17. Januar 2023 19:00

Steuererhöhung und Vermögensabgabe Eine Vermögensabgabe ist nicht gerecht, sondern unsozial

Wieso Politiker per saldo keine Steuern zahlen

von Andreas Tiedtke (Pausiert)

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Ein hochrangiger deutscher politischer Funktionär behauptete unlängst, eine Vermögensabgabe oder eine Vermögenssteuer müssten geprüft werden, da Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen in der gegenwärtigen Situation in den Mittelpunkt rückten. Es ginge auch darum, Solidarität und Zusammenhalt zu stärken. Zudem müsse die Infrastruktur ausgebaut werden. Gründe über Gründe. Und Funktionäre einer weiteren Partei möchten den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer erhöhen – und eine „befristete“ Vermögensabgabe.

Da dies eine praxeologische Kolumne ist, wollen wir es heute genauer wissen. Zunächst wieder die Einordnung, ob es sich bei der Einkommen- oder Vermögensteuer handlungslogisch um eine feindliche Handlung handelt, die insofern unsozial wäre, als einer etwas auf Kosten und zu Lasten des anderen erhält und dabei Zwang als Mittel eingesetzt wird, um an den Besitz des anderen zu gelangen. Das ist zweifelsohne der Fall. In der juristischen Ausbildung benannte man „Zwangsabgaben“ ganz offen als solche und man unterschied die verschiedenen Arten in Steuern, Beiträge und Gebühren. Mittlerweile gibt es auch noch schillerndere Namen wie etwa „Umlagen“.

Wer die Abgaben nicht entrichtet, wird mit den üblichen Zwangsmitteln eben dazu gezwungen, also Zwangsgeld, Zwangshaft und „unmittelbarer Zwang“, also letztlich Gewalt. Ökonomisch ergibt sich durch Zwangsabgaben eine sogenannte Pareto-Verschlechterung, das heißt, einige Beteiligte werden im Hinblick auf ihren Besitz schlechter gestellt zugunsten anderer, die bessergestellt werden. Das Ergebnis ist eine „Win-lose“-Situation: Einige gewinnen auf Kosten anderer.

Bei einer freiwilligen Austauschbeziehung ergibt sich dagegen stets ein neues Pareto-Optimum, das heißt alle Beteiligten werden bessergestellt. Es kommt denknotwendig zu einer „Win-win“-Situation, ansonsten würden die Menschen den Austausch nicht freiwillig durchführen. Der Mensch handelt, weil er sich eine Verbesserung seiner Situation gegenüber einer vorgestellten Situation verspricht, in welcher er die Handlung – also hier: den Austausch – nicht vorgenommen hätte. Das ist a priori so.

Wir können also Handlungen, bei denen ein neues Pareto-Optimum erzielt wird („Win-win“-Situation) als sozial bezeichnen, weil keiner der Beteiligten Schaden nimmt – im Gegenteil. Eine Handlung, bei der Zwang als Mittel eingesetzt wird, um eine Pareto-Verschlechterung betreffend den Besitz zu erzielen („Win-lose“-Situation), ist in dem Sinne unsozial, da das, was der eine erhält, dem anderen abgenötigt wird.

Dabei ist Zwang keinesfalls erforderlich, um etwa Bedürftige zu unterstützen oder Güter „für die Allgemeinheit“ zur Verfügung zu stellen. Es gibt die Möglichkeiten der Mildtätigkeit, etwa zu schenken oder zu spenden, oder man kann einen Austausch anbieten, etwa eine Arbeitsstelle. Und Anlagen und Straßen und dergleichen können von denjenigen errichtet werden, die hierin einen überwiegenden Nutzen für sich und andere sehen und daher zur Finanzierung bereit sind. Dass es Zwang bedürfte, um dies Ziele zu erreichen, ist ein sogenannter „non sequitur“, also ein logischer Fehlschluss. Wenn ich beispielsweise einen Portugiesen Fahrradfahren sehe, kann ich daraus nicht schließen, dass „nur“ Portugiesen Fahrradfahren können.

