Was ist eine Währungsreform?: Über den Selbstzerstörungsmechanismus des Fiatgeldes
„Sic transit gloria mundi“
von Markus Krall
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Vor Kurzem habe ich begonnen, den Versuch zu unternehmen, eine Liste aller Papierwährungen zu erstellen, die es seit deren Erfindung im elften Jahrhundert in China gegeben hat. Verschiedenen Quellen habe ich entnommen, dass die Zahl wohl um die 500 liegt und dass es in all diesen nunmehr fast 1.000 Jahren keine einzige Papierwährung gegeben hat, die länger als 100 Jahre hielt. Meistens sterben Papierwährungen bereits nach 50 Jahren oder – wenn sie schlecht konstruiert sind – schon nach 25 Jahren, und wenn sie ein wirklich sehr schlechtes Design haben, schon nach wenigen Monaten bis Jahren.
Die Geschichte der Papierwährungen ist eine Geschichte der „Währungsreformen“. Eine Währungsreform ist so etwas wie die Kapitulation der Politiker vor der Realität infolge ihrer eigenen Hybris und Anmaßung des Wissens. Diese Hybris ist es, die jede Papierwährung an ihr Ende bringt, und zwar nicht notwendigerweise allein als Ergebnis von schlechten Entscheidungen aus sachfremden Gründen, sondern als gesetzmäßiges Resultat des Umstandes, überhaupt die Arroganz der Anmaßung von Wissen zu haben, eine Papierwährung einzuführen.
Wäre es anders, könnten Papierwährungen länger halten oder sogar von Dauer sein. Das sind sie aber nicht. Ihr oben erwähntes Merkmal guter oder schlechter Konstruktion ist lediglich der institutionellen Governance des Geldes geschuldet, und zwar nur genau hinsichtlich einer einzigen Frage: Wie stark sind die Abwehrmechanismen der Trägerinstitution und ihrer Organe gegen die politischen Begehrlichkeiten, das Geldmonopol des Staates für andere Dinge zu nutzen als die Bereitstellung von stabilem Geld? Mit anderen Worten: Wie unabhängig ist die Zentralbank?
Dabei ist nicht die Frage, was in den Statuten steht. Die Unabhängigkeit einer Zentralbank ist nicht nur eine Frage der Prozesse, der Gesetze und der geschriebenen Regeln, sie ist ebenso sehr oder sogar noch mehr eine Frage der Kultur, der ungeschriebenen Regeln, der Personalauswahl, des Selbstverständnisses ihrer verantwortlichen „Währungshüter“.
Es ist kein Zufall, dass Währungshüter ein deutsches Wort ist, das als stehender Term in anderen Sprachen keine Entsprechung findet. Man kann zum Beispiel die angelsächsische Literatur durchkämmen, solange man will, man wird dort keine „Guardians of the Currency“ finden. „Guardians of the Galaxy“ vielleicht, denn drunter machen wir es nicht, aber das war es dann auch schon. Im Französischen, Italienischen oder Spanischen ist es auch nicht anders.
Das war der Grund, warum die deutsche Regierung bei den Verhandlungen zur Einführung des Euro versucht hat, mit dem Maastrichter Vertrag für die Gemeinschaftswährung eine Governance durchzudrücken, die der der Deutschen Mark und der Bundesbank entsprach. Sie hatte in ihrer grenzenlosen Naivität und ihrem realitätsverkennenden Glauben an geschriebene Regeln keine Ahnung von der Frage der ungeschriebenen Regeln, der Personalauswahl, den Anreizen, denen die Führung einer Zentralbank unterliegt, den Möglichkeiten, jede Regel durch Ausnahmen und Rabulistik auszuhebeln, und vor allem nicht von der normativen Kraft des Faktischen.
Aber auch ohne die daraus resultierenden Konstruktionsfehler wäre der Euro nicht unsterblich, die Naivität der deutschen Väter des Euro, in Verbindung mit der Gerissenheit der südeuropäischen Väter des Euro, hat lediglich dafür gesorgt, dass der Zerfallsprozess eben nicht 100 Jahre beträgt, sondern irgendwo zwischen 25 und 30 Jahren liegen dürfte. Sie sehen liebe Leser: Ich wage die Prognose, dass der Euro keine 30 Jahre alt werden wird.
