28. Juni 2024 10:00

Sozialphilosophie Handle, um deine Toleranz zu stärken!

Ein Gedankenmodell

von Carlos A. Gebauer

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Bildquelle: Vladyslav Lehir / Shutterstock Als passiver Zuschauer schimpft es sich leicht: Nur durch eigenes Tun wächst die Toleranz

Seit rund vierzig Jahren lebe ich nach einem Motto von Paul Watzlawick: „Handle, dann ergeben sich mehr Möglichkeiten!“. Neben dem zweiten Imperativ des von ihm propagierten erkenntnistheoretischen Konstruktivismus (nicht zu verwechseln mit dem sozialphilosophischen!), der uns aufgibt „Handle, um zu erkennen!“, erweitert diese Aufforderung die persönliche Welterkenntnis ungemein. Nur auf dem Sofa zu sitzen und den Dingen ihren Lauf zu lassen, mag die entspanntere Variante des Daseins sein. Aber durch eigenes Tun wechseln die Perspektiven für den Blick auf die Welt. Was dabei herauskommt, ist erstaunlich. Nicht zuletzt wächst die eigene Toleranz für andere Auffassungen. Denn mit jedem Betrachtungswinkel treten andere Ausschnitte der Realität in den Vordergrund.

Wer immer nur Kellner war und nie Koch, der kann sich nicht vorstellen, dass es eine Zumutung für die Küche ist, vorherbestimmte Speisezusammenstellungen abweichend gestalten zu sollen. Im Orchestergraben klingt eine Oper anders als auf der Bühne oder im Zuschauerraum, und im Gerichtssaal hat ein Angeklagter andere Gefühle als die Menschen hinter dem Richtertisch. Über die Jahre ist in den verschiedenen Rollen, an denen ich mich im Leben versucht habe, die Einsicht gewachsen: Was du nicht gemacht hast, das hast du nicht begriffen. Es sitzt sich leicht im Sessel mit einem kühlen Bier in der Hand, wenn man dem Mittelstürmer auf dem Spielfeld zuruft: „Lauf doch schneller!“

Im Zusammenhang mit dem vielbeachteten Besuch Javier Mileis bei der Hayek-Gesellschaft in Hamburg habe ich eine Unzahl von Gesprächen mit Journalisten geführt. Immer wieder habe ich die Gesprächspartner gefragt, ob sie es wirklich für richtig halten, den klassischen Liberalismus, für den Hayek und Mises so deutlich stehen, in die terminologische Ecke des Autoritären, Intoleranten oder gar Reaktionären zu stellen. Die Antwort, die mir praktisch unisono aus allen Mündern der Leitmedienvertreter gegeben wurde, war: „Ich mache so etwas nicht. Ich bin für so etwas nicht verantwortlich. Von mir werden Sie nicht angeschwärzt.“

Alle jene, die Libertäre als eine Gefahr für die Demokratie bezeichnen, schreiben offenbar nur voneinander ab, ohne es wirklich besser zu wissen. Kann man es ihnen vorwerfen? Ich denke, nein. Denn es hat ihnen niemand erklärt. Wenn selbst ein Professor der Wirtschaftswissenschaften wie Javier Milei 25 Jahre gebraucht hat, um sein Denken von den Vorurteilen staatlicher Steuerung zu lösen, dann muss man sicher auch Journalisten im Allgemeinen zugestehen, das Licht der Österreichischen Schule nicht alleine finden zu können. Es muss ihnen in seinem ganzen Glanz und seiner ganzen menschenfreundlichen Ungefährlichkeit gebracht werden.

Das Projekt der Moderne ist nicht vollendet, solange eine kritische Masse noch immer glaubt, der Mensch müsse nicht im Mittelpunkt auch des Wirtschaftslebens stehen, sondern der staatliche Befehl einer anmaßenden Expertenklasse. Mehr Möglichkeiten leben, mehr Möglichkeiten erkennen und mehr Möglichkeiten zulassen sind die Säulen einer freiheitlichen Gesellschaft. Denn dadurch wird nicht nur der Wohlstand aller kraft wirtschaftlicher Abläufe größer, sondern es wächst auch das Gefühl für die Notwendigkeit von Toleranz. Also dürfte wohl richtig sein, zu sagen: Handle, um deine Toleranz zu stärken!


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