unangetastet bleiben kann, völlig egal, was sie wie verbockt. Und genau wie ein Politiker stellt er innerlich wie äußerlich auch Anspruch auf die alternativlose Besetzung all der Posten, die er an seine Leute verteilt hat. Das aktuellste Beispiel: Nachdem Manuel Neuer sich dieser Tage in seinem Ski-Urlaub den Unterschenkel gebrochen hat und den Rest der Saison für den FC Bayern und auch für die Nationalmannschaft ausfällt, wäre nun die logische Folge, dass die hervorragenden Ersatztorhüter Marc-André ter Stegen und Kevin Trapp bei entsprechenden Leistungen den Platz des ohnehin bereits 36-jährigen Keepers erobern. Doch der Hansi, der verkündet bereits laut SPORT1, in jedem Fall für die Euro 2024 mit Manuel Neuer als Stammtorwart zu planen.

Flicks Vorgänger Löw betrachteten viele in seinen letzten Jahren als Analogie des Fußballs zur Politik. Abkehr vom Leistungsprinzip, beamtenhafte Bräsigkeit und ein elitäres Leben fernab der Realität. Bloß, weil Flick keine Slimfit-Hemden trägt und optisch ein wenig mehr nach Landesliga-Acker aussieht, darf man sich jedoch nicht länger täuschen lassen. Flick ist für Löw das, was Olaf Scholz für Angela Merkel ist. Und sein Vorgänger Joachim, der ließ sich ebenfalls stets jovial Jogi nennen. Dabei leben sie alle im Elfenbeinturm, wenn auch nur im Erdgeschoss.  

Quellen:

Flick bleibt Bundestrainer, Ronaldo auf der Bank und ein brasilianischer Katzenwurf! (Reif ist Live), https://youtu.be/87gZqTimvKM

Bericht: Flick plant mit Neuer als Stammtorhüter bei der EM 2024 (FCB Inside), https://fcbinside.de/2022/12/11/bericht-flick-plant-mit-neuer-als-stammtorhueter-bei-der-em-2024


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