Das Ziel „soziale Gerechtigkeit“ lässt sich mit Zwangsabgaben also handlungslogisch nicht erreichen, denn „sozial“ (also besser für „alle“ Beteiligten oder für „die Gesellschaft“) ist ein Handeln nicht, das unter Einsatz von Zwang zu „Win-lose“-Situationen führt. Zudem steckt in dem Wort „Gerechtigkeit“ der Begriff „Recht“ und Recht ist handlungslogisch, was die Parteien als ihnen recht vereinbaren. Es ist die wechselseitige Beschränkung der Handlungsfreiheit (Verpflichtung), bei der korrespondierend beim anderen ein Recht als Spiegelbild der Pflicht entsteht. Recht ist dem Handeln nicht vorausgesetzt, sondern es entsteht erst durch Handeln, durch normative Interaktion, in der die Parteien einander kommunizieren, was „sein soll“.

Einseitig kann Recht nicht diktiert werden unter Androhung von Zwang, weil Zwang der unterworfenen Partei gerade nicht recht ist. Aus der subjektiven Wertperspektive ist es unrecht, also Unrecht. Nichtsdestotrotz bezeichnen Rechtspositivisten unterschiedslos auch das als Recht, was als Anordnung einseitig „gesetzt“ worden ist. Immanuel Kant (1724–1804) sprach in diesem Zusammenhang von einem staatlichen Befehl. Aber dieses Konzept ist fehlerhaft, weil es den Schlussfolgerungen der Handlungslogik, also der Praxeologie widerspricht. Zwang und Recht sind im Hinblick auf die Mittel (Drohung / Vereinbarung) und die Folgen („Win-lose“-Situation / „Win-win“-Situation) zwei Paar Stiefel.

Ein weiterer Punkt ist, dass in einer Marktwirtschaft das Vermögen der Unternehmer mittelbar im Dienste der Konsumenten steht. Bei reichen Bürgern besteht das Vermögen ja nicht hauptsächlich aus Bargeld oder einer Luxusjacht, sondern vor allem aus ihren „Assets“. Das Vermögen ist mittelbar gebunden in Anlagen, Fabriken, Know-how, Prozessen und dergleichen. Und zwar deshalb, weil die Kunden sämtliche Aufwendungen der Unternehmer über die Preise bezahlen müssen. Ansonsten erleidet der Unternehmer Verluste und in der längeren Perspektive wird er insolvent und sein Kapital kommt – aus Sicht der Verbraucher – in bessere Hände, nämlich in die Hände derjenigen Unternehmer, die besser entsprechend den Kundenwünschen produzieren. In der Marktwirtschaft, bei freundlichen Austauschbeziehungen, ist der Kunde also insofern „König“, als die Unternehmer nach seinen Wünschen produzieren müssen, weil der Kunde die Finanzierung der Produkte und Leistungen schadensfrei ablehnen kann.

Anders im Bereich der erzwungenen Austauschbeziehungen. Hier ist der Produzent „König“ in diesem Sinne. Die Fernsehsender, deren Finanzierung der Betroffene nicht schadlos ablehnen kann, können nach ihren eigenen Vorstellungen produzieren. Sie müssten dann nach den Vorstellungen der Betroffenen produzieren, wenn diese die Finanzierung schadensfrei ablehnen könnten. So wissen wir nur, dass die Betroffenen die Finanzierung gegenüber dem Übel der angedrohten Zwangsmittel vorziehen, aber nicht, ob ihnen das Fernsehprogramm auch das wert ist, was sie dafür hergeben (müssen).

Kommt also das Kapital durch eine Vermögensabgabe oder Steuer von der Hand der Unternehmer in die Hände von Produzenten, die ihre Produkte und Leistungen mit Zwang finanzieren, dann erhalten die Verbraucher nicht mehr von den von ihnen erwünschten Gütern, sondern weniger. Es wird ja nicht mehr Kapital geschaffen durch eine Vermögensabgabe, sondern das Vermögen kommt lediglich in andere Hände. In ihrer Rolle als Verbraucher schneiden sich die Wortführer einer Vermögensabgabe also ins eigene Fleisch.

