31. Januar 2023 13:00

Wir erinnern uns Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete

Bereit, weil Ihr es seid

von Christian Paulwitz

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Wie hat man uns seinerzeit noch mal Demokratie erklärt: Da ist also ein konstruiertes Kollektiv, das man einmal das „Volk“ nannte, oder heute besser das „Staatsvolk“, damit es nicht so uneingeschränkt völkisch klingt. Oder vielleicht auch die „Bevölkerung“ – das klingt noch ein bisschen wabbelig-unbestimmter und damit interpretierbarer – Macht ist die Durchsetzung der Deutungshoheit. Bleiben wir also beim „Staatsvolk“ – ein abstraktes Konstrukt, das in der Demokratie zum Souverän erklärt wird, obwohl es nicht fühlen, denken und handeln kann, weil es kein Individuum mit Verstand und freiem Willen ist. Damit man das Konstrukt dennoch als handlungs- und entscheidungsfähig darstellen kann, erklärt sich eine Gruppe von Menschen für legitimiert, im Namen des Konstrukts zu entscheiden und zu handeln, und sie leiten diese Legitimation durch einen Vorgang ab, den sie „Wahl“ nennen. 

Es handelt sich um einen mystischen Prozess. In diesem findet vorgeblich die Übertragung einer unendlichen Vielzahl unterschiedlicher individueller Vorstellungen, Wünsche, Lebensentwürfen, Gedanken, Grundsätze, Überzeugungen, Hoffnungen und vielleicht auch Ängsten auf den Willen weniger statt. Durch Ankreuzen zum gegebenen Zeitpunkt erhält eine Gruppe mit Namen von in der Regel dem „Wähler“ persönlich völlig unbekannten Personen, über die er allenfalls Geschichten gehört hat, von da an für eine bestimmte Anzahl von Jahren das Ansehen als Repräsentation des Mehrheitswillens der Individuen in unzähligen Detailfragen. – Dies schlüssig noch eingehender zu erläutern, hätte ich jetzt gewisse Schwierigkeiten, also belassen wir es vorläufig dabei, dass es eben ein mystischer Prozess ist. Da entzieht sich eben das eine oder andere dem Verständnis des normal Sterblichen.

Um die Individuen dazu zu bringen, sich mit den zur Wahl gestellten Personengruppen zu identifizieren, werden Parteiprogramme geschrieben, von denen manche annehmen, dass es sich um Grundzüge von Vorhaben handelt, mit deren Umsetzung man sich durch Wahl der Gruppe einverstanden erkläre. In diesem Sinne sind Programme wichtig, um das Narrativ zu führen, die späteren Handlungen der Gewählten entsprächen dem Mehrheitswillen. Allerdings gibt es kaum Leute, die Wahlprogramme lesen. Bei der Kommunikation vor der Wahl ist man bemüht, jeder möge von der Programmatik vor allem das mitbekommen, was ihm gefallen könnte, und weniger, was er bezahlen wird. Wenn aber am Ende das Gegenteil von dem gemacht wird, was man mal versprochen hat, gibt es auch keinerlei Konsequenzen. Also geht es im Grunde bei dem in die Masse getragenen Wahlkampf, der sich nach wie vor besonders durch Plakate (analog oder online) manifestiert, vor allem darum, ein gutes Gefühl zu erzeugen.

Bei der letzten Bundestagswahl im Herbst 2021, also vor gerade mal etwas mehr als einem Jahr, war der durchgängige Leitspruch der Plakate der Partei der Grünen die Formel „Bereit, weil Ihr es seid.“ Ein guter Werbetext, darauf ausgerichtet, Identifikation zwischen dem Sender der Botschaft und dem Empfänger anzuregen, klingt positiver und ist kürzer als „Wir sind bereit, euch auszuplündern und zu schikanieren, weil ihr so dumm seid.“ – was überdies auf kein Plakat gepasst hätte. Am geschicktesten sind überhaupt Texte, die beliebig interpretierbar sind – wer der Partei nicht gewogen ist, weiß nicht, was er dagegensetzen soll, und wer ihr mit einer gewissen Grundsympathie entgegensieht, darf sich bestätigt fühlen. „Erlebe Dein Grünes Wirtschaftswunder“ ist so ein Spruch. 

