30. November 2024 22:00

Zollankündigung in den USA „Tariff man“ will’s noch mal wissen

Maga macht die Waren teurer

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Below the Sky / Shutterstock Donald Trump: Kündigt Zölle gegen „illegale Einwanderung“ an

Als „nationale Mehrwertsteuer“ bezeichnete Kamala Harris im Wahlkampf die Ankündigung Trumps, Zölle auf fast alle mexikanischen und kanadischen Produkte erheben zu wollen. Damit traf Harris ins Schwarze. 45 der 50 Bundesstaaten haben eine Umsatzsteuer. Nur 13 davon erheben sie auf Nahrungsmittel. Eine landesweite Umsatzsteuer gibt es nicht. Zumindest nicht unter diesem Namen. Denn freilich verteuern die auf nationaler Ebene erhobenen Zölle für ausländische Güter diese Produkte unterschiedslos von Kalifornien bis Maine. Und was sind Zölle am Ende anderes als Steuern?

Dass Harris mit dieser Warnung nicht punkten konnte, hat vor allem zwei Gründe. Da wäre zum einen die mangelnde Glaubwürdigkeit der Demokratischen Partei, aber auch ganz persönlich die der Vizepräsidentin aus Kalifornien, die sich beide in der Vergangenheit nicht gerade einen Namen durch niedrige Steuern und Fiskaldisziplin gemacht haben. Biden giftete im Wahlkampf 2020 gegen die wirtschaftsfeindliche Zollpolitik Trumps gegenüber China, nur um diese dann zu übernehmen und sogar noch darüber hinausgehende Einfuhrsteuern auf chinesische Güter zu verhängen. Doch viel verblüffender finde ich, dass den Anhängern Trumps dieses „Wahlkampfversprechen“ ihres Helden entweder egal war oder sie nicht so richtig verstanden haben, was höhere Zölle ganz konkret mit dem eigenen Geldbeutel zu tun haben. Dies würde auch durch eine Harris-Poll-Umfrage im Auftrag des „Guardian“ gestützt, wonach 47 Prozent der republikanischen Wähler glauben, Zölle würden von ausländischen Regierungen bezahlt werden. Wie kommen sie auf diesen Gedanken? Ganz einfach: Ihr Messias hat es ihnen im Wahlkampf eingetrichtert. „Zölle werden euch nichts kosten, sie kosten anderen Ländern“, sagte Trump wiederholt. Wäre Trump auch damit davongekommen, hätte er angekündigt, seine Administration werde das meiste Obst im Supermarkt um 25 Prozent teurer machen? Immerhin hat die überwiegend impfkritische Maga-Crowd ja auch Trumps Prahlerei, er sei verantwortlich für die schnelle Bereitstellung des Covid-Impfstoffes, vergeben und vergessen. 

Nun hat Trump seine Forderung erneuert. Damit wolle er die Regierungen beider Staaten unter Druck setzen, härter gegen illegale Einwanderung und Drogenschmuggel vorzugehen. Zur Erreichung beider Ziele scheinen Maga-Fans bereit zu sein, in Zukunft tiefer für Produkte des alltäglichen Lebens in die Tasche zu greifen, auch wenn man stark bezweifeln darf, dass Strafzölle gegen Kanada und Mexiko (die noch dazu ein Verstoß gegen das von Trump persönlich unterschriebene Freihandelsabkommen wären) die erwünschte Wirkung erzielen. Ebenso wenig wie Drohungen, im Zweifel militärisch gegen Mexiko vorzugehen.

Warum sind „illegale Einwanderung“ und Drogenschmuggel einem in ärmlichen Verhältnissen lebenden Trump-Unterstützer aus Appalachia oder dem Rust Belt, der ja ohnehin schon unter der massiven Teuerung überproportional zu leiden hat, wichtiger, als sich im Supermarkt günstig mexikanisches Obst oder vielleicht auch ein in Mexiko gefertigtes billiges Auto kaufen zu können? Zumal der durchschnittliche Hillbilly auch zunächst einmal wenig von Trumps angekündigten Steuersenkungen profitieren dürfte. Ich frage mich, wie viele Trump-Wähler durch sogenannte illegale Einwanderer oder Drogenschmuggler je einen konkreten Schaden erlitten haben oder ob die aufgeblasene Bedeutung dieser Themen nicht eher etwas mit einer über die Medien ganz bewusst transportierten Angstagenda zu tun hat? Die meisten Amerikaner profitieren doch – entgegen Trumps Propaganda, wonach lateinamerikanische Einwanderer hart arbeitenden Amerikanern die Jobs wegnehmen – von „illegalen Einwanderern“. Dass diese in bestimmten Berufsfeldern einen Vorteil dadurch haben, dass sie weder krankenversichert sind noch anderweitig Anspruch auf Sozialleistungen haben, kann man ihnen nun wirklich nicht zum Vorwurf machen. Genauso wenig wie ihre zumeist untadelige Arbeitsmoral.