Es stellt sich aber die Frage, was diese grundsätzliche Hypothese von der Unvermeidbarkeit des Endes jeder Papierwährung rechtfertigt beziehungsweise welchen Mechanismus ich postuliere, der dies bewirken soll. Dieser Mechanismus beruht auf der zentralen Funktion des Zinses für das reibungslose Funktionieren einer marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft und der sich aufschaukelnden Zyklizität des Systems, wenn der Zins auch nur ein einziges Mal von seinem gesamtwirtschaftlichen Optimum abweicht. Dass er das tun wird, darauf können wir uns mit 100-prozentiger Sicherheit verlassen aus einem sehr einfachen Grund: Im System des Papiergeldes legt die Zentralbank zumindest am kurzen Ende der Laufzeiten, wenn es ihr beliebt, aber auch am langen Ende den Zins fest. Die Zentralbank verfügt aber nicht über die notwendigen Daten und Informationen für die Festlegung eines marktgerechten Zinses und wird auch nie über diese Daten verfügen, weil ein solcher marktgerechter Zins alle Informationen von Kapitalnachfrage und -angebot einer Volkswirtschaft reflektiert, in einer offenen Volkswirtschaft sogar des ganzen Planeten. Hier fließen in dynamischer Weise die Präferenzen der Wirtschaftssubjekte ein, die sich jeden Tag ändern, es fließen Produktivitätsinformationen und -fortschritte durch technische Neuerungen ein, die sich zur Nachfrage nach Investitionskapital kondensieren, und es fließen verzerrende Wirkungen der Staatsnachfrage nach Kapital und Gütern ein. Das System ist in seiner Komplexität sogar noch gewaltiger als das menschliche Gehirn, weil die Ergebnisse kognitiver Prozesse von Millionen von Gehirnen einfließen.
Selbst wenn die Zentralbank nach dem Muster eines blinden Huhns, das auch mal ein Korn findet, zu irgendeinem Zeitpunkt zufällig den richtigen Zinssatz festlegt (was wir nie wissen werden), so wird dieser Sekunden später schon wieder falsch sein, weil die Dynamik der sich verändernden Variablen, ihre Wechselwirkung, ihre Addition, Subtraktion, funktionale Abhängigkeit und Varianz so groß sind, dass es keinen stabilen Wert dafür geben kann.
Man könnte nun einwenden: Dann lass doch den Markt den Zins des Papiergeldes bilden! Aber genau das wird in einem Fiatgeldsystem nicht möglich sein, denn es gibt im Fiatgeld für die Zentralbank nur genau einen Weg, Geld herzustellen und in Umlauf zu bringen: Sie muss Geld drucken, auf Papier oder elektronisch, und es an die Banken oder den Staat verleihen, und zwar gegen einen Zinssatz. Auch wenn sie keine Zinsen nehmen würde, also der Zins null wäre, hätte sie ihn festgelegt: eben bei null.
Auch ein Versteigerungssystem von Geld an die Banken wird sie nicht aus diesem Dilemma befreien, es wird lediglich die Restriktionsvariable verändern, nämlich für die Zentralbank den Zwang einführen, die Menge des zu versteigernden Geldes festzulegen. Tut sie das nicht, versteigert sie eine unendliche Menge und der Zins, den die Banken bieten werden, sinkt automatisch auf null, und somit hat die Bank auch in einem solchen scheinbar den Marktkräften Spielraum gebenden Ansatz den Zins durch die gegebene oder eben nicht gegebene Mengenrestriktion indirekt und implizit definiert.
Nein, liebe Leser: Aus dieser Falle gibt es kein Entkommen. Die Zentralbank muss und wird den Zins festlegen, ob sie das will oder nicht.
Auch die freie Zinsbildung bei der Giralgeldschöpfung, also dem Markt für Bankkredite an Kunden, ändert nichts daran, obwohl hier theoretisch zwischen Banken und ihren Kunden ein freier Markt herrschen sollte. Das ist aber nicht der Fall, weil erstens die Banken sich immer zum Zentralbankzins refinanzieren können, der Marktzins dort also nicht über den Diskontsatz steigen kann, und weil zweitens der Risikoappetit der Banken durch das Fiatgeldsystem verzerrt wird. Der Grund ist einfach: Die Fähigkeit der Zentralbank, fallierende Banken mit frisch gedrucktem Geld zu retten, verändert die Risikowahrnehmung der Bankmanager, weil Gewinne immer privatisiert, Verluste aber im Zweifel sozialisiert werden können. Der Risikoappetit ist also im Fiatgeldsystem deutlich höher als zum Beispiel in einem Goldstandard.
