13. Januar 2023 13:00

Zeitgeschichte Krisenanalyse und Priorisierung der Bewältigungsschritte

Gedanken für einen folgerichtigen Kurs

von Carlos A. Gebauer

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Krisen gehören zum Leben wie die Geburt und der Tod. Krisen bringen die Herausforderung, bislang geübte Standards zu überdenken und zu modifizieren. Krisen lassen den einen scheitern, dem anderen bringen sie im Ergebnis Verbesserungen, an einem dritten gehen sie manchmal sogar vorbei. Krisen können Individuen ebenso erfassen wie Familien, Gruppen, ganze Städte oder Länder. Krisen können in schlimmeren Fällen die ganze Welt umspannen.

Je größer eine Krise ist und je mehr Menschen sie betrifft, desto schärfer sind die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, um sie zu überwinden. Neben die Aufgabe, einzelnes menschliches Handeln anderen Umgebungsbedingungen anpassen zu müssen, tritt dann auch die Notwendigkeit, die vertraute zwischenmenschliche Koordination neu auszurichten. Fallen schließlich mehrere Krisenszenarien oder Krisengründe zeitlich und räumlich zusammen, steigt die Wahrscheinlichkeit für Schwierigkeiten.

Zu Beginn des Jahres 2023 sieht sich die Menschheit praktisch weltweit einem ganzen Bündel von krisenhaften Zuständen und krisenhaften Entwicklungen gegenüber. Damit wird die Priorisierung, welcher Krisenbewältigung man sich richtigerweise vordringlich zu widmen habe, zu einem pikanten Zusatzproblem: Neben den Zwang, das eigene Verhalten neu auszurichten, tritt der Streit, wann dies in welcher Hinsicht geboten sei.

Unter den Völkern der Welt herrscht aktuell nicht einmal ein belastbarer Konsens darüber, welche Entwicklung oder welcher Zustand tatsächlich als eine relevante Krise zu bewerten sei. Zusätzliche Verwirrung stiftet, dass die öffentliche Meinung und die veröffentlichte Meinung vielfach erheblich voneinander abweichen. Eine gemeinsame Orientierung in der Realität als Voraussetzung für das einvernehmliche Verfassen eines gemeinschaftlichen Handlungsplanes wird dadurch weiter erschwert.

Neben der in der Öffentlichkeit seit geraumer Zeit prominent debattierten Frage nach einer Umweltkrise haben eine Pandemiekrise und eine Pandemiebekämpfungskrise die Koordination des menschlichen Handelns weltweit heftig gestört. Noch fataler ist die krisenhafte Zuspitzung des Ukraine-Kriegs. Sie induziert nicht zuletzt deswegen auch eine ungesehene globale Energiekrise, da manche Staaten der Welt in dem Bestreben, einer globalen Klimakrise zu begegnen, ihre traditionelle und verlässliche Energieversorgung beendet haben. Der Versuch, zeitgleich die Verkehrsinfrastrukturen zu transformieren, zerschlägt herkömmliche Industrienetzwerke, namentlich in Zentraleuropa. Zu alledem wird eine weltweit grassierende Überschuldung der Staaten überlagert von einem inzwischen globalisierten Geld- und Währungssystem, das – nach dem jahrzehntelangen Erodieren des Systems von Bretton Woods – inzwischen geradezu kontinuierlich an der Grenze zu seinem Zusammenbruch steht. Hoffnungen, alle diese globalen Krisen durch eine umfängliche Digitalisierung des gesamten menschlichen Lebens in ein neues Informationszeitalter zügig überwinden zu können, zerschlagen sich durch allgegenwärtige Umstellungsverzögerungen. Die vielerorts herrschende Vorstellung, es ließen sich Vorteile für den Naturschutz aus einer Produktionsreduktion erzielen, ohne dass die Versorgungssicherheiten der wachsenden Weltbevölkerung gefährdet werden, erweist sich als trügerisch. Die allgegenwärtig krisenhaften Zuspitzungen der Lage rufen unter den Menschen zusätzliche Nervosität, Verzweiflung und wachsende Aggressionen hervor. Die Hoffnung, andernorts ein besseres Leben führen zu können, treibt die Migrationskrise als weiteren Faktor der globalen Destabilisierung voran. Was tun?

Die damit – nicht einmal abschließend – skizzierten Krisen werden sich nicht allesamt von alleine lösen. Ebenso unwahrscheinlich aber ist auch, dass es gegebenen und bestehenden staatlichen oder überstaatlichen Akteuren von alleine gelingen werde, die gebündelten und aufgehäuften Krisenszenarien einer gesamthaft befriedigenden Lösung zuzuführen. Die Bewältigung aller Krisen ist wesentlich eine gesellschaftliche und damit auch eine unternehmerische Aufgabe. Denn nur auf der Grundlage individueller Analysen der gegebenen Situation und nur mit der Methode kooperativ angepassten Handelns unter ethisch konsensfähigen Zielsetzungen wird es hinreichend zügig gelingen, künftigen menschlichen Entscheidungen die nötige Basis für eine tragfähige Lagebewältigung zu verschaffen.

