Berlin, Washington, Brasilia: Dreimal „Sturm auf die Demokratie“, dreimal Sturm im Wasserglas
Geschichte wiederholt sich eben doch, wenn das Drehbuch dasselbe ist
von André F. Lichtschlag (Pausiert)
von André F. Lichtschlag (Pausiert) drucken
Geschichte wiederholt sich nicht. Oder eben doch. Anders gesagt: Ein Drehbuch geht um die Welt.
Am 29. August 2020 fand die bis dahin größte Demonstration in der deutschen Hauptstadt Berlin gegen die „Corona-Maßnahmen“ statt. Laut Polizeiangaben beteiligten sich 38.000 Menschen an der Protest-Kundgebung, die Veranstalter sprachen von weit mehr als 150.000 friedlichen Demonstranten in Berlin. Eine beeindruckende Kulisse vor der Siegessäule und der Höhepunkt des Widerstands gegen die politischen Angriffe auf die Grundrechte. Am Abend konnten ein paar Chaoten, die nicht zur Hauptkundgebung gehörten, die Treppen des Reichstagsgebäudes ungehindert hochsteigen. Sofort heulten die Medien auf und inszenierten einen „Reichstagssturm“, der nie stattgefunden hat. Die Opposition gegen bis dahin ungesehene Einschränkungen der Bürgerfreiheiten in der Bundesrepublik Deutschland war diskreditiert, die Protestwelle ebbte ab.
Am 6. Januar 2021 fand ein wochenlanger breiter Protest gegen Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl im November 2020 seinen Höhepunkt in der US-Hauptstadt Washington, als Zehntausende Unterstützer zu einer Rede von Präsident Trump nach Washington gekommen waren. Einige Tausend zogen anschließend zum Kapitol, um dort weiter gegen die bevorstehende Bestätigung der Wahl Joe Bidens zu demonstrieren. Hunderte drangen ohne wirklichen Widerstand der Sicherheitskräfte ins Gebäude ein, der „Sturm auf das Kapitol“ ging als „Anschlag auf die amerikanische Demokratie“ durch die Medien. Wochen-, monate-, jahrelang; das Schauermärchen wurde immer und immer wieder aufgekocht. Trumps geriet in die Defensive, sein Gegendruck war erledigt.
Nun also am 8. Januar 2023 dieselbe Aufführung, zum Dritten, wieder auf einem anderen Kontinent. Nach wochenlangen gigantischen (in den deutschen Medien verschwiegenen) Protestkundgebungen mit mal Zehntausenden, mal Hunderttausenden von Teilnehmern gegen Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl in Brasilien gelangten Tausende Anhänger des Ex-Präsidenten Bolsonaro ins Bundesparlament und den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Brasilia. Wieder dieselben Bilder. Erneut erst, nachdem die Aufnahmen gemacht waren, schritten die Sicherheitskräfte ein und verhafteten Hunderte der Eindringlinge, die sie vorher nicht abgehalten hatten. Bolsonaro – ohnehin bereits in Florida im Exil – muss sich rechtfertigen. Politisch ist er erledigt.
Drei Jahre. Drei Länder. Eine Story. Cui bono? Wer profitiert? Warum werden „die Eindringlinge“ jedes Mal erst verhaftet, nachdem sie scheinbar „erfolgreich“ ihren „Sturm“ praktiziert hatten?
Tatsächlich erwiesen die Parlamentsstürmer überall ihrer Sache einen Bärendienst und waren erfolgreich allenfalls im Sinne der Gegenseite, die ihre Possen als „faschistische Anschläge“ weidlich ausschlachteten. Während Politik und Medien scheinoppositionellen Regierungsturbos wie Klimaklebern oder Rassismuspopismusbesorgten jeden Unsinn und jede Dreistigkeit durchgehen lassen, Terroristen als „Aktivisten“ verharmlosen und „auf sie zugehen“, um mit ihnen dankbar „ins Gespräch zu kommen“, werden echte Oppositionelle gegen die woke Herrscherkaste dämonisiert und schwerkriminalisiert.
Wurden womöglich Provokateure eingesetzt? Haben Sicherheitskräfte bewusst mitgespielt? Wer weiß! Oppositionelle müssen in einem derart aufgeheizten feindlichen Umfeld lernen, dass Menschenmassen zum Problem werden können.
Auffallend ist der internationale Gleichklang, der Schulterschluss der Freunde des Great Reset und die immer größere Unerbittlichkeit in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. Hatte nicht eben erst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Amtsantritt Lulas in Brasilien – nicht gerade, wie es sein Amt eigentlich einfordert, unparteiisch – frenetisch mitgejubelt und mitgefeiert? Und hat Lula tatsächlich jetzt Bolsonaro „Völkermord“ vorgeworfen? Ist das alles noch die alte Rivalität zwischen links und rechts? Oder ist das schon die Kriegserklärung der internationalen Herrscherclique an alle potenziellen Widersacher? Womöglich der Beginn eines Weltbürgerkriegs?
Langsam. Zunächst müssen sich die Parlamentsstürmer und ihre Fans vor allem an die eigene Nase fassen, nachdem sie derart vorgeführt wurden. Denn es gibt sie ja tatsächlich, sie sind auf unzähligen Telegram-Kanälen zu finden, die oppositionellen „Superstrategen“, die noch bei jedem Sturm im Wasserglas, ob in Berlin, Washington oder Brasilia, zittrig vor dem Handy sitzen und bei jedem Video der sich scheinbar überschlagenden Ereignisse in der Hauptstadt vor Glück juchzen, jaulen und twittern. Die die jedes Mal doch jetzt endlich unmittelbar bevorstehende Revolution meinen beschwören und anfeuern zu müssen. Jene Hitzköpfe, die wieder und wieder … nichts verstehen. Gar nichts. Jetzt geht’s los! Ach, wirklich?
Vielleicht sind es doch ausschließlich sie und ihresgleichen gewesen, auch als Akteure? Vielleicht bedurfte es keiner Manipulation und Intrige, weil es auf allen Seiten ohnehin genug Irre in der abgleitenden politischen Auseinandersetzung gibt.
So oder so: Dreimal wurden oppositionelle Großveranstaltungen nachhaltig diskreditiert. Dreimal schrieben die vermeintlichen Revolutionäre Geschichte: die des Gegners.
Und noch eine Moral von derer Geschicht’: Revolutionen sind für kleine Kinder nicht. Sie sind per se kontraproduktiv und würden sogar bei „Erfolg“ am Ende nach hinten losgehen. Denn dann begänne das politische Spiel in anderen Farben von vorn, und irgendwann fräße die Revolution ihre Kinder. Immer.
Es ist an der Zeit, andere Formen des Widerstands gegen den politischen Exzess auszuloten: Einkehr. Abkehr. Sezession. Aufbau neuer paralleler und produktiver Strukturen. Keine destruktiven politischen Demonstrationen. Parlamente sind es ohnehin nicht wert, „gestürmt“ zu werden. Lassen wir die Politik links liegen!
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