11. Januar 2023 19:00

Universelles Tauschmittel Was ist Geld?

Ein geschichtlicher Rückblick

von Markus Krall

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Was ist die wichtigste Erfindung der Menschheit? Das Rad? Das Feuer? Das Internet? Der Zwölfzylinder? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst das Adjektiv „wichtig“ definieren. Wichtig als Begriff hat einen normativen Charakter. „Wichtig für was?“ ist die logische Folgefrage.

Die Beispiele oben sind insofern mit einem Hintergedanken gewählt. Das Rad erleichtert den Transport und den Ackerbau entscheidend, ist also ein Motor der Produktivität menschlicher Arbeitskraft. Ähnlich das Feuer, das nicht nur unsere Nahrungszubereitung, sondern auch die Kriegsführung, den Verbrennungsmotor und die Nutzung der chemisch gebundenen Kraft von Holz, Kohle und Öl revolutioniert hat. Ja, ich weiß, die Grünen holen ob dieser Liste jetzt gleich einen Exorzisten, aber ein paar Tausend Jahre lang war das Allgemeingut, dass das Feuer eine großartige Erfindung ist, für die sich Prometheus von den Göttern sogar an einen Berg fesseln ließ.

Das Internet? Eine Revolution der Vernetzung des Menschen, aber ebenso wie der Buchdruck sowohl geeignet zur Information wie zur Propaganda und paradoxerweise sehr viel leichter zentral zu kontrollieren (jedenfalls für die Masse der Menschen) als das bedruckte Papier. Eigentlich ist das auch gut für die Produktivität durch die Möglichkeit, Prozesse global in Realzeit zu steuern und zu koordinieren, aber der dadurch bewirkte Wachstumsschub scheint bisher in dunklen Kanälen der staatlichen Bürokratie und anderen Lecks des Wohlstandsverlustes zu versickern.

Bleibt der Zwölfzylinder. Für die Kenner unter uns natürlich als Sauger bekannt – einfach unschlagbar so ein Ding, getreu dem Satz, dass es nichts Besseres gibt als mehr Hubraum, außer noch mehr Hubraum. Wer nie damit gefahren ist, hat nicht wirklich gelebt, oder? Aber wichtig im Sinne zivilisatorischen Fortschritts? Leider nicht wirklich, jedenfalls nicht außerhalb meiner kleinen fanatischen PS-Sekte und Fridays for Hubraum.

Wenn wir wissen wollen, welche Erfindungen im Sinne zivilisatorischen Fortschritts wirklich bedeutend sind, dann müssen wir uns wohl auf eine Metaebene begeben. Wir müssen fragen, welche Erfindung der Motor des Erfindungsgeistes ist beziehungsweise ihn freisetzt. Der oberschlaue Zwischenruf ist natürlich an dieser Stelle die Intelligenz des Menschen, aber das ist keine menschliche Erfindung, sondern wahlweise das Ergebnis von Evolution und göttlichem Funken oder beidem in Kombination, wenn man die Evolution für ein Werkzeug Gottes hält. Aber hier bewegen wir uns auf der Ebene des Glaubens.

Erfindungen sind auch nicht immer notwendigerweise das Resultat eines einzelnen menschlichen Geniestreiches. Kein Steinzeitbürger saß am Feuer und verkündete seiner Horde „Heute habe ich das Rad erfunden“, nur um zu hören: „Und wofür soll das Spielzeug gut sein?“ Es gibt Erfindungen, die das Resultat menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Designs sind (von Hayek), sie haben in der Regel institutionellen Charakter und prägen unser Handeln oft ohne dass wir das bemerken oder es uns immer bewusst ist. Diese institutionellen Erfindungen sind das Ergebnis evolutionärer Prozesse von Versuch und Irrtum. Es sind solche Rahmenbedingungen, die in Wahrheit den Erfindergeist freisetzen und antreiben und so den gesamten zivilisatorischen Fortschritt bestimmen.

