Die „beste“ aller Staatsformen: Was ist Demokratie?
Ein kleiner Überblick über deren unterschiedliche Ausformungen
von Markus Krall
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Wenige Begriffe sind über das gesamte politische Spektrum von links bis rechts so positiv besetzt wie die Demokratie. Das Wort kommt aus dem Griechischen und setzt sich aus dem Substantiv Demos (das Volk) und dem Verb kratein (herrschen) zusammen. Schon die Herkunft des Wortes weist das schöne Griechenland als das Mutterland der Demokratie aus, und bereits seine wörtliche Übersetzung zeigt das Spannungsfeld auf, den uns der Begriff Demokratie aufzwingt, weil Herrschaft eigentlich das Gegenteil von Freiheit ist. Denn so positiv das schöne Wort auch allüberall besetzt sein mag, es verhält sich mitnichten so, dass alle das Gleiche darunter verstehen.
Demokratie wird unterschiedlich verstanden, unterschiedlich gestaltet und unterschiedlich gelebt. Das Bemerkenswerte daran ist: Die Vertreter der einen Demokratieform sprechen dabei den Vertretern der jeweils anderen ab, demokratisch zu sein. Die Frage, welche Form der Demokratie die „einzig wahre“ sei, übertrifft in der Heftigkeit der darum geführten Auseinandersetzung die Religionskriege bei Weitem. An diesem heiligen Furor können wir erkennen, dass dem Glauben an die Demokratie ein religiöses Element innewohnt. Das ist auch zwingend, denn war es früher die Religion, die das Gemeinwesen in Form des Staates legitimiert und in seiner Gestaltung determiniert hat, so ist es jetzt die Philosophie. Ein Staat kann es sich nach eigenem Selbstverständnis aber nicht leisten, dass die metaphysischen Legitimationsgrundlagen seiner Existenz durch Häresie und Zweifel an ihrer Wurzel infrage gestellt werden.
Die herrschende Elite eines Staates ist daher auch immer geneigt, die eigene Staatsform vermessen für das Ende der Geschichte zu halten oder wenigstens zu erklären. Davor ist auch unsere schöne kleine dritte deutsche Republik nicht gefeit. Das drückt sich zum Beispiel in der vom Bundesverfassungsgericht postulierten „Ewigkeitsgarantie“ bestimmter Grundrechte aus. Solch ein Anspruch ist vermessen unter zwei Gesichtspunkten:
Erstens: Nichts, was der Mensch erschafft, ist wirklich für die Ewigkeit. Oder glaubt irgendjemand bei Verstand, dass das Grundgesetz oder ein aus ihm abgeleitetes Derivat in Jahr 5023 noch in Kraft sein wird?
Zweitens: Das gleiche Gericht hatte nicht die geringste Mühe damit, genau diese mit Ewigkeitsetikett versehenen Artikel in der Scheinpandemie 2020 bis 2023 in einem Akt der offensichtlichen Rechtsbeugung im Handstreich durch die Politik suspendieren zu lassen.
