Guter Einkauf: IKEA: Immer noch ein Zuhause
Der Kunde bleibt im Zentrum
von David Andres
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Ich gebe es zu, ich bin anfällig für Gutscheine. Für Rabattcoupons und Angebote mit Deadline. Der letztmögliche Termin, die fünf Euro einzulösen, die man beim Kauf eines Weihnachtsbaums auf dem Parkplatz von IKEA im Dezember erhält, ist allerdings noch eine Weile hin. Bis März dürfte ich mir Zeit lassen, doch ich schlendere bereits heute durch das schwedische Einrichtungshaus, das mir seit der Jugend, seit der zweiten eigenen Wohnung, ein Zuhause geworden ist. Die erste stoppelte und zimmerte ich mir übrigens aus Resten und Sperrmüll zusammen, aus Möbeln und Teilen, die andere verschenken, aus Paletten, die zu Tischen wurden und Sofas, die ich eigenhändig flickte. Es sollte dies eine Initiationsritus für junge Männer werden, doch dies wäre Thema für einen anderen Text.
Wir waren bei IKEA, bei Musterzimmern, durch die man wandelt, als beträte man fremde Wohnungen, so gut und glaubwürdig sind sie gemacht. Nicht einmal die Bücher in den Regalen sind mehr Attrappen, sondern alles vollständige schwedische Romane. Hier und da lege ich mal ein Exemplar von eigentümlich frei auf ein Schausofa oder in das Dokumentenfach eines Schreibtischs, in ein Bücherregal habe ich mal das doppelte Exemplar eines Stefan Blankertz geschoben. In der Pflanzenabteilung fühle ich mich animiert, alles zu begrünen, durch die Küchenzubehörecke komme ich nicht ohne frische Schneidbrettchen, durch die letzten Meter, das Klischee trifft zu, nicht ohne Kerzen – und durch den Vorraum der Kassen nicht, ohne mir den Hot Dog in Selbstbauweise zu gönnen.
Was ich an IKEA liebe, das ist seither, wie sie weiterhin etwas pflegen, was in der Marktwirtschaft ganz normal sein sollte, aber selten geworden ist – maximale Orientierung an den Bedürfnissen des Kunden. Sie geben sich Mühe mit den griffigen Namen ihrer Produkte, manchmal zu kindlich, aber was soll’s? Die Preise haben sie schon lange auf glatte Summen gerundet und uns damit die Würde zurückgegeben, nicht das suggestive Spiel mit den 99 Cent hinter der nächstniedrigeren Zahl vor dem Komma weiter mitspielen zu müssen. Ihre ökologischen Errungenschaften haben sie immer mal wieder betont, lange schon, bevor es ein Trend war, eine Ideologie. Ihre Werbespots gehören seit jeher zu den besten, in die Champions League, die Europa League mindestens, wenn auch deutlich hinter dem unerreichbaren Meister Hornbach. Intern lässt sich in einer aktuellen Meldung lesen, dass sie eine der wenigen „Diversitäten“ praktizieren, die tatsächlich Sinn ergibt. Wie das Handelsblatt berichtet, setzt IKEA „auf altersgemischte Teams“, rund „ein Drittel der Beschäftigten des Möbelhauses hierzulande ist über 50 Jahre alt“. Das Unternehmen wertet Erfahrung hoch, schätzt „die ruhige Hand“, betreibt diese Politik nicht aus Korrektheit oder Quotendruck, sondern weil es ihnen etwas bringt.
Der Stadtblog „Karlsruhe Insider“ erschreckt den libertären Geist derweil mit einer Clickbait-Überschrift – den geliebten Hot Dog am Ende des Einkaufs könne es bald nur noch in der veganen Variante geben. Liest man genauer, stellt man fest, dass es beim Unternehmen keine zentrale Anweisungspolitik gibt, sondern jede Filiale selber entscheidet, wie sie die Breite ihres gastronomischen Angebots aufstellt. Dezentralisierung und Eigenverantwortung also sowie eine Aufstellung des Angebots anhand der tatsächlichen Nachfrage.
Ein Wermutstropfen: Als es in der Hochzeit des Impfwahns Mitte bis Ende 2021 auch eine tatsächliche Nachfrage der Menschen nach schnellen, unkomplizierten Impfungen gab, platzierten einzelne Filialen auf dem Parkplatz mobile Impfstationen – und verschenkten teils sogar für jeden Stich einen Gutschein. So wie den, den ich gerade vom Weihnachtsbaumeinkauf eintausche. Ich kann das vergeben in diesem Fall, zu viel haben sie bei mir gut, sind immer noch für mich als Kunden – ein Zuhause.
Quellen:
Von wegen altes Eisen (Handelsjournal)
„Es fehlt“: Riesen-Enttäuschung bei IKEA-Restaurant für Kunden (Karlsruhe Insider)
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