Bargeldobergrenze: Es gibt zig rationale Gründe, die gegen eine Bargeldobergrenze sprechen
Von der Rationalität von Bargeschäften
von Andreas Tiedtke (Pausiert)
von Andreas Tiedtke (Pausiert) drucken
Die Einführung einer Bargeldobergrenze wird momentan heiß diskutiert. Während der Politiker Christian Lindner einem Tweet zur Folge diese vorgeblich verhindern möchte, zitierte (retweetete) ein Twitter-Nutzer Lindners Tweet und meinte, es gebe keinen einzigen rationalen Grund, Beträge über 1.000 Euro oder gar über 10.000 Euro mit Bargeld zu zahlen.
Rationalität
Da dies eine praxeologische (handlungslogische) Kolumne ist, wollen wir uns diese Aussage einmal genauer ansehen. Handlungslogisch ist zunächst einmal Handeln aus subjektiver Sicht stets rational, außer der Handelnde ist kognitiv derart eingeschränkt, dass wir nicht von einer bewussten Handlung ausgehen. Der Handelnde mag sich objektiv ungeeigneter Mittel bedienen, aber aus seiner subjektiven Sicht sind sie geeignet, sein Ziel zu erreichen, und infolgedessen ist der Mitteleinsatz in diesem Sinne rational.
Es mag sein, dass der Naturwissenschaftler den Religiösen verächtlich belächelt, wenn Letzterer für sein Seelenheil betet, aber aus Sicht des Religiösen ist das Beten geeignet, ihm Seelenfrieden zu stiften. Und bei jedem Bargeldnutzer wissen wir, dass er die Barzahlung einer Kartenzahlung oder dergleichen vorzieht und er insofern subjektiv rational handelt. Dass eine Bargeldzahlung objektiv irrational sei, kann nicht behauptet werden, denn das Ziel, eine Schuld zu tilgen, wird allemal erreicht.
Was der politische Aktivist auf Twitter wohl meinte, ist, dass er sich nur illegale Gründe vorstellen kann, wenn jemand auch größere Beträge mit Bargeld bezahlen möchte. Hingegen gibt es zig legale Gründe, die – de lege lata [nach geltendem, positiven („gesetzten“) Recht] – für das Halten und Nutzen von Bargeld sprechen:
Stromlose Transaktion
Bei einer Verwendung von EC-Karten oder dergleichen ist Strom erforderlich. Bargeldtransaktionen können auch noch getätigt werden, wenn der Strom – beispielsweise aufgrund politischer „Energiewende“-Projekte in Kombination mit Sanktionspolitiken – einmal nicht mehr fließt.
Negativzinsen
Es macht durchaus Sinn, Bargeld zu horten, wenn es Negativzinsen oder hohe Bankgebühren gibt, die in ihrer Wirkung Negativzinsen gleichkommen. Der Hortende schützt sein Vermögen. Und die Möglichkeit, zu horten, bremst – unter sonst gleichen Umständen – das Ansteigen von Bankgebühren beziehungsweise das Umsetzen von Negativzinsen.
Transaktionskosten
Kreditkarten, elektronische Zahlungen via Internet-Diensten, EC-Karten, sie alle kosten Gebühren. Neben den monatlichen Entgelten für Kontoführung gibt es Gebühren für Überweisungen, Kartenausgaben und sonstige Buchungen. Ein üblicher Satz pro Buchung, den ich gefunden habe, ist beispielsweise 16 Cent.
Wenn Sie mit zwei Euro beim Bäcker etwas kaufen, dieser daraufhin die zwei Euro nimmt und sich beim Metzger ein Bratwurstbrötchen kauft, und dieser daraufhin wiederum die zwei Euro nimmt und sich einen Kugelschreiber kauft, dann kommen die zwei Euro ungeschmälert beim Schreibwarenladen an. Bei elektronischer Zahlung mit einem Satz von 16 Cent sind von den zwei Euro bildlich gesprochen nur noch 1,52 Euro übrig. 48 Cent sind von der sogenannten „Realwirtschaft“ in die „Finanzwirtschaft“ abgewandert. Nach einem Dutzend elektronischer Transaktionen wären nur noch 8 Cent von den 2 Euro übrig. Das reicht noch nicht einmal für die Gebühren.