Wo stehen die Hauptantagonisten beim Streit um die Deutungshoheit des Demokratiebegriffes? Hier haben wir auf der extremen linken Seite des politischen Spektrums die Vertreter der sozialistischen sogenannten „Volksdemokratie“. Etymologisch gesehen ist das doppelt gemoppelt, weil Volk schon in Demos drinsteckt, aber nur am Rande. Ein Beispiel für diese Staatsform war die DDR, die Deutsche Demokratische Republik. Die Vertreter dieser Staatsform sind der Ansicht, dass die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit auch im Sinne einer Diktatur der angenommenen Mehrheit, nämlich des Proletariats, gut und gerecht ist. Die Mehrheit des Proletariats darf die Minderheit des Bürgertums beherrschen, auch ausbeuten und gegebenenfalls physisch eliminieren, denn es geht ja bei der Demokratie um eine Mehrheitsentscheidung. Die Mehrheit hat immer recht und verfügt im Sinne des juristischen Rechtspositivismus eben auch über das Recht, zu töten. Dass das keine theoretische, sondern eine durchgeführte Demokratieinterpretation ist, haben 100 Millionen Tote im Kommunismus und 50 Millionen Tote im nationalen Sozialismus eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Am entgegengesetzten Ende (allerdings nicht am rechten Ende, denn in diesem Koordinatensystem sind die Nazis ebenso links wie die Kommunisten) finden wir die Vertreter des Minimalstaates, die zwar der Mehrheit in bestimmten Fragen Rechte der Gestaltung des Gemeinwesens einräumen, jedoch ihr nicht das Recht zubilligen, in die Autonomie des Individuums einzugreifen. Für sie ist Demokratie in erster Linie ein Vehikel zur Verteidigung individueller Freiheit und individueller Rechte gegen die Übergriffigkeit staatlicher Vereinnahmung und Vormundschaft. Für sie erzeugt das nackte, ungefilterte und ungebremste Demokratieprinzip eine Situation, bei der vier Wölfe und ein Schaf darüber abstimmen, was es zum Abendessen gibt.
Stellt man einen Vertreter des Minimalstaates vor die Wahl, was ihm wichtiger ist – Demokratie im Sinne des Mehrheitsprinzips oder Rechtsstaatlichkeit –, so wird er sich für Letzteres entscheiden. Rechtsstaat ist, wenn das Schaf die Knarre hat. Der Grund ist relativ einfach: Wenn Demokratie kein Selbstzweck ist, sondern ein Instrument zur Erreichung des Schutzes der Rechte der in ihr lebenden Individuen, so wäre eine Form der Demokratie, die dies nicht mehr gewährleisten kann, auch nicht mehr wünschenswert, jedenfalls nicht dann, wenn eine andere Staatsform die Rechtsstaatlichkeit, also den Schutz der Rechte des Einzelnen, garantieren kann.
Allerdings haben alle anderen Regierungsformen, die die Menschheit in den letzten 4.000 Jahren ausprobiert hat, sich in der Tendenz als auch nicht perfekte Wächter der Rechte des Individuums erwiesen. Eine Monarchie oder Diktatur kann dies temporär leisten, wenn ihr der „wohlwollende“ Monarch oder Diktator vorsteht. Solche hat man schon gesehen, aber ebenso hat man schon gesehen, dass ein solcher durch einen Tyrannen, Unterdrücker und Ausbeuter erster Klasse auf dem Thron abgelöst wurde. Winston Churchill formulierte treffend: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen, abgesehen von allen anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“
Man kann beobachten, dass es zwei Formen der Regierung gibt, die beide entarten können. Die Herrschaft einer kleinen Gruppe ist in ihrer positiven Ausprägung eine Aristokratie, in ihrer tyrannischen Ausprägung eine Oligarchie. Die Herrschaft der Mehrheit, also die Demokratie, ist in ihrer positiven Ausprägung ein demokratischer Rechtsstaat, in ihrer entarteten Form eine Ochlokratie, die Herrschaft des Pöbels. Historisch betrachtet kann man wohl sagen, dass die aus Demokratien hervorgegangenen Ochlokratien zum Schlimmsten gehörten, was Völker in der Geschichte erlitten haben. Ein besonders geeignetes Beispiel hierfür ist die Terrorherrschaft der Jakobiner im Frankreich der 1790er Jahre, bei der ihr blutrünstiger Hauptprotagonist Robespierre den Terror als Ausfluss der Tugend und Konsequenz der Demokratie er- und verklärte: „Der Terror ist nichts anderes als unmittelbare, strenge, unbeugsame Gerechtigkeit; er ist also Ausfluss der Tugend; er ist weniger ein besonderes Prinzip als eine Konsequenz des allgemeinen Prinzips der Demokratie, angewendet auf die dringendsten Bedürfnisse des Vaterlandes.“
Er hatte insofern mit dieser Diagnose recht, als eine Verabsolutierung der Demokratie, eine Akzeptanz des Mehrheitsprinzips als Quelle allen Rechts und aller Staatsgewalt zwingend in den Terror führt.