Erkennt man die Tatsache, dass Menschen für ihr Überleben auf technische Hilfsmittel ebenso wie auf zwischenmenschliche Kooperation angewiesen sind, als unbezweifelbar gegeben an, dann folgen aus dieser Erkenntnis Konsequenzen für die Priorisierung der Krisenbewältigung: Elementare menschliche Bedürfnisse wie Nahrung, Bekleidung, Unterbringung und Hygiene müssen zur Gewährleistung eines friedlichen Miteinanders unterbrechungsfrei zur Verfügung stehen. Gelingt es nicht, die Versorgung aller Menschen mit dem dazu Erforderlichen im Hier und Jetzt sicherzustellen, erübrigen sich Hypothesen über die Organisation dieser Zusammenhänge in der Zukunft. Dies bedeutet konkret, dass Lieferketten nicht reißen dürfen und dass sie dort, wo sie gerissen sind, schnellstmöglich wieder verknüpft werden müssen. Dies setzt das Vorhandensein der nötigen Energien zur Information und Koordination wirtschaftlichen Handelns unabdingbar voraus. Eine wechselseitige Information und Koordination in diesem Sinne können aber nur dann gelingen, wenn ihnen ein tragfähiger rechtlicher Rahmen sowie ein verlässliches wirtschaftliches Rechnungssystem zur Verfügung stehen. Aus alledem folgt: Effektive unternehmerische Handlungsmöglichkeiten hier und jetzt zur Versorgung der Weltbevölkerung in der Gegenwart haben Priorität vor der Lösung anderer, faktisch damit also nachrangiger Probleme. Auf funktionsfähige Techniken kann nicht verzichtet werden, bevor sie durch andere hinreichend umfänglich und sicher ersetzt sind. Gegebene Ist-Zustände sind hypothetischen Soll-Zuständen – und mögen diese noch so visionär erscheinen – vorzuziehen. Die effektive Absicherung der Lebenswirklichkeit von Milliarden von Menschen kann nur auf der Realität basieren, nicht aber auf konzeptionell Irrealem. Für das strauchelnde Geldsystem der Welt folgt daraus: Gegenwärtige Realgüter haben mehr Gewicht als nur künftige Erfüllungshoffnungen mit noch unbekannter Kaufkraft.

Die überschuldeten Staaten der Welt haben sich – zum historisch wiederholten Male – darauf verlassen wollen, ihre unerfüllbar aufgehäuften nominalen Verbindlichkeiten real durch Geldmengenvermehrung zu beseitigen. Das Maß dieser Überschuldung ist indes heute so exzessiv groß, dass seine Offenlegung die pandemiebedingt ohnehin geschwächten Lieferketten und Produktionsstrukturen vollends zu zerstören bedeuten muss. Die Geldmengenausdehnung ist daher auch keine Medizin mehr gegen den wirtschaftlichen Kollaps, sondern mit der unausweichlich inflationären Nebenwirkung faktisch ein Beschleuniger des Untergangs. Um die hier drohenden Zerreißungen abzuwenden, bleibt wohl nur noch, die nach Kaufkraftabsicherung suchenden Liquiditätsinhaber schnellstmöglich und effektiv mit den nach Produktionsaufrechterhaltung strebenden Unternehmern zusammenzubringen. Die Ersetzung erodierenden Geldvermögens durch dargeliehene Grundgüter oder zwischenfinanzierte Produktionsvermögen kann helfen, einen Zusammenbruch der Herstellungs- und Bereitstellungspotenziale abzuwenden. Nur da, wo eine moderne Produktion von Gütern in einem aufrechterhaltenen Wettbewerb ressourcenschonend möglich ist, bleibt die Chance bestehen, mittel- und langfristig ökonomische Strukturen zu schaffen, die sich noch besser in ökologische Kontexte einbetten lassen. Fiele die Welt kollapsbedingt unkontrolliert in Produktionsweisen vergangener Jahrzehnte zurück, wäre selbst bei rasant reduzierten Lebensverhältnissen ein Umweltschaden zu erwarten, der jeden Nachteil durch behutsame Fortsetzung der vertrauten Modernisierungsdynamiken bei Weitem überstiege. Technologisches und ihm folgend technisches Wachstum sind unverzichtbare Voraussetzungen für ein künftig dauerhaftes Leben des Menschen im Einklang mit der Natur.


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