Während „Wirtschaftswunder“ ein in Deutschland positiv besetzter Begriff ist, der absolut überhaupt nichts mit grüner, ökosozialistischer Wirtschaftspolitik zu tun hat, ist das „Wunder“ in der Kombination mit einer farblichen Eigenschaft im deutschen Sprachgebrauch mit einer negativen Überraschung konnotiert. Insofern ist der Spruch als Wahlkampfspruch geradezu genial, denn die Sympathisanten dürfen auf das Beste hoffen, während sich hinterher keiner beschweren kann, man hätte die bösen Folgen nicht zwischen den Zeilen angekündigt. In diesem Sinne kann man auch die Worte gut verstehen, mit denen sich der spätere Klimaminister Robert Habeck im Wahlkampf hat ablichten lassen: „Züge, Schulen, Internet – Ein Land, das einfach funktioniert.“ Nur einfältige Gemüter werden dies als Versprechung für die Zukunft fehlinterpretieren, ja wer sagt denn überhaupt, dass er hier an Deutschland gedacht habe, und nicht an Kroatien, die Schweiz oder gar Russland? Ganz anders dagegen die spätere Außenministerin Baerbock, die sich mit dem Spruch „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Krisengebiete“ ablichten lässt. Solche Worte sind eigentlich in einem Wahlkampf in Deutschland kaum anders interpretierbar als so, wie ihre Bedeutung zu sein scheint. Auch der Zusatz „Bereit, weil Ihr es seid“ – die Langform kennen Sie ja – kann das kaum abschwächen.

Und doch hätte es jeder der Grünen-Wähler besser wissen müssen. Die erste Beteiligung der Grünen in einer Bundesregierung führte Deutschland mit einem grünen Außenminister 1999 in den ersten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nach 1945 – denn es war kein Bündniseinsatz, da kein NATO-Territorium angegriffen wurde, und es gab auch kein UN-Mandat dazu. Man muss hier also nicht um Spitzfindigkeiten streiten. – Nun ja, die NATO nannte das natürlich nicht Krieg, sondern eine militärische Spezialoperation, oder so ähnlich. Begründet wurde sie mit Übergriffen auf die Zivilbevölkerung im serbischen Kosovo, die ohne jeden Zweifel auch stattgefunden haben, wohl jedenfalls mit vierstelligen Opferzahlen. Die NATO spricht später von 5000 Toten durch ihren daraufhin folgenden Militäreinsatz, Serbien dagegen von 462 getöteten Soldaten, 114 Polizisten und 2000 Zivilisten, wie es auf Wikipedia heißt. Wer glaubt, die NATO-Kampfmaschinerie läuft hoch, um selbstlos in Bedrängnis gekommene Bevölkerungsteile auf dem Gebiet eines alten russischen Verbündeten zu schützen und dabei zivile Kollateralschäden nahezu in ähnlicher Größe zu verursachen, der möge bedenken, dass hier Russland unter seinem noch amtierenden korrupten Präsidenten Jelzin, unter dem es in eine mit sich selbst beschäftigte Oligarchie zerfallen war, außenpolitisch in seiner Machtlosigkeit vorgeführt wurde. Folgerichtig kam am Ende des Jahres zum ersten Mal der KGB-Mann Wladimir Putin in seine erste Präsidentschaftszeit. Man kann sich denken, mit welchen Hoffnungen er gewählt wurde.

Nach ihrer ersten Regierungs- und Kriegsbeteiligung wurde die vorgeblich pazifistische Partei der Grünen direkt in die nächste Regierung gewählt. Das Image zählt in der Politik, nicht die Handlung selbst. Narrative und Emotionen sollen die Wähler bewegen, Dissonanzen mit der Realität werden eben medial beiseitegeschoben. Die Verachtung, mit der die Grünen mehr als jede andere Partei mit dem im demokratischen Selbstverständnis einst formulierten „Wählerauftrag“ umgehen, wird der Öffentlichkeit auf dem Silbertablett präsentiert. Werden die „Wähler“ nun Konsequenzen ziehen? Sind sie nun bereit? Was ihre Wähler denken, ist Baerbock ja erklärtermaßen egal, wie sie beim Thema Russlandsanktionen bereits früh erklärt hatte. Man hätte es nicht anschaulicher auf den Punkt bringen können, dass es bei Wahlen nicht um die Umsetzung des wie auch immer geformten Willens eines abstrakten Konstrukts namens Staatsvolk geht, sondern um formale Legitimation von Herrschaftsausübung, die man anschließend nach Gusto ausnutzt. Diese tief verinnerlichte Haltung ist die eine Erklärung für das peinliche Geplappere, das die Außenministerin immer wieder von sich gibt.