Eine solche Ausprägung der Demokratie steht im Widerspruch zu ihrem eigentlichen Zweck, nämlich dem Schutz der Freiheit und der Rechte des Einzelnen, wie er von Verfassungsdemokraten vertreten wird, die den Zweck einer Verfassung in der Begrenzung der Macht sehen. Die Vertreter des linken Terrorstaates sehen aber darin gar nicht den Zweck der Demokratie, und das sagen sie auch. Die Wurzel des Konfliktes liegt also in dem nicht vereinbaren Menschenbild beider Gruppen. Die Verfassungsdemokraten sehen das Individuum im Mittelpunkt, seine Würde definiert ihr Menschenbild, die Jakobiner sehen die Masse als die eigentlich schutzwürdige Entität, wobei man aus geschichtlicher Erfahrung unterstellen darf, dass sie das nur tun, weil die Masse leichter formbar, steuerbar und für ihre eigenen selbstsüchtigen Zwecke beherrschbar als eine Gruppe selbstbewusster Individuen ist. Es geht also am Ende um die Macht, und zwar um die ganze Macht. Die linke Machtelite fühlt sich berufen, diese Macht stellvertretend für „die Massen“, also die tatsächliche oder vermeintliche Mehrheit des Proletariats, auszuüben.
Eine Kontrolle durch diese Massen ist nicht vorgesehen, das nennt sich dann „demokratischer Zentralismus“. Dieser Terminus ist ein Oxymoron, ein schwarzer Schimmel, ein trockenes Wasser, wie man so schön sagt. Denn die Idee der Demokratie ist ja gerade – in Opposition zur Monarchie –, dass die Macht atomisiert und damit dezentralisiert wird. Was wir sehen, ist also eine „satanische Umkehrung“, eine Perversion eines Begriffes in sein eigenes Gegenteil.
Wir wissen aber aus der Geschichte und wir sehen es in der aktuellen Situation in Deutschland einmal mehr, dass die Kombination von Mehrheitsprinzip, Rechtspositivismus und dem Willen einer machtversessenen und korrupten politischen Klasse zur Tyrannei führt. Sie äußert sich in einer Beschneidung der Grundrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit, in einer Unterminierung des Rechtsstaates, beginnend mit der Geldpolitik als erstem Experimentierfeld, fortgesetzt mit dem institutionalisierten Rechtsbruch bei der Immigrationspolitik und auf die Spitze getrieben durch die Anmaßung eines parlamentarischen Vertretungs- und Regierungsmandates durch den Berliner Senat, nachdem und obwohl die Wahl zum Abgeordnetenhaus durch das Verfassungsgericht des Landes Berlin wegen Wahlbetruges annulliert wurde. Man darf bei dieser Gruppe mit Fug und Recht von einer Junta sprechen, die das Land Berlin ohne demokratisches Mandat illegal regiert und illegal Gesetze erlässt. Diese Handlungsweise riecht für mich als juristischen Laien nach einer Straftat, nämlich der Amtsanmaßung. Aber was weiß ich schon, ich bin ja nur Ökonom.
Viele demokratisch verfasste Staaten, auch die USA, haben eine duale Natur. Sie sind einerseits Demokratien mit machtvollen Institutionen, die durch Mehrheitsentscheid besetzt werden. Sie haben aber zugleich ein aristokratisches Element, das in den USA vor allem durch den sogenannten Ostküstenadel verkörpert wird, der eine überdurchschnittlich große Zahl von Führungspersönlichkeiten in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Militär und Wissenschaft hervorbringt. Das kann ein heilsames Korrektiv für eine zur Ochlokratie neigende Demokratie sein, ist aber keineswegs zwingend. Diese sehr spezielle, eigentlich nicht kodifizierte Form der Checks and Balances kann entgleisen und das tut sie dann, wenn die Aristokratie sich synchron mit der Demokratie aufgibt. Während die Demokratie dann zur Ochlokratie verkommt, mutiert die Aristokratie zur Oligarchie. Beide haben die Neigung, ein für das Volk unseliges Bündnis einzugehen, bei dem Staat und Korporatismus eine unheilige Allianz bilden, die seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts als Faschismus bekannt ist.