Wir sind also im Stoiber’schen Sinne nicht auf der Suche nach der Kompetenz, sondern wir suchen die Kompetenzkompetenz, die Erfindung, die allen anderen als Voraussetzung vorausgeht. Da werden wir nicht beim Rad und beim Feuer fündig, leider auch nicht beim Zwölfzylinder, sondern beim Geld. Um das zu begreifen, müssen wir uns die Rolle des Geldes beim Aufstieg der Menschheit aus der Steinzeit in die lichten Höhen unserer technologischen Zivilisation vor Augen halten. Die verflochtenen Zusammenhänge sind alles andere als trivial, und sie erfordern einen Blick in die Geschichte und in die Logik des menschlichen Handelns in dem Kontext, wie ihn von Mises in seinem bahnbrechenden Werk „Human Action“ definiert hat.

Warum ist das zwingend so?

Der Mensch ist durch das göttliche Geschenk des freien Willens, in Verbindung mit seiner analytischen Fähigkeit und seinem Verständnis der Zeit, als Individuum die Krone der Schöpfung auf diesem Planeten. Das Verständnis der Zeit, also das Wissen um die Zukunft und die Wirkung unseres heutigen Handelns auf unsere eigene Zukunft transformiert unsere analytische Fähigkeit in die Möglichkeit des planvollen Handelns. Dieses planvolle Handeln ist die materielle Umsetzung unseres freien Willens. Wir passen dieses Handeln an unsere Bedürfnisse an, die wiederum Ausdruck unserer Nutzenfunktion sind, die wir sowohl für die Gegenwart als auch für die Zukunft optimieren.

Die Kernfrage dabei ist nun: Was begrenzt unsere Handlungsoptionen? Welches Limit haben wir bei unserer Planung? Sie muss sich an den Realitäten der Welt orientieren. Die Realität ist physischer Natur und sie beinhaltet nicht nur die Begrenztheit von Ressourcen, sondern vor allem auch die Begrenzung menschlicher Interaktion. Was ist damit gemeint?

Der Mensch als Individuum entfaltet sein maximales Potenzial nicht allein, sondern in der Interaktion mit anderen Mitgliedern seiner Spezies. In meiner Kolumne „Der Mensch als Teil der Gemeinschaft –Was ist sozial?“ wurde bereits auf die vielfältigen Ausprägungen unserer Interaktion hingewiesen, wobei hier der Fokus allerdings auf der Frage lag, was der richtige Weg ist, um „sozial“ zu sein im Sinne unserer Eigenschaft, mitfühlende und mitleidende Wesen zu sein, denen das Los ihrer Mitmenschen nicht gleichgültig ist.

Die Frage unserer Potenzialentfaltung rückt aber eine andere Form menschlicher Interaktion in den Vordergrund, nämlich den der Arbeitsteilung. In einer Gesellschaft, die keine Arbeitsteilung kennt, muss jedes Individuum alles selbst herstellen, was es für sein Überleben benötigt: Essen, Trinken, Behausung, Schuhe, Werkzeug, Waffen, einfach alles.

Innerhalb einfacher sozialer Strukturen wie der steinzeitlichen Horde, die in den noch leeren Weiten des Planeten nur selten auf andere Horden trifft, beschränkt sich die Arbeitsteilung auf solche Güter, die direkt getauscht werden können: Pfeilspitzen gegen Hühner, Steinaxt gegen Schaf. Damit sind der mit der Arbeitsteilung verbundenen Spezialisierung engste Grenzen gesetzt. Der Einzelne muss, um einen beiderseitig vorteilhaften und damit freiwilligen Tausch vollziehen zu können, jemanden finden, der genau das hat, was er braucht, und genau das benötigt, was er hat, und zwar genau zu dem Zeitpunkt des Zusammentreffens der beiden handelnden Akteure. Diese Form des direkten Tausches ist mit prohibitiv hohen Suchkosten verbunden, die den Aufwand der eigenen Produktion in aller Regel deutlich übersteigen. Eine systematische, nicht vom Zufall abhängige Tauschwirtschaft kann daher nicht in Gang kommen. Die Gesellschaft bleibt auf dem Niveau der Subsistenzwirtschaft und des täglichen Überlebenskampfes.