Man erkennt das vor allem daran, dass Banken in einem Fiatgeldsystem deutlich geringere Eigenkapitalquoten aufweisen als im Goldstandard. Um das auszugleichen, hat man sich das System der Bankenregulierung mit Mindestkapitalausstattung nach Basel I, II und so weiter einfallen lassen, aber wir wissen inzwischen alle, dass das nicht funktioniert, weil es eine Risikotransparenz voraussetzt, die die Banken nicht herstellen können und auch gar nicht herstellen wollen, und weil die Bankenaufsicht nicht annähernd smart genug ist zu erkennen, dass auch ihr Versuch, das zu verstehen, nur eine Anmaßung von Wissen darstellt.
Dazu kommt ein weiterer Effekt. Die Verteilung der von der Zentralbank festgelegten Zinssätze relativ zum Marktzinssatz ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit „linksschief“. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass die Zentralbank dazu neigt, den Zins niedriger anzusetzen, als selbst ihre eigene unvollkommene Analyse des vermeintlich optimalen Zinssatzes dies nahelegen würde, weil ihre Zielfunktion nicht allein auf die Herstellung stabilen Geldes ausgerichtet ist, sondern eben von anderen sachfremden Überlegungen überlagert wird.
Diese sachfremden Überlegungen sind kein Unfall, keine zufällige Aberration oder kein schicksalhaftes Abweichen vom Pfad der Tugend, sondern sie sind das Ergebnis der Absichten, aufgrund derer wir überhaupt ein Papiergeld und keinen Goldstandard haben. Denn das eigentliche und wirkliche Ziel des Papiergeldes und der damit einhergehenden Fähigkeit, Geld in unbegrenzter Höhe aus dem Nichts zu schaffen, ist die heimliche Enteignung des Bürgers in seiner Eigenschaft als Unternehmer, Angestellter, Leistungsträger, Konsument, Sparer und Anleger.
Es ist das Selbstverständnis der Schöpfer jedes Fiatgeldmonopols, dass dieses Monopol das Recht auf eine „Seigniorage“ beinhaltet, dem Abschöpfen eines Monopolgewinns, entweder zugunsten des Staates oder zugunsten einer Gruppe auserwählter Personen oder Institutionen, die dem Staat nahestehen. Im Falle der US-amerikanischen Zentralbank Federal Reserve (Fed) sind das zum Beispiel die großen Finanzinstitutionen, die die Fed nicht nur gegründet haben, sondern die zugleich die Quelle ihres Führungspersonals waren, sind und wohl auch bleiben werden. Im Falle der Europäischen Zentralbank (EZB) sind es die Regierungen, die sie ins Leben gerufen haben.
Das ist nachgerade der Sinn, warum man es überhaupt macht, denn ohne diesen Willen zur Beraubung könnte man leicht am Goldstandard festhalten.
Daher stellt sich nunmehr die Frage: Welche Folgen hat es, dass die Zentralbank den Zins nicht marktgerecht festlegen kann, egal, wie sehr sie sich auch darum bemühen und wie gut ihre Governance auch konstruiert sein mag?
Es bedeutet, dass das gesamte System in eine Art Oszillation versetzt wird, einen Schwingungszustand, der sich im Laufe der Zeit wie bei einer Resonanz immer weiter aufschaukelt, bis die Ausschläge des Systems die Absorptionsfähigkeit der Wirtschaft als Ganzes überfordern und es zum Bruchpunkt kommt. Man kann das mit einem Glas vergleichen, das durch einen Ton in Höhe seiner Eigenfrequenz in Schwingung versetzt wird. Es absorbiert die Energie und wird bei genügend Zufuhr derselben zerspringen, wenn die Schwingungsamplitude höher ist, als es die physikalische Widerstandsfähigkeit des Glases erlaubt. Auch die Wirtschaft verkraftet nur eine begrenzte Volatilität, also Amplitude bei den Preisen, bevor sie in die Knie geht.
