21. Dezember 2022 13:00

Aufklärung reloaded Eisbrecher dringend gesucht

Für eine Rückkehr zu freiem Denken

von Axel B.C. Krauss

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Thorsten Polleit schrieb vor wenigen Tagen auf seinem Telegramkanal: „An die Welt: Der Begriff ‚Währungshüter‘ ist denkbar unpassend. Bitte nicht benutzen“. Da muss ich insofern widersprechen, dass – wie immer – alles von der Definition abhängt: Sofern man unter einem Währungshüter jemanden verstehen will, der sich davor hütet, wirtschaftliche Vernunft anzunehmen, wäre die EZB sogar ein leuchtendes Beispiel für eine Währungshüterin.

Doch der Begriff ist nicht zufällig gewählt. Im Gegenteil. Er steht symptomatisch für eine politische und mediale propagandistische „Parallelwelt“ aus deskriptorischen Deckfarben, die wie dressierte Zirkuspferdchen vor den eigentlichen Bedeutungen und Funktionen Kunststückchen zur Umdeutung aufführen, um Aufmerksamkeit zu binden. Längst ist klar – schon seit Jahrzehnten –, dass Zentralbanken wie Fed oder EZB keine Währungs-„Hüter“, sondern -manipulateure und -kontrolleure sind. Es sind Instrumente finanztechnokratischer Macht. Doch da die ökonomische Begriffswelt des Mainstreams diesbezüglich kopfsteht, sind ungedeckte Geldfluten mit ihren erwartbaren inflationären Folgen eben „Stimuli“, um die „Wirtschaft anzukurbeln“; neue Schulden sind seit jüngster Zeit „Sondervermögen“, und wenn der Bund den Bürgen noch mehr Abgaben und Steuern aufbürdet, werden gerne positive Assoziationen an kühlende Erfrischungsgetränke im Hochsommer geweckt: Dann „sprudeln“ die Steuereinnahmen, und der Staat hat wieder „gut gewirtschaftet“.

Das alles ist das Resultat jahrzehntelanger Indoktrination sowie einer institutionellen Aufzucht von „Experten“ innerhalb machtelitär aufgebauter und geförderter Denkschulen. Eine der prominentesten dieser Schulen hatte ich in einem meiner letzten Beiträge erwähnt: Die „London School of Economics and Political Science“, meistens schlicht als „London School of Economics“ (LSE) bezeichnet, ging aus einem institutionellen Netzwerk hervor beziehungsweise wurde von Mitgliedern aus diesem gegründet, die sich mithilfe einer Vielzahl von „Denkfabriken“ um Gestaltung und Steuerung der „öffentlichen Meinung“ bemühen.

Insofern ist die vielzitierte Rede von einer Art „Matrix“, in der man die Menschen zu halten versuche, gar nicht so abwegig. Eine direkte, individuelle Kontrolle breiter Bevölkerungen ist durch eine zahlenmäßig vergleichsweise klitzekleine Elite nicht zu leisten. Stattdessen arbeitete man emsig an der Errichtung eines „Bewusstseinsrahmens“, um in einer bestimmten Art zum Beispiel über Wirtschaft, Wissenschaft oder Kultur zu denken. So mancher Trend in der Popkultur der letzten 50 bis 60 Jahre war keineswegs natürlichen Ursprungs, sondern tatsächlich Versuchen bewusster Einflussnahme auf Denken und Fühlen der Menschen geschuldet. Auch und gerade heute lässt sich das überdeutlich beobachten: Es gibt im Mainstream kaum noch eine Trennung zwischen politischer und kultureller Sphäre, sie sind fast vollständig miteinander verschmolzen. Kaum noch ein „Star“, der sich nicht regelmäßig politisch äußern oder seine Anhängerschaft nicht zum „richtigen“ Verhalten ermuntern oder ermahnen würde.

