Personalprüfung zu Cristiano Ronaldo: Ein Ende mit Schrecken
CR7 wird Gallionsfigur von Saudi-Arabien
von David Andres
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Als Werbetexter, Redakteur und Ghostwriter bin ich von Natur aus ein Freund guter Geschichten. Geschichten, die sich am Ende gerne romantisch auf den Anfang runden dürfen. Geschichten, die eine Prämisse bestätigen, welche sich über den gesamten Plot angedeutet hat und dann unterm Strich sauber aufgeht. Geschichten, die einem mit dem Gefühl von Harmonie und Stimmigkeit wieder in den Alltag entlassen.
Der Profisport schreibt viele solcher Geschichten. Nicht, weil sie jemand geskriptet hätte, sondern weil seine Protagonisten ein Gespür dafür haben, wie sie ihre sportliche Heldenreise würdevoll zu Ende bringen können. Sicher, für viele Fußballliebhaber war es ein schräger Bruch im Plot von Lionel Messi, dass er den FC Barcelona tatsächlich verließ und nun seit 2021 bei Paris St. Germain spielt. Wobei es wiederum eine gewisse grimmige Stimmigkeit hat, dass dieser Club den Kataris gehört, bei deren Weltmeisterschaft Messi seine Karriere im sportlich besten Finale aller Zeiten gekrönt hatte, mit dem Titel gegen Frankreich und somit gegen seinen Vereinskollegen und die wohl derzeitige Nummer 2 der weltbesten Kicker, Kylian Mbappé. Es geht mir somit nicht um die generelle Verwerflichkeit der heutigen Fußballfinanziers, die allerorten an den längst nicht mehr jägergrünen Stammtischen ertönt, wenn ich die Personalprüfung dieser Woche nutze, um darüber zu klagen, wie unstimmig, disharmonisch und zutiefst unbefriedigend der weitere große Weltfußballer Cristiano Ronaldo seine Geschichte gerade gestaltet.
Es bildet in keinerlei Hinsicht eine gute Geschichte, dass CR7 seine Karriere nun in der saudi-arabischen Liga beim Verein Al-Nassr ausklingen lässt – und bei der Vorstellungskonferenz allen Ernstes sagt, diese sei „nicht zu Ende“ und die Aufgabe böte ihm „neue Herausforderungen“. Sportlich sind diese Sätze selbstverständlich hanebüchen, die Herausforderung im Lande selbst wären vergleichbar damit, dass der ehemalige Fußballkönig in der deutschen 3. Liga angeheuert hat, um 1860 München zu altem Ruhm zu führen oder Viktoria Köln zu neuem. Tatsächlich haben die Saudis die Rekordsumme von bis zu 500 Millionen bei Spielbetrieb bis 2025 hingelegt, um Cristiano Ronaldo zum Botschafter für ihr Land zu machen, zur Triebfeder einer angedachten WM im Jahre 2030 nach dem Vorbild Katars, allerdings gemeinsam ausgerichtet mit Ägypten und Griechenland. Saudi-Arabien ist bereits jetzt ein Weltmeister des Sportswashing, Ausrichter der LIV-Profigolfserie, von WM-Boxkämpfen, der Formel 1 oder den asiatischen Winterspielen 2029, Investor und Besitzer auch des britischen Traditionsclubs Newcastle United, gegen alle Proteste der Fans und somit letztlich der Kernkundschaft.
Ich gönne. Nicht, dass wir uns missverstehen. Ich gönne jedem seine Kohle, in jedweder Höhe, wenn er klug war, ein guter Geschäftsmann, sein Pfund und sein Momentum nutzend. Aber Gallionsfigur für einen Staat, eine Gesellschaft, die das Maximum an Illiberalität darstellt, die den Wahhabismus in die Welt gebracht? Das ist ein furchtbares Finale für eine Heldenreise im Sport, wenn man bedenkt, wie CR7 sie ebenfalls hätte zu Ende bringen können – mit einer Rückkehr zu seinem Heimatverein Sporting Lissabon, einer Rundung der Geschichte zurück auf den Anfang.
Eine nette Pointe hat Ronaldo uns bei der Pressekonferenz zur Ankunft in Saudi-Arabien allerdings noch beschert. Er sei froh, nun „in South Africa“ zu sein, hat er gesagt, es war etwas genuschelt, etwas knorpelig im Klang, aber alle haben es gehört. Ein neuer Klassiker der Fußballer-Bonmots, fast auf dem Level von Andy Möllers ganz großem Spruch von 1992: „Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien!“
Quellen:
Sorgt Ronaldo für WM-Hammer? (Sport1)
Die Scheich-Marionette Cristiano Ronaldo (FAZ)
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