Wie müssen wir uns das ökonomisch konkret vorstellen? Der Ausgangspunkt ist die Neigung der Zentralbank, die Zinsen ohne Not oder Grund zu niedrig anzusetzen, zum Beispiel, weil die Politik das von ihr gefordert hat, entweder um ansteigende Staatsverschuldung zu alimentieren, die für Wahlgeschenke ausgegeben wird, um Politiker an der Macht zu halten oder um konjunkturelle Strohfeuer bei Konsum oder Investitionen anzufeuern und so kurz vor Wahlen die Wirtschaft stärker aussehen zu lassen, als sie in Wahrheit ist.
Sie mögen jetzt denken, dass es dafür keine naturgesetzliche Notwendigkeit gibt, aber das ist Wunschdenken. Sie können sich darauf verlassen, dass es in keinem noch so schön konstruierten System angeblich guter Governance einer Zentralbank lange dauert bis den Begehrlichkeiten der Politik nachgegeben wird. Selbst im Wirtschaftswunder-Deutschland der Nachkriegsära unter Adenauer und Erhard hat es nur vier Legislaturperioden gedauert, bis eine große Koalition Mitte der 60er Jahre den Weg des Verderbens beschritten hat. Und das trotz der besten Deutschen Mark, die wir angeblich je hatten.
Die daraus resultierende künstliche Expansion wird dafür sorgen, dass Investitionen getätigt werden, die im Marktgleichgewicht nicht getätigt worden wären, weil sie ihre wahren Kapitalkosten nicht verdienen. Und es werden falsche Investitionen getätigt, die attraktiv erscheinen, es aber in Wahrheit nicht sind. Diese anfängliche Störung ist noch klein und ihre expansiven und damit inflationären Effekte werden im Vergleich zu späteren Entwicklungen gering erscheinen, aber sie sind da und sie sind die Initialzündung eines nicht mehr aufhaltbaren Prozesses. Sie führen unmittelbar zu einer Asset-Inflation, als einer Steigerung der Preise von Vermögenswerten im Bereich Immobilien und Aktien.
Mit einer Zeitverzögerung von 18 bis 30 Monaten setzt dann ein Durchsickern des Geldes in den Konsumprozess ein, was schließlich die Inflation messbar und leichter beobachtbar macht, weil sie sich im Konsumgüterpreisindex niederschlägt. Das ist natürlich nicht der Anfang, sondern der Endpunkt eines inflationären Prozesses, den die Zentralbank bis zu diesem Punkt verschlafen hat. Und auch diesen stellt sie mit Zeitverzögerung fest, weil die Messung der Inflation Zeit benötigt.
So kommt es, dass die Apologeten der expansiven Geldpolitik lange ungestraft daherschwadronieren können, dass das Gelddrucken keine Inflation auslösen würde. Wenn sie dann kommt, dann ist sie „vorübergehend“ oder „mild“, und wenn sie dann richtig loslegt, ist sie „gut“, weil angeblich nur Produkte teurer werden, die irgendwie ideologisch als schädlich, klimafeindlich oder Luxus gelten dürfen. Für eine zielgerichtete Reaktion der Zentralbank ist es natürlich nicht nur zu spät, sondern sie kann auch mangels Wissen nicht korrekt dosiert werden.
Parallel zu den Fehlinvestitionen kommt es zu Finanzinvestitionen in Vermögenswerte, die einen gewissen Schutz vor der Inflation bieten, also vor allem Sachwerte wie Immobilien oder Aktien, die dann eine Überbewertung erfahren, was ihre Kapitalkosten absenkt und auch in diesen Sektoren zu einem Überinvestment führt. Dieser Prozess heißt Blasenbildung auf den Kapitalmärkten und dieser geht so lange weiter, wie die Zentralbank an einem zu niedrigen Zinssatz zur Akkomodierung politischer Wünsche festhält. Er ist zugleich der Motor einer sich ausdehnenden Konsumnachfrage, weil die Wertsteigerung dieser Vermögenswerte den Wirtschaftssubjekten eine Vermögensillusion vorgaukelt, sie sich also reicher fühlen, als sie in Wahrheit sind.
Setzt nur die Inflation ein, muss die Zentralbank sie bekämpfen, weil eine nachhaltig hohe Inflation bei der Masse der Wähler zu Einkommens- und Vermögensverlusten führt. Das ist für die federführenden Politiker gefährlich, sodass sie in Abwägung ihrer Wahlchancen die Zentralbank machen lassen. Denken Sie nur ja nicht, dass die Geldwertstabilität etwas wäre, was der Zentralbank oder den Politikern am Herzen läge und sie deshalb die Inflation bekämpfen würden, weil sie den kleinen Mann beraubt. Die Angst vor seiner Wahlentscheidung ist der einzige Grund für dieses Verhaltensmuster.
