Mietpreisdeckel: Warum nicht einfach umziehen?
Es muss nicht unbedingt das Ausland sein
Nationaler Sozialismus ist in Deutschland populär. Für eine Partei, die linke Wirtschaftspolitik mit Ressentiments gegen Zuwanderer verbindet, gab es in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten ein Potenzial, das von der herrschenden Kaste kaum ausgeschöpft und zuletzt von den Schmuddelkindern der AfD besetzt wurde. Die Gründung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat ungeachtet momentaner Schwierigkeiten diese Lücke gefüllt – eine weitere Partei mit dem Ziel, das bestehende System zu stabilisieren und Luft aus dem brodelnden Kessel der öffentlichen Meinung zu lassen. CDU, SPD und Grüne können so ihre Ausgrenzungspolitik gegen die AfD noch etwas länger durchziehen, und diese kann sich wiederum noch etwas länger als Anti-System-Opposition inszenieren.
Vor allem angesichts der Teuerung war das BSW in Sachen Systemerhaltung eine logische politische Konsequenz. Denn wenn die Preise steigen, erwartet der Deutsche entsprechende Lösungen von der Politik, die sich zunächst gut anfühlen, aber mittelfristig das Problem eher noch verschlimmern. In diese Kategorie fällt auch der jüngste BSW-Vorstoß nach einer bundesweiten Mietpreisbremse. „Wohnen in Deutschland wird immer mehr zum Verarmungsprogramm“, kritisiert Wagenknecht mit Blick auf einen Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland, wonach nur die Menschen in Griechenland und Dänemark mehr für Mieten ausgeben. Fast genau ein Viertel (25,2 Prozent) des verfügbaren Einkommens gehen zwischen Flensburg und Garmisch durchschnittlich für die Miete drauf; mit deutlichen regionalen Unterschieden natürlich. Als ich noch vor Corona in Berlin gelebt habe, habe ich dort rund 40 Prozent meines Einkommens für Wohnen ausgegeben, was natürlich sehr viel mit dem dortigen Wohnungsmarkt zu tun hat.
25 Prozent halte ich angesichts meiner persönlichen Erfahrungen aber auch angesichts des EU-Durchschnitts von 19 Prozent für keinen besonders schockierenden Wert. Doch für die linksnationalen Populisten des BSW und deren Vorsitzende erfordern diese Zahlen politisches Eingreifen. „Die nächste Bundesregierung muss einen bundesweiten Mietendeckel einführen, wieder größere Teile des Wohnungsmarktes den Regeln der Gemeinnützigkeit unterwerfen sowie dafür sorgen, dass der Wohnungsbau durch öffentliche und gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen angekurbelt und durch zinsvergünstigte Kredite gefördert wird.“
Dass solche Forderungen in Deutschland gut ankommen, hat auch mit einer sehr strukturkonservativen Einstellung zum Wohnen zu tun. Der Deutsche schlägt gerne Wurzeln. Ein Amerikaner wechselt zwischen seinem 18. und 45. Lebensjahr im Durchschnitt sechsmal den Wohnsitz, während der Deutsche laut einer Erhebung der Deutschen Annington in seinem ganzen Leben nur zweimal umzieht. Wenn dem Amerikaner die Miete zu teuer wird, zieht er woanders hin, während der Deutsche eher darauf hofft, durch das richtige Kreuzchen am Wahltag einen Wohnsitzwechsel vermeiden zu können. Natürlich ist das überspitzt und generalisierend, aber die Tendenz sehe ich ganz eindeutig. In den USA wurde die Partei, die sich für einen landesweiten Mietpreisdeckel eingesetzt hat, gerade mit Pauken und Trompeten abgewählt.
Die Probleme, die aus einer Mietpreisbremse resultieren, werden in der Debatte oft völlig ausgeblendet. Wer soll unter diesen Umständen noch Wohnungen bauen oder kaufen wollen, mit dem Ziel, diese später zu vermieten? Welcher Vermieter wird unter diesen Bedingungen noch Geld in notwendige Sanierungsarbeiten stecken, wenn er diese nicht zumindest teilweise weitergeben kann? Die Qualität des Wohnens in einem staatlich noch stärker kontrollierten Mietmarkt wird sinken, das steht für mich außer Frage. Und besonders sozial finde ich es auch nicht, wenn ein armer Pensionär, der sich durch Mieteinnahmen seine kümmerliche Rente aufbessert, diese nicht erhöhen darf, während er gleichzeitig im Supermarkt tiefer in die Tasche greifen muss.
