14. Januar 2023 19:00

Ausländergewalt Der Zuchtmeister soll’s richten

Alles wieder beim Alten

von Thorsten Brückner

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In meiner fränkischen Heimat gehören Wirtshaus, Bier und Geselligkeit so untrennbar zum Leben dazu wie das tägliche Brot oder der Gang zum Metzger. Zumindest dachte ich das bis vor drei Jahren. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass ein Federstrich aus München oder Berlin ausreichte, um Gewohnheiten und Traditionen, die Pest und Weltkriege überdauert haben, einfach mal so zum Erliegen zu bringen. Spätestens dann, wenn man den Franken Bier und Stammtisch nimmt, werden sie aufbegehren, dachte ich immer.

Die vergangenen Jahre haben mich dann eines Besseren belehrt. Gruselig die Berichte, die mich, mittlerweile im Ausland lebend, im vergangenen Winter aus der Heimat erreicht haben. Jahrzehntelange Stammgäste, die nicht mehr ohne Impfung ins Wirtshaus durften. Kneipenbesitzer, die sich in der Rolle des verlängerten Arms des Staates sichtlich wohlfühlten. Und Polizisten, die in den heiligsten Tempeln fränkischer Bierkultur Impfausweise kontrollierten. Heimweh konnte da keines aufkommen. Franken war wie eine entstellte Leiche, die man besser in guter Erinnerung behielt, so wie sie mal gewesen war.

Die Wirte, die sich an diesem System der Ausgrenzung und Erniedrigung ihrer Gäste beteiligt hatten, war ich mir sicher, würden im Sommer ihr blaues Wunder erleben, wenn sie merken, dass ungeimpfte Stammgäste mittlerweile andere Wirtshäuser aufsuchen oder ihr Bier für weniger Geld lieber zu Hause trinken.

Auch hier lag ich falsch. Es schien fast, als könnten es die Menschen nach monatelangem Ausschluss vom öffentlichen Leben gar nicht mehr erwarten, ihr Geld wieder an die Orte tragen zu dürfen, an denen Ungeimpften im Winter 2021 als unerwünschten Personen der Einlass verwehrt wurde. Klar: Ich rede mir leicht. Ich habe nie in einem Land gelebt, wo ich einen Covid-Pass oder Testnachweis vorzeigen musste, um ein Geschäft oder ein Lokal zu betreten.

Es haben sich einfach so viele schuldig gemacht, dass man eigentlich fast nur die Schlimmsten unter ihnen, die, die sich am schäbigsten verhalten haben, boykottieren kann, um sich nicht selbst vom gesellschaftlichen Leben auszuschließen. Das ist mir alles klar. Und doch bleibt ein fader Beigeschmack. Ein Wirt, der damit rechnen kann, dass Stammgäste zurückkehren, die er zuvor monatelang wie Aussätzige behandelt hat, wird auch in Zukunft staatliche Direktiven über das Wohl seiner Gäste priorisieren.

An den Stammtischen ist also erst mal alles wieder wie immer. Und auch die politischen Diskussionen dort drehen sich, wie man hört, wieder um dieselben Themen, als hätte es den staatlichen Covid-Terror, der in Krankenhäusern, in Arztpraxen oder im öffentlichen Fernverkehr ja immer noch andauert, nie gegeben. Die Deutschen scheinen wieder zu ihrem Lieblinsthema Nummer eins zurückgekehrt zu sein: Ausländer. Anlass war im Dezember zuerst der Mord an einem 14-jährigen Mädchen in Illerkirchberg durch einen Asylbewerber aus Eritrea. Seit dem 1. Januar arbeitet man sich zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen an den Vorfällen der Berliner Silvesternacht ab. Die Deutschen, so scheint es, sind wieder in ihrem alten Rechts-links-Trott zurück und geraten sich über medial gepushte Reizthemen in die Haare – ganz so, wie von der Politik gewünscht.

Selbst Opfer der Covid-Diktatur, die mit der Brutalität des staatlichen Polizeiapparats hautnah in Berührung gekommen sind, rufen jetzt plötzlich wieder nach dem starken Staat, der Ruhe und Ordnung wiederherstellen und gefälligst mit Härte gegen ausländische Unruhestifter vorgehen soll. Erschreckend ist in diesem Zusammenhang auch die geradezu überschwängliche Solidarisierung mit Polizisten, die in der Silvesternacht durch Feuerwerkskörper Blessuren davongetragen haben.

Selbstverständlich: Gewalt gegen Polizisten ist genauso verwerflich wie Gewalt durch Polizisten. Aber ganz ehrlich: Wenn ich an die Bilder aus Berlin von Kundgebungen der vergangenen Jahre denke, als Polizisten wiederholt völlig unprovoziert zu Gewalt gegen friedliche Demonstranten (darunter übrigens auch zahlreiche Migranten) griffen und sogar auf am Boden liegende Menschen eintraten, fällt mir die Empörung über ein paar Böller, die auf ein Polizeifahrzeug geworfen werden, ziemlich schwer. Angriffe auf Feuerwehrleute, Sanitäter und Passanten müssen da einfach doch ein wenig anders bewertet werden.

Bizarr sind die Rufe nach dem starken Staat auch deswegen, weil viele jener Problemmigranten überhaupt nur dank der Aussicht auf sozialstaatliche Alimentierung ihren Weg nach Deutschland gefunden haben. Und wer ist gleich noch mal dafür verantwortlich, dass die Einheimischen diesem Phänomen schutzlos, da unbewaffnet, gegenüberstehen? Nie war der Spruch vom Bock, der zum Gärtner gemacht wird, passender.

Doch bei der überwältigenden Mehrheit der Migranten (und das trifft ausnahmslos auf jede Nationalität zu) handelt es sich eben nicht um solche Problemfälle. Das so zu betonen, hätte ich noch vor ein paar Jahren für unnötig gehalten. Es scheint aber sehr angebracht in einem Land, in dem gruppenbezogene Feindbilder im Rekordtempo wechseln und sich Hass und Ausgrenzung auf teilweise abenteuerlichen und oft unvorhersehbaren Wegen Bahn brechen.

Ich wünsche die Prügelpolizisten der Covid-Jahre jedenfalls meinem schlimmsten Feind nicht an die Gurgel. Und schon gar nicht Migranten, die der Mehrheitsgesellschaft durch ihr nonkonformes Nichtmitmachen seit 2020 immer wieder den Spiegel vorgehalten haben. Wie naiv wäre es zu glauben, dass sich ein stärkerer Polizeiapparat am Ende nur gegen tatsächliche Gewalttäter richtet? Die Schlagstöcke, nach denen man heute ruft, dreschen schon morgen auf einen selbst oder andere unschuldige Menschen ein.


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