Auch China will Trump in Zukunft noch stärker an den Kragen. Einfuhrzölle von 60 Prozent strebt Trump gegenüber Amerikas letztem verbliebenen geopolitischen Kontrahenten an. China kann sich dagegen nur punktuell (vor allem im Bereich der Landwirtschaft) wehren, einfach weil die USA so viel mehr aus China importieren als umgekehrt. Doch die China-Zölle sind auch ein schönes Beispiel dafür, warum Trumps Versprechen, dadurch amerikanische Arbeitsplätze zurückzuholen, einem Realitätscheck nicht standhält. 40 Prozent aller chinesischen Einfuhrgüter werden erst in den USA weiterverarbeitet. Besteuert man diese Produkte, schadet man nicht nur den Konsumenten, sondern auch den heimischen Unternehmen. Im Übrigen zeigen auch die Zahlen aus der Stahlindustrie wie wenig sich der Amerikaner von dem Versuch, über Zölle amerikanische Jobs zu retten, versprechen sollte. Trotz Trumps Stahlzöllen ist die Zahl der Beschäftigten dort gegenüber 2018 sogar noch um einige weitere Tausend gesunken und damit auf einem historischen Tiefstand. Mexiko hat übrigens bereits angekündigt, seinerseits mit Einfuhrzöllen reagieren zu wollen. Wenn Regierungen Zollkriege führen, leiden immer nur die Menschen. Wie man in diesem Zusammenhang glauben kann, Trumps Erfolg sei ein Sieg für die einfachen Leute, ist mir schleierhaft. 

Laut der US-Verfassung ist alleine der Kongress für internationalen Handel zuständig. Doch seit dem „Reciprocal Trade Agreement Act“ von 1934 hat die Legislative die Zollpolitik mehr oder weniger geräuschlos immer wieder in die Hände des Präsidenten gelegt. Internationale Handlungsfähigkeit und Flexibilität in den außenpolitischen Beziehungen werden hierfür oft als Grund genannt. Wäre Trumps Ankündigung eines Zollstreits mit anderen Ländern nicht eine gute Gelegenheit für den Kongress, sich diese Befugnisse zurückzuholen? Kentuckys Senator Rand Paul will genau dies derzeit mit seinem „No Taxation Without Representation Act“ erreichen. Dies würde ein Kernprinzip amerikanischer Regierungsführung wiederherstellen, so der Sohn des libertären ehemaligen Präsidentschaftskandidaten und Kongressabgeordneten Ron Paul. „Unkontrollierte Handlungen der Exekutive, die Zölle verhängt und damit unsere Bürger besteuert, bedrohen unsere Wirtschaft, erhöhen Preise für alltägliche Güter und bringen das System der gegenseitigen Kontrolle, das unsere Gründer so sorgfältig geschaffen haben, zum Einsturz.“ Die Chance, dass sich demokratische Senatoren dem anschließen, wenn es gilt, Trumps Befugnisse zu beschneiden, ist gar nicht mal so gering. 

Sich auf die Gründerväter zu berufen, ist beim Thema Zölle allerdings ein zweischneidiges Schwert. George Washington war Protektionist und sogar Thomas Jefferson hat während und nach seiner Präsidentschaft seinen früheren Freihandelsüberzeugungen öffentlich abgeschworen. Blickt man auf die Geschichte der USA zurück ist eine Pro-Freihandelshaltung der Regierung eher die Ausnahme. Der heute von vielen, im staatlichen Schulsystem indoktrinierten, geschichtsblinden Amerikanern als Nationalheld verehrte frühere Präsident Abraham Lincoln sagte einmal: „Gebt uns Schutzzölle und wir werden die größte Nation auf Erden sein.“ Das sahen die Menschen im Süden bekanntlich etwas anders. Als einer der freihandelaffinsten Präsidenten gilt mit Grover Cleveland dann auch nicht ganz zufällig ein Demokrat, der mit Trump gemeinsam hat, dass er erst abgewählt wurde und vier Jahre später wieder ins Weiße Haus einziehen durfte. Anders als Trump gewann Cleveland seine erneute Wahl 1892 allerdings mit scharfen Attacken gegen den protektionistischen Kurs des republikanischen Amtsinhabers Benjamin Harrison, dem er vier Jahre zuvor noch unterlegen war.

Für Trump sind Zölle nicht nur eine Möglichkeit, amerikanische Unternehmen zu unterstützen, die auf dem heimischen Markt nicht mit ausländischen Produkten konkurrieren können, oder eine Option der außenpolitischen Kriegführung mit anderen Mitteln. Laut Trump befördern Zölle („das schönste Wort im Wörterbuch“) gar den Weltfrieden. Eine starke Aussage, wenn man bedenkt, wie vielen Kriegen Streitigkeiten um Zölle vorausgegangen sind, darunter eben auch die Aggression des Nordens gegen den Süden im eigenen Land zwischen 1861 und 1865. Nach William McKinley ist Trump übrigens der zweite Präsident, der sich selbst als „tariff man“ bezeichnet. Es bleibt, vor allem im Interesse des gesellschaftlichen Friedens im Land zu hoffen, dass Trump ein friedvolleres Ende beschieden sein wird als seinem Spitznamensvetter.


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