Auch den jüngst von ihr im Europarat formulierten Satz „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“ sollte man vor diesem Hintergrund einordnen. Seine wörtliche Bedeutung wurde im Hauptstrom sehr wohl verstanden, jedoch nur als Ungeschicklichkeit diskutiert. Tatsächlich kann man das durchaus anders sehen, wenn eine Außenministerin, die sich für Waffenlieferungen für eine Kriegspartei einsetzt und damit durchsetzt, davon redet, dass man als „wir“ mit der anderen Kriegspartei selbst einen Krieg kämpft. Denn das ist, sofern nicht umgehend widersprochen und richtiggestellt wird, die Erklärung eines Kriegszustandes. Wegen der Brisanz und der Gefährlichkeit dieser Worte würde dies unter normalen Umständen zur deutlichen Richtigstellung einen Rücktritt erfordern, der jedoch nur von Vorsitz und Fraktionsführung einer ungeliebten Oppositionspartei gefordert wurde – zwar auf deren Homepage zu lesen, nicht jedoch in der medialen Berichterstattung, versteht sich. Diese interpretiert die Äußerung der Außenministerin als harmlose Ungeschicklichkeit. Wenn Sie das nicht begreifen, dann liegt das vielleicht daran, dass Sie die Welt nicht verstehen, die Welt, in der insbesondere deutsche Politiker leben. 

Natürlich denkt Baerbock nicht tatsächlich an einen Krieg Deutschlands oder der NATO mit Russland, ihr fehlt vermutlich auch jede Vorstellung dazu. Und natürlich weiß das auch die russische Führung, in deren Sinne die direkte militärische Konfrontation mit der NATO ebenso wenig sein kann. Woran Baerbock tatsächlich denken dürfte, ist der Kriegszustand, der sich seitens der Politik durch Kriegswirtschaft auszeichnet – denn das ist im Kern jede sozialistische Kommandowirtschaftsorganisation, der Traum der Ideologie der Grünen. In diesem Sinne dürfte die Äußerung Baerbocks kein Zufall gewesen sein, sondern kalkuliert – die Emotion des Kriegszustands soll verinnerlicht werden. Im ZDF ließ man am selben Tag, an dem Baerbocks Kriegserklärung formuliert wurde, einen Oberst André Wüstner eindringlich die „Umsteuerung“ in die Kriegswirtschaft fordern – unten verlinkt, unbedingt sehenswert – eine rhetorische Forderung, da sie längst umgesetzt wird, wenn auch nicht exakt so wie beschrieben. Bereits im Frühjahr 2020 sah ich die Realität der Kriegswirtschaft angesichts der Durchsetzung der Corona-Lockdowns als wesentlichen Zweck, wie ich in einem Artikel auf eigentümlich frei mit Bezug auf Hayeks „Weg zur Knechtschaft“ beleuchtet habe. Seitdem befinden wir uns permanent mehr oder weniger unter den Bedingungen einer Kriegswirtschaft. Die Motive variieren – der Ukrainekrieg ist ein weiteres, sehr eindrückliches, und die Klimakatastrophenwirtschaft ein anderes. Die Kriegswirtschaft wird immer weiter ausgebaut.

Bereit, weil Ihr es seid. Ich gehe davon aus, dass Sie sich mit mir natürlich nicht von den grünen Wahlkampfunverschämtheiten angesprochen fühlen. Bereit dürfen wir aber trotzdem sein, wobei ich zuversichtlich bin, dass wir aus deutscher Sicht zumindest einstweilen weniger eine kriegerische Eskalation unserer Regierung gegen Russland erwarten müssen als uns vielmehr auf weitere Eskalationsschritte ihrerseits gegen unsere Freiheit und unser Eigentum vorbereiten sollten. Zeichnen Sie keine Kriegsanleihen – weder materielle noch ideelle –, in Deutschland hat man mit diesen noch nie gute Erfahrungen gemacht.

Quellen:

Jugoslawienkriege (Wikipedia)

Wüstner: „Erwarte ein Umsteuern der Politik“ (ZDF)

Deutscher Sozialismus: Ausbau der Kriegswirtschaft (eigentümlich frei)


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