In den Wissenschaften dasselbe: Dissens, von dem gerade die Naturwissenschaften leben und der ein zentraler Bestandteil wissenschaftlichen Forschens und Fortschritts ist, wurde in den letzten drei „Pandemiejahren“ unter Verdacht gestellt. Von der offiziellen Meinung abzuweichen, galt mehr oder weniger als Häresie, und selbst renommierte, fachlich hochqualifizierte Mediziner durften erleben, wie man sie in sozialen Netzwerken zensiert, ihre PayPal-Konten sperrt und in den offiziellen Kanälen schlicht totschweigt, wenn sie abweichende Meinungen zu Masken, Lockdowns oder Impfungen vertraten. Die gebetsmühlenartig wiederholte Aufforderung, „der“ Wissenschaft zu folgen – die es in dieser suggerierten Homogenität als „Einheitsfront“ oder geschlossenen „Konsensblock“ natürlich nicht gibt –, ist der Überpolitisierung sowie dem massenmedialen Zurechtstutzen auf offiziell verträgliche Informationen zu „verdanken“.

Egal, wo man hinschaut, ob in den Wirtschaftswissenschaften, beim Klimawandel, in der „Pandemiebekämpfung“, ja sogar in den Geschichts- und Sozialwissenschaften, macht sich diese politisch und ideologisch aggressive Übergriffigkeit bemerkbar: Vom Mainstream wurden und werden fast nur noch Stimmen zitiert, die den offiziellen Narrativen folgen.

Nicht, dass es dieses komische Ding namens „lebendiger Geist“ nicht mehr gäbe, dass kerngesunde Neugier und alternativer Forscherdrang (alternativ im Sinne eines Denkens, das über die zementierte „Schulweisheit“, über die Dogmen des „Konsens“ hinausgeht) verschwunden wären. Natürlich gibt es sie noch. Sie schaffen es nur nicht ins Abendnachgerichtete oder kaum noch.

Schade, dass dadurch die besten Eigenschaften des sogenannten aufgeklärten oder aufklärerischen Denkens etwas verschüttgingen. Wenn mich jemand fragen würde, ob ich mir fürs neue Jahr etwas wünsche, müsste ich spontan antworten: Ich wünsche mir eine „Aufklärung 2.0“. Noch viel mehr wirklich freie Geister, mehr wagemutige Denker, die nicht bei jedem bisschen Gegenwind gleich einknicken, die nicht sofort einen Rückzieher machen. Sei es vor dem impertinenten, herrschsüchtigen Hofstaat des „Erlaubten“ und offiziös Abgenickten, sei es vor irgendwelchen „Shitstorms“ in sozialen Netzwerken, wenn man nicht korrekt gendert oder sich dem Obersten Sowjet der „Wokeness“ verweigert. Oder weil man dem Terror des Meinensollens nicht nachgeben will, der durch psychologischen Druck Konformität erzwingen will: Was, du hast dich zu diesem oder jenem Thema noch immer nicht geäußert!? Bezieh mal Stellung! Hast du etwa keine Meinung dazu?! Du bist doch Dirigent aus Russland! Oder Pianist. Also hopphopp, sag mal was zum Krieg! Unfassbar: Berühmter Popstar, aber noch kein „Impfling“?

Oder siehe Mathias Döpfner: Meine Güte, da sagt der Mann ausnahmsweise mal was Goldrichtiges und spricht von einer „DDR 2.0“, meint dann aber, sich gleich für diese Wahrheit „entschuldigen“ zu müssen, nur weil irgendein traniger Journalisten- oder Verlegerverband die Zeichen der Zeit nicht erkennen will. Und? Sollen sie halt mal langsam aufwachen. Seit wann muss man sich für die Sehbehinderung anderer Leute entschuldigen?

Ich wünsche allen Les… tja, da fängt’s schon wieder an. Lesern? Leser:innen? Leseranten, Lesewiten, Lesantinen, Lesenden?

Ich wünsche Ihnen frohe, hoffentlich zu 100 Prozent politikfreie, erholsame Feiertage und einen gelungenen Start ins neue Jahr.


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