Die Zentralbank wird also die Zinsen erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen. Die von ihr nicht beabsichtigte Nebenwirkung ist, dass sie dabei auch die Finanzblasen ansticht, die vom Niedrigzins aufgepustet wurden. Die dann kollabierenden Blasen setzen eine deflationäre und depressive Kettenreaktion in Gang. Die Werte der Immobilien und Aktien fallen, die Reichtumsillusion kollabiert, der Konsum fällt, die Nachfrage nach Investitionen fällt, die Kontraktion der Nachfrage führt zu Umsatz- und Ertragsrückgängen der Unternehmen, und es setzt eine Pleitenwelle ein, die die Schrumpfung der Wirtschaft nicht auslöst, sondern dokumentiert.
War die Niedrigzinsphase lange genug, hat sie den Nebeneffekt, schlechte Unternehmen, die ihre Kapitalkosten schon lange nicht mehr verdienen, am Leben zu erhalten. Denn Zinsen, die ein Unternehmen nicht zahlen muss, wirken wie eine Subvention, die leistungslos zufließt. Sie gehen nicht mehr pleite und sammeln sich in einer Volkswirtschaft an. Sie sind wandelnde Tote, Zombies, die tot sind, aber noch herumlaufen und so Kapital, Menschen, Talent und Arbeit in eine Art babylonische Gefangenschaft niedriger Produktivität und sinnloser Tätigkeit einzusperren. Eine beklagenswerte Verschwendung von Ressourcen und menschlichen Fähigkeiten.
Diese Unternehmen fallen dann, und die resultierende Pleitenwelle wird umso größer, je länger der marktfremd niedrige Zins ihre Erstarrung finanziert hat.
Fallende Vermögenswerte und Kreditausfälle durch fallierende Unternehmen verbinden sich dann zu einem toxischen Gemisch für die Banken, bei denen die Zahl der Kreditausfälle drastisch ansteigt und zugleich die Werte der als Sicherheiten verpfändeten Immobilien und Wertpapiere ebenso drastisch fallen. Letzteres treibt den sogenannten Verlust im Verzugsfall nach oben und sorgt so dafür, dass das Risikomanagement der Banken überfordert scheint, weil man dort nicht mit einer positiven Korrelation beider Verlusttreiber gerechnet hat, obwohl man es aus früheren Erfahrungen hätte tun sollen. Aber Banken, ebenso wie Regierungen und Wähler haben ein kurzes institutionelles Gedächtnis.
Der dann einsetzende Erosionsprozess der Kreditqualität und der Kreditbücher fängt dann an, in das Eigenkapital der Banken zu schneiden. Wenn die Bank noch dazu so unvorsichtig war, ihre Liquidität im Vertrauen auf dauerhaft niedrige Zinsen in langlaufenden Anleihen zu parken, dann geht es noch schneller. Die Anleihen fallen mit steigenden Zinsen massiv im Wert, was die Banken dazu zwingt, das vorher liquide Asset in der Bilanz zu halten und zu hoffen, dass niemand die Liquidität abruft und sie so zum Verkauf zwingt, weil sonst die Verluste offenbar werden und der verbreitet praktizierte Bilanzbetrug, die Buchverluste nicht zu bilanzieren, auffliegt.
Diese Gemengelage ist hochexplosiv und sie führt in schöner Regelmäßigkeit dazu, dass die Banken vor der Bankaufsicht den Offenbarungseid ablegen müssen. Das nennt man Bankenkrise und sie kann nur im Sinne des Systems abgewendet werden, wenn die Banken gerettet werden. Die Rettung ist aber nicht möglich, indem die Zentralbanken einfach mehr Geld drucken und es den Banken geben, denn damit vergrößert sie nur die Schulden der Banken. Diese brauchen aber nicht mehr Fremdkapital, also Schulden, sondern mehr frisches Eigenkapital, um wieder solvent und damit selbst kreditwürdig zu werden. Es gibt nur genau einen Weg, um das zu erreichen: Die Zentralbank druckt das Geld, leiht es den Banken (denn dem Staat darf sie es nicht direkt leihen, jedenfalls in Euro-Land), die Banken leihen es dem Staat, der es dann den Banken im Wege einer Kapitalerhöhung zurückgibt und dabei Aktien der Banken kauft, sie also teilverstaatlicht.