Bei der progressiven Einkommensteuer ist die Sachlage ähnlich. Derjenige, der die höchsten Gewinne erzielt, wird von den Verbrauchern dafür belohnt – staatliche Markt-Interventionen einmal hinweggedacht –, dass er besser nach ihren Wünschen produziert als seine Mitbewerber. Und hohe Gewinne zeigen auch an, dass hier ein Geschäft zu machen ist, weshalb Kapital in diesen Bereichen investiert wird und es so zu Kostensenkungen und Gewinnschmälerungen kommt. Aus der Sicht der Verbraucher eine gute Sache. Werden nun durch einen höheren Spitzensteuersatz den aus Verbrauchersicht besseren Produzenten Mittel entzogen, so stehen diesen eben weniger Mittel zur Befriedigung der Konsumentenbedürfnisse zur Verfügung. Dafür werden mehr Produkte nach dem Willen der politischen Akteure produziert, die nicht auf die Zustimmung der Konsumenten angewiesen sind, sondern lediglich dafür sorgen müssen, dass die angedrohten Zwangsmaßnahmen den Betroffenen mehr zuwider sind als das Zahlen der Zwangsabgaben.

Und zu guter Letzt zahlen Politiker per saldo keine Steuern. Sie zahlen zwar Steuern, aber da sie mehr aus dem Steuertopf herausnehmen – nämlich ihr gesamtes Einkommen –, als sie durch Steuern und andere Abgaben wieder hineinlegen, zahlen sie per saldo keine Steuern, sondern leben von Steuern. Wirklich Steuern zahlen nur die sogenannten „Netto-Steuerzahler“, also diejenigen, die mehr Steuern bezahlen als sie aus dem Steuertopf wieder herausbekommen durch staatliche Leistungen oder durch staatliche Aufträge oder dergleichen. Die Netto-Steuerzahler sind mittlerweile eine „gefährdete Minderheit“. Sämtliche staatlichen Ausgaben und die Staatsschulden müssen alleine von dieser Gruppe geschultert werden, da all diejenigen, die mehr aus dem Steuertopf herausnehmen, als sie wieder zurücklegen, logischerweise per saldo nichts zum Steueraufkommen und zur Schuldentilgung beitragen.

Aus der Sicht der Netto-Steuerempfänger, also derer, die per saldo von Steuern profitieren, sind höhere Steuern und Vermögensabgaben also prinzipiell kein Übel, sondern ihre Einkommensquelle wird aufgepäppelt. Es bleibt mehr für den Eigenverbrauch und fürs Weiterreichen an die eigene Klientel. Das ist zwar unsozial, insofern es sich um eine Pareto-Verschlechterung handelt („Win-lose“-Situationen), aber es ist eine geläufige Art des Handelns.

Die Praxeologie ist als „die Wissenschaft von der Logik des Handelns“ im Übrigen wertfrei. Das heißt, aus ihr – wie aus allen anderen Wissenschaften – folgt nicht, was getan werden sollte. Es gibt keine Wissenschaft von etwas, das sein sollte. Die Wissenschaft beschreibt, was ist, nicht, was sein sollte. Und die meisten Menschen – so wie es sich gerade verhält – wünschen sich eben „politisches Unternehmertum“, also dass Austauschbeziehungen erzwungen statt vereinbart werden, auch und gerade dann, wenn die Benachteiligten sich selbst friedlich verhalten. An diesem Umstand wird sich erst etwas ändern, wenn Menschen friedliebendere Haltungen zu sich und zu ihren Mitmenschen entwickeln, wenn sie also etwa begreifen, dass Wirtschaft kein Nullsummenspiel und der Mensch dem Menschen nicht notwendigerweise ein Wolf ist. Warum Menschen feindselige Haltungen gegenüber sich und der Welt haben und wie diese geändert werden können, das habe ich in meinem Aufsatz „Nichts ist so eindeutig, dass es sich nicht umdeuten ließe“ beschrieben, den Sie unten bei den Quellenangaben finden, und in meinem Buch „Der Kompass zum lebendigen Leben“.

Quellen:

Steuerkonzept, Tempo bei Infrastrukturausbau: So will sich die Kanzlerpartei im neuen Jahr profilieren (Tagesspiegel)

Vermögenssteuer? SPD und Grüne betreiben Sabotage an unserer Wirtschaft (Focus)

Grüne wollen Spitzensteuersatz erhöhen (WELT)

Der Etatismus beruht in Wirklichkeit auf einem Non sequitur (Ludwig von Mises Institut)

Andreas Tiedtke: Interview zum Buch „Der Kompass zum lebendigen Leben“ (Ludwig von Mises Institut)

Andreas Tiedtke: Nichts ist so eindeutig, dass es sich nicht umdeuten ließe (Ludwig von Mises Institut)

Andreas Tiedtke: Der Kompass zum lebendigen Leben (FinanzBuch Verlag)


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