Zug-um-Zug-Geschäfte
Wenn einer bei einem Geschäft in Vorleistung gehen muss, trägt er das Solvenzrisiko des anderen. EC-Karten und Kreditkarten haben gewöhnlich Limits, die beispielsweise bei einem Autokauf überschritten werden. Überweise ich den Betrag, bevor ich das Auto bekommen habe, und wird der Autohändler bis zur Auslieferung insolvent, kann es sein, dass ich mein Auto nicht bekomme – und nur noch einen Teil (wenn überhaupt) meiner Zahlung zurückerhalte. Wickeln wir das Geschäft im Autohaus in bar ab, juristisch gesprochen also Zug-um-Zug, sind alle Schulden vor Ort beglichen. Beide Parteien können sorgenfrei weiterziehen.
Anonymität
Bargeschäfte können anonym abgewickelt werden. Jetzt käme unser Twitterer wieder ins Spiel und meinte, ha (!), die Anonymität könne ja nur kriminellen Absichten dienen! Dem ist nicht so. Was heute noch rechtspositivistisch legal ist (de lege lata), könnte zwar schon morgen illegal sein (de lege ferenda), aber noch (!) ist es eben legal. Beispielsweise könnte jemand sich heute ein Bratwurstbrötchen kaufen, was im Lockdown oder bei Ausgangssperren nicht legal in diesem Sinne möglich war.
De lege ferenda (nach künftigem Recht) könnten etwa bei einem Klima-Lockdown oder bei einem Blackout gewisse Transaktionen illegal im Sinne des staatlichen Rechtspositivismus werden. Mit einer Konto-Überwachung könnten Verstöße festgestellt werden. Oder es könnten bei Lockdowns elektronische Zahlungssysteme gesperrt werden, etwa mit Ausnahme von Zahlungen für den täglichen Bedarf in Supermärkten, Apotheken oder dergleichen. Wer zu Hause bleiben muss, braucht schließlich nichts kaufen! Und selbst nach den Regeln des Rechtspositivismus kann es dauern, bis ein Gericht die Illegalität einer Ausgangssperre feststellt, wie im Falle Bayerns jüngst geschehen. Es gibt also auch illegale Anordnungen, deren Illegalität nur noch nicht gerichtlich festgestellt wurde.
Und blicken wir auf Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes, so gingen die Verfasser wohl davon aus, dass es dereinst auch zu einer „Unrechtsordnung“ kommen könnte, wogegen dann Widerstand der Bürger zulässig sei. In diesem Falle wäre es natürlich besser, je weniger Kontrolle die Machthaber dann hätten. Auch hier wirkt das Bargeld also begrenzend wie auch bei Negativzinsen und Bankgebühren.
Freiheit von Zwang
Schließlich handelt es sich bei einer Bargeldobergrenze praxeologisch um eine feindliche Handlung, die immer dann vorliegt, wenn einer mit Zwang droht, um eine Handlung oder Unterlassung eines anderen zu bewirken, der sich selbst friedlich verhält, und wenn der Drohende dadurch den Besitz am eigenen Körper oder an Sachen des Bedrohten schädigt. Bei einer Bargeldobergrenze kann der Handelnde mit seinem Körper und seinem Bargeld eben nicht mehr so verfahren, wie er es möchte, und wird in diesem Sinne in seinem Besitz am eigenen Körper und an seinem Bargeld geschädigt.
Nach rechtspositivistischer Vorstellung wäre diese Drohung mit Zwang zwar unter Umständen legal, aber die Legalität folgt eben nicht aus der Logik des Handelns selbst – und dieses ist eine handlungslogische Kolumne und keine juristische! Praxeologisch wird Zwang entweder zur Verteidigung, Vergeltung oder Wiedergutmachung eingesetzt oder es liegt eben ein Angriff vor, eine feindliche Handlung. Da Menschen Zwang nicht mögen, sonst müsste man sie ja nicht zwingen, ist das Zwingen selbst das Zufügen eines Übels. Das Grenzleid des Einzelnen nimmt denknotwendig zu gegenüber einer Situation ohne den Zwang.
Wird also jemand bedroht, die Zahlung von Bargeld ab einer gewissen Obergrenze zu unterlassen, liegt a priori eine feindliche Handlung im praxeologischen Sinne vor. Und dass Menschen es vorziehen, nicht bedroht zu werden, ist durchaus rational.
Quellen:
Andreas Tiedtke: Eine kurze Praxeologie der Politik in 7 Punkten
Andreas Tiedtke: Der Kompass zum lebendigen Leben
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