So wird der Staat zum Großaktionär der Banken, damit des Finanzsystems, des angeblichen Herzstückes des Kapitalismus. Die Aktien bleiben weitgehend wertlos, das Management bleibt auch in Amt und Würden, denn in einer Bankenkrise gibt es nicht genug Ersatzmanager, die bereit stehen würden, wenn man die Versager alle entließe.
Nun sind also die Banken mit neuen Staatsschulden gerettet, für die natürlich der Steuerzahler, also der Bürger aufkommen muss. Er ist der Bürge, der Garant gewaltiger Rettungsmilliarden, und wahrscheinlich ist das der Grund, warum er überhaupt Bürger heißt. Das frische Geld hat dabei seinen Weg dorthin gefunden, wo man sicher sein kann, dass es für den nächsten Aufgalopp ins Elend benutzt wird, in das Finanzsystem, dem Ort, wo Liquidität immer auf der verzweifelten Suche nach neuer Anlage ist. Es wird so sicher in neue Aktieninvestments und Immobilien fließen, wie die Flüsse ins Meer laufen. Dann wird die nächste Blase aufgepumpt, und zwar mit mehr Geld als die letzte, weil die Rettung auch größer war als die letzte, denn sie wurde mit mehr Geld aufgeblasen als die vorletzte. Ein exponentieller Prozess ist in Gang gesetzt, der im Desaster enden muss.
Ach ja, und bevor ich es vergesse: Die veritable Wirtschaftskrise, die Pleiten und die fallenden Immobilienpreise müssen natürlich auch bekämpft werden: mit fallenden Zinsen bis an die Nulllinie. So ist sichergestellt, dass auch der Prozess der Überkonsumption, der Fehlinvestition und der falschen Allokation gewaltiger Ressourcen schnellstmöglich wieder in Gang kommt. Man nennt das dann Aufschwung.
Betrachten wir die Krisenzyklen des Euro seit seiner Gründung 1999, so erweisen sie sich als Musterbeispiel für diesen Prozess. Die Währungsunion startete mit einer Bilanzsumme der Zentralbank von 690 Milliarden Euro. Die erste Krise, bereits zwei bis drei Jahre später, die sogenannte Dotcom-Blase, dehnte die Geldmenge um läppische 250 Milliarden Euro aus. Die Finanzkrise von 2007 weitere fünf Jahre später erforderte schon 500 Rettungs-Milliarden, die Euro-Krise eine Billion, also 1.000 Milliarden, der „Kampf Draghis gegen die Deflation kostete zwei Billionen, die als Corona-Maßnahmen getarnte Rettungsaktion des Finanzsystems kostete dann vier Billionen. Aktuell hat die EZB eine Bilanzsumme von sieben Billionen, das Zehnfache des Betrags vor 25 Jahren. Die Menge der produzierten Güter und Dienstleistungen hat sich aber nicht wesentlich verändert. Im Gegenteil: Die mikroökonomischen Effekte der falschen Kapitalallokation hat die Produktivität seit fast 20 Jahren nicht mehr steigen lassen. Wir haben kein Wirtschaftswachstum mehr, das der Rede wert wäre, und das mitten in der digitalen Revolution, die uns Produktivitätsschübe ungeahnten Ausmaßes ermöglichen sollte und das auch würde, wenn wir nicht so ein dysfunktionales Geldsystem hätten.
Wir können uns darauf verlassen, dass die Ausschläge auch künftig exponentiell wachsen. Die nächste Rettung kostet acht Billionen, soviel ist sicher. Die dann notwendige Ausdehnung der Geldmenge in der absehbaren deflationären Krise von 2025 wird den nächsten Inflationsschub 2027 vorbereiten. Sie wird nicht bei zehn Prozent haltmachen, denn sie hat mehr Brennstoff zur Verfügung als die letzte. Wir dürfen gespannt sein, ob der Euro sich dann einreiht in die lange Liste der toten Papierwährungen oder ob er noch eine Runde durchhält.
Wie wussten schon die Römer? „Sic transit gloria mundi“ – so geht der Ruhm der Welt dahin.
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