Keine Arbeitsteilung bedeutet aber auch keine Spezialisierung, keine Akkumulation von Wissen und damit keinen Produktivitätsfortschritt. Es ist unmöglich, die Produktion über das für das schiere Überleben notwendige Subsistenzniveau anzuheben. Es stellt sich also die unvermeidliche Frage, wie wir aus dieser Falle vor etwa 5.000 Jahren entkommen konnten. Die Antwort ist so intuitiv wie einfach und zugleich eines der schwierigsten Probleme überhaupt: Um dieses Limit zu überwinden, braucht man ein allgemein anerkanntes Tauschmittel, etwas, das jeder im Tausch annimmt und von dem er weiß, dass er es im Tausch auch wieder loswird, wenn er etwas benötigt, was er dagegen eintauschen will. Dieses Tauschmittel nennt man Geld.

Das Geld muss allerdings bestimmte Eigenschaften aufweisen, um als universell akzeptiertes Tauschmittel fungieren zu können: Es muss knapp und darf nicht beliebig vermehrbar sein, denn sonst ist sein Grenznutzen gering und die Menschen werden nichts von Wert dafür hergeben wollen. Mit anderen Worten: Die Menschen müssen das Geld als Wertspeicher ansehen und somit eigentlich als eine Ware, die selbst einen intrinsischen Wert hat und nicht nur ein Tauschversprechen für spätere Zeiten enthält. Heute würde man sagen: Geld darf keinen Schuldner haben, ein Prinzip, gegen das unsere Geldordnung radikal und massiv verstößt, was ultimativ zu ihrem Untergang führen muss.

Es muss zählbar, messbar, wägbar und teilbar sein, damit es als Numeraire, als Maßeinheit entlang einer kardinalen Skala dienen kann. Es muss leicht transportabel sein, damit Tauschwirtschaft über geographische Distanzen hergestellt werden kann. Die scheinbare Ausnahme von dieser Regel, das auf Mikronesien früher verwendete Steingeld (es handelte sich um sehr große schwere, nur mit hohem Aufwand transportable runde Steine, die oft zentral gelagert wurden), bestätigt diese Bedingung, denn ein raumübergreifender Handel kam so nicht zustande.

Diese Bedingungen erfüllten in der Geschichte der Menschheit nur Edelmetalle. Ihre Entdeckung als Zahlungsmittel reicht bis in die Übergänge von der Stein- in die Bronzezeit zurück. Man experimentierte über Jahrhunderte mit verschiedenen Formen der Normierung, um die Messbarkeit und Zählbarkeit des Goldes oder Silbers herzustellen. Das mündete im Jahr 700 vor Christus in die Erfindung der Goldmünze durch Krösus von Lydien (heutige Türkei). Die Normung wurde durch das königliche Siegel und seinen Anspruch auf Standardsetzung perfektioniert. Man kann dies mit Fug und Recht als die Geburtsstunde des modernen Geldwesens bezeichnen.

Mit der Erfindung des Geldes wurde die Gütertauschwirtschaft von einer echten Tauschwirtschaft und Handelsgesellschaft abgelöst. Jeder konnte alles tauschen, was er herstellte, und gegen alles, was er brauchte, und zwar zu jedem Zeitpunkt, den er wählte.

Damit war der Weg zu einer immer weiter verfeinerten menschlichen Arbeitsteilung geebnet. Es bildeten sich bereits in der Bronzezeit Handwerke heraus, wie zum Beispiel die Herstellung von Kleidung, Häusern, Waffen, Werkzeugen oder Keramik. Die archäologischen Funde belegen eine Explosion der Produktion dieser Handwerkserzeugnisse zu genau dieser Zeit. Die Arbeitsteilung ermöglichte es den Menschen, einen immer größeren Teil ihrer produktiven Zeit mit Erfindungen, dem Lernen und Entwickeln neuer Ideen zu verbringen und immer weniger mit der Sicherstellung des physischen Überlebens. Das schuf die Voraussetzung für weiteres Wachstum des Wissens und damit für eine weitere Spezialisierung der Arbeitsteilung mit neuen Produktivitätsfortschritten.