Natürlich ist der Vergleich zwischen Deutschland und Amerika nicht ganz fair. Denn die USA sind ein viel größeres Land und überall von Washington bis Florida wird Englisch gesprochen, was die Mobilität natürlich enorm erleichtert. Auch als deutschem Staatsbürger steht einem fast ein ganzer Kontinent offen, wo man sich relativ einfach und ohne den Erwerb komplizierter Aufenthaltsgenehmigungen niederlassen kann. Allerdings scheitert dies für viele auch an Sprachbarrieren, die Amerikaner auf ihrem Kontinent so nicht kennen.
Ich gehöre zu denen, die Deutschland unter anderem, aber nicht in erster Linie wegen der hohen (Miet-) Preise verlassen haben. Meine Frau und ich hatten zwischenzeitlich mit einer Wohnung in Berlin geliebäugelt, dies jedoch mit Blick auf die dortigen Mieten schnell wieder verworfen. Heute zahlen wir für unsere 90 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung im Herzen Sofias etwas weniger als ich damals am Stadtrand von Berlin für mein 35-Quadratmeter-Studio-Apartment. Wer ein Auto hat und bereit ist, die Sprache zu lernen, dem stehen noch mehr Möglichkeiten offen. Eine vergleichbar große Wohnung geht im ländlichen Bulgarien immer noch für unter 400 Euro über den Tisch. Übrigens: Je nach Region auch in Ungarn und Rumänien.
Doch wer mit Blick auf die hohen Mietpreise ans Auswandern denkt, tut gut daran, einen Moment innezuhalten. Natürlich sind Fixkosten wie Miete und Strom ein wichtiger Faktor. Doch bevor man aus finanziellen Gründen seinen Wohnsitz ins vermeintlich günstigere Ausland verlagert, macht es durchaus Sinn, sich Gedanken darüber zu machen, welche Produkte man regelmäßig braucht und kauft. Es sind immer die Preise des ganz persönlichen Warenkorbs, die es zu vergleichen gilt, nicht nationale Durchschnittswerte. Denn nicht alles ist in Südosteuropa billiger. Im Supermarkt kauft man jedenfalls meiner Erfahrung nach in keinem europäischen Land preiswerter ein als in Deutschland.
Ich habe übrigens nie verstanden, warum Menschen so gerne in Großstädten wohnen, vor allem zu einer Zeit, in der sie es dank Remote Work nicht mehr unbedingt so zahlreich müssten. Und das sage ich, obwohl ich in den vergangenen Jahren selbst in Großstädten wie Zagreb, Budapest, Tirana und Sofia gelebt habe. Im Ausland zu leben ist das eine, aber zusätzlich ohne den Komfort einer Großstadt in einem Land, dessen Sprache man nicht spricht, ist noch mal etwas völlig anderes und ich habe großen Respekt vor all jenen Menschen, die diesen Schritt gehen und dann auch durchziehen. Das gilt auch und im Besonderen für Ausländer, die sich das ländliche Deutschland zutrauen, was allgemein unter Expats als eines der schwierigsten Pflaster weltweit gilt.
Umziehen ist auch deswegen besser, als auf eine Mietpreisbremse zu hoffen, weil man dabei selber den Fahrersitz des eigenen Lebens einnimmt, anstatt passiv auf fremde Hilfe zu hoffen, die noch dazu mit Zwang durchgesetzt werden müsste. Im Übrigen zeigt die Erfahrung aus Berlin und anderen Städten, dass die Mietpreisbremse noch nicht einmal die beabsichtigten Ziele erfüllt. Vor allem zwischen Neu- und Bestandsmieten ist dort die Kluft größer denn je. Keine guten Aussichten, in Zukunft bezahlbaren Wohnraum in deutschen Städten zu finden. Da passt übrigens auch ins Bild, was der wohl künftige Bundeskanzler Friedrich Merz, dessen CDU auf Länderebene bereits Bündnisse mit dem BSW eingeht, über den argentinischen Präsidenten Javier Milei verlauten ließ, der bei aller berechtigten Kritik zumindest mit der Liberalisierung des Wohnungsmarkts einen guten Job gemacht zu haben scheint. Mit Blick auf FDP-Chef Christian Lindner, der sich im Wahlkampf jetzt plötzlich wieder als Anhänger der Marktwirtschaft präsentiert und „Mehr Milei wagen“ postuliert, sagte Merz, er sei „völlig entsetzt“ gewesen. „Was dieser Präsident dort macht, ruiniert das Land, tritt die Menschen mit Füßen.“ Sozialisten sind sie halt in Deutschland alle!
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