Diese demokratische Mutante ist extrem gefährlich für ein Staatswesen und ein Volk, weil sie dazu neigt, das Volk mit Kriegsführung ruhig- und kaltzustellen. Das konnte man im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges beobachten und man kann es heute wieder beobachten. Die Oligarchie zentriert sich dabei um einen Militärisch-industriellen Komplex, vor dem in den USA bereits Präsident Eisenhower eindringlich gewarnt hat. Dieser Komplex ist heute vielschichtiger. Er hat die Pharmaindustrie, Big Tech und den Rüstungssektor absorbiert.
Entgegen weitverbreiteten Theorien handelt es sich dabei aber nicht um eine Verschwörung, sondern um eine Mischung aus Korruption und politischem Programm. Das politische findet in aller Öffentlichkeit statt und es fehlt ihm daher das konstitutive Element einer Verschwörung, nämlich die strikte Geheimhaltung. Es ist aber deshalb nicht weniger gefährlich, denn viele wenig gebildete Menschen können dieser Gesellschaftsform eine Menge abgewinnen: Man muss nicht mehr selbst denken, man muss keine Verantwortung mehr für irgendetwas übernehmen, man reiht sich brav ein und läuft hinter der Standarte her und fühlt sich super, sozial und gutmenschenmäßig dabei.
Es zeigt sich dann: Um ein perfektes Mitglied einer Schafherde zu sein, muss man vor allem eines sein: ein Schaf.
Der Faschismus kommt, ebenso wie der jakobinische Sozialismus, durch Mehrheiten an die Macht. Hat er sie errungen, kippt er das demokratische Element schnell über Bord und installiert einen Führerstaat, Führerkult und eine Mischung aus Monopolkapitalismus und Staatsmonopolkapitalismus. Es gilt für diese Staatsformen, Faschismus wie Sozialismus, daher der Satz: Man kann sich hinein-, aber nicht mehr herauswählen. Der nationale wie auch der internationale Sozialismus sind daher die Endstation einer entgleisten Demokratie, die nach dem Prinzip absoluter Mehrheitsherrschaft eine Tyrannei errichtet. Heraus kommt man nur noch mit einer Waffe in der Hand oder durch eine Niederlage im Krieg.
Was also sollen wir tun? Wofür sollten wir uns entscheiden? Ich stimme für eine wehrhafte Demokratie. Aber wehrhaft bedeutet im Gegensatz zu dem, was unsere aktuelle Regierung denkt, nicht Überwachung und Polizeistaat, sondern wehrhaft bedeutet Festhalten am rechtsstaatlichen Prinzip, Gewaltenteilung, Checks and Balances, Begrenzung und Beschränkung des Staates, damit er nicht übergriffig und anmaßend wird, Zurückdrängung der Bürokratie, direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild, starke Institutionen, die den Staat und die Regierung in die Schranken weisen, und ein umfassend und mit kontroversen Meinungen informiertes Volk, bei dem die Medien und die Presse ihre Arbeit als Kontrollorgan der Regierenden erledigen, anstatt dort die Dusche nach Seife abzusuchen. Mit anderen Worten: All das, was wir aktuell nicht haben, weil unsere jakobinischen Oligarchen in Berlin und Brüssel das nicht mögen. Wenn wir das akzeptieren, dann können wir uns gleich an Klaus Kinski halten: „Wenn wir die Regierung durch die Mafia ersetzen, haben wir halb so viel Korruption und doppelt so viel Spaß!“
Das klingt nach Fun, ist es aber nicht.
Kommentare
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