Die Handwerke differenzierten sich und hatten in der Antike bereits völlig neue, auch intellektuelle Berufsbilder hervorgebracht. Metallurgie, Architektur und Ingenieurwesen waren zu römischer Zeit etablierte Berufsbilder. Arbeitsteilung, Freisetzung menschlicher Ressourcen für Generierung neuen Wissens und Innovation und Tauschwirtschaft konnten also durch die Erfindung des Geldes einen nach oben und zum menschlichen Fortschritt gerichteten Kreislauf des Wachstums in Gang setzen, der seitdem anhält, nur unterbrochen oder verlangsamt durch Störungen des Geldwesens, in der Regel als Folge staatlicher Aktivität wie Sozialismus, Kriege oder Inflation. Dieser Kreislauf hat exponentielle Eigenschaften, weil das Wachstum des Wissens eine immer weiter verfeinerte Spezialisierung der Arbeitsteilung erzwingt, um im allgemeinen Wirtschaftsleben konkurrenzfähig zu bleiben. Das wachsende Wissen bedeutet, dass der Einzelne einen immer kleineren Ausschnitt des verfügbaren Wissens überhaupt noch erfassen kann. Er muss daher einen immer kleineren Teil der Produktionskette als Spezialist bedienen, um im Wettbewerb nicht zurückzufallen.

Gleichzeitig muss er jedoch wissen, wo in der Produktionskette sein Wertbeitrag verortet ist, um sich mit seinen Fähigkeiten neu aufstellen zu können, wenn eine Innovation seine gewählte Nische überflüssig macht. Spezialisierung nur um ihrer selbst willen ist in einer sich immer schneller wandelnden Welt so betrachtet keine langfristige Überlebensoption.

Heute ist der Grad der Spezialisierung höher als je zuvor in unserer Geschichte. Die Arbeitsteilung entlang global organisierter Just-in-time Lieferketten ist filigraner als jemals zuvor, wodurch auch ihre Sensitivität gegen externe Schocks leider höher als jemals zuvor ist.

Zwischen der Gewinnung von Rohstoffen und der Auslieferung eines komplexen technologischen Produktes an den Endkunden können Dutzende, ja Hunderte entkoppelter Schritte der Wertschöpfung stattfinden, die durch selbständige Unternehmer bewerkstelligt werden, die ein 51-Prozent-Halbfertigprodukt einkaufen und zu einem 52-Prozent-Halbfertigprodukt veredeln, bevor sie es an den nächsten Spezialisten weiterverkaufen.

Diese Struktur kann nur durch Geld ermöglicht werden, das als stabiles Tauschmittel dient, weil jeder Schritt eine kalkulierbare und verlässliche Wirtschaftsrechnung erfordert, bei der sowohl die Einkaufs- als auch die Verkaufspreise für das Unternehmen innerhalb gewisser Schwankungsbreiten planbar sind. Werden die Preise zu volatil, kann die gesamte fein austarierte Produktionskette an kritischen Stellen reißen und so eine schwere systemische Krise auslösen.

Damit wird deutlich, dass das System des Papiergeldes mit seiner unbegrenzten Vermehrungsmöglichkeit des Geldes und den damit inhärenten Inflationsgefahren mit einem System der hochgradigen globalen Arbeitsteilung inkompatibel ist. Je höher der Grad an Arbeitsteilung, desto wichtiger ist die Stabilität des Tauschmediums. Inflation per se zerstört dieses System nicht, aber die nicht erwartete Inflation tut es. Und die Volatilität der Inflation, also ihre unerwartete Komponente, ist umso höher, je höher die Inflation selbst ist. Die Krise der Lieferketten, die wir erleben, wurde zwar nicht durch die Inflation ausgelöst, sondern durch marktfremde Eingriffe der Staaten und Regierung, aber die Inflation wird der Mechanismus sein, der sie nachhaltig zerstört.

Globale Arbeitsteilung, Wohlstand und zivilisatorischer Fortschritt sind nur mit stabilem Geld möglich. Deshalb muss sich die Menschheit entscheiden zwischen dem Rückschritt im System des „Fiat“-Geldes oder dem Fortschritt in einem System stabilen Geldes, nach aller historischen Erfahrung also dem Goldstandard. Krypto wird diese Entscheidung nicht verändern, den Krypto ist in erster Linie eine Methode, um Geld elektronisch den Besitzer wechseln zu lassen, und kein Geld sui generis. Es läuft also auf eine goldgedeckte Kryptowährung hinaus, wenn wir aus dieser Krise gestärkt hervorgehen wollen.

Die Erfindung mit der Kompetenzkompetenz, der Motor des zivilisatorischen Fortschritts, die wichtigste Erfindung der Menschheit ist also das gute Geld.


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