05. Februar 2023 13:00

Soziale Absicherung Gemeinwohl als Staatsziel

Der auf Erden gemolkene Wohlfahrtsstaat muss auch auf Erden gefüttert werden

von Reinhard Günzel

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Proklamierte Staatsziele des Wohlfahrtsstaats, allen voran Gemeinwohl, Schaffung menschenwürdiger Lebensumstände und Daseinsvorsorge, sind die sperrangelweit geöffneten Scheunentore, die den Feinden der Freiheit den Zugriff auf das Eigentum und die Freiheit der Bürger ermöglichen. Es sind betörende Sirenengesänge, die den großen Raubzug am Eigentum untermalen. Wer sie hört, der hört auf nachzudenken, er öffnet vielmehr bereitwillig seine Taschen – so nimm denn hin, ja, Gemeinwohl, menschenwürdige Lebensumstände, wer vermag denn ernsthaft um den Preis der sozialen Ab- und Ausgrenzung sich gegen das Gemeinwohl zu erklären und den krassen Egoisten herauszukehren? Nein, wer sich für das Gemeinwohl und menschenwürdige Lebensverhältnisse einsetzt, der gehört unmissverständlich zu den Guten und Lieben.

Die Kaschierung ihrer Maßnahmen und Entscheidungen als dem Gemeinwohl dienlich, durch Sozialisten auch unter dem Leitsatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ propagiert, war und ist für die Politik einer der effektivsten Wege, Macht und Führungsanspruch auszubauen, den Staat überwiegend mit der eigenen Gefolgschaft personell aufzublähen, ihm mehr und mehr Lasten aufzubürden und dabei den sich einstellenden Finanzbedarf in immer neue Höhen zu treiben. Es ist schließlich für einen guten Zweck und kommt doch allen zugute, warum also nicht? Und selbstverständlich können und sollen starke Arme mehr tragen und mehr geben, und mehr geben sollen auch die Erben, denen ihre Reichtümer einfach nur so, ohne eigene Leistung erbracht zu haben, zugefallen sind, und mehr geben sollen die reichen Spekulanten, Reiche ohnehin, Eigentümer von Immobilien, die ihre Wertsteigerungen doch nur dem Wirken des Staates zu verdanken haben, und immer so weiter. Das rufen vor allem jene, die nicht nur von diesen abgepressten Geldern leben, sondern gleich noch darüber befinden, was denn am ehesten für das Gemeinwohl förderlich sei, und das ist nach deren Verständnis eigentlich alles, was die demokratischen Parteien fordern und der Staat in ihrem Auftrag umsetzt. Streit, politische Auseinandersetzung zwischen den Parteien, also die Möglichkeit, sich beim Wähler zu profilieren, das Stimmvieh an sich zu binden, gibt es somit nur noch um Rangfolge und Umfang der zu finanzierenden staatlichen Wohltaten.

Gemeinwohl, das war das geniale Wieselwort, mit dessen Einzug in das politische Vokabular die Rechtsstaatsprinzipien zu Grabe getragen wurden und der Staat zur moralischen Besserungsanstalt umgeformt werden konnte. Aber die Umwertung aller Werte löst keine Probleme, schafft dafür neue, denn der auf Erden gemolkene Wohlfahrtsstaat muss auch auf Erden gefüttert werden. Mehr Leistung vom Staat heißt eben mehr Steuern – doch je höher die steuerliche Belastung, desto geringer die volkswirtschaftliche Leistungskraft und desto mehr Menschen sind auf Hilfe des Staates angewiesen. Gerät der Wohlfahrtsstaat so an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit, wird aus dem wohlfeilen Recht auf Arbeit alsbald die Pflicht zur Arbeit, das Recht auf Bildung erschöpft sich in umfassender Vermittlung der ideologischen Grundlagen des Staates und wer sich auf das Recht auf eine Wohnung beruft, der wird sich mit einer engen, sanierungsbedürftigen Behausung zufriedengeben müssen. Was immer an großartigen Versprechungen in den Verfassungen proklamiert wird: In der Realität wird sich nur ein jämmerliches Zerrbild davon wiederfinden.

Es ist eine Herkulesaufgabe, eine unumgängliche Herkulesaufgabe, die Schieflage im Denken über und das Verhältnis der Wähler zum Wohlfahrtsstaat wieder geradezurücken. Doch sie muss getan werden, wollen wir nicht enteignet und entmündigt in der Unfreiheit des totalen Staates enden. Von den Parteien ist hier nichts zu erwarten. Sie profitieren von dieser Entwicklung, sind praktisch ihr Katalysator und wissen auch genau, dass eine Diskussion über die Einhegung des Wohlfahrtstaats mit Abwahl geahndet wird. Es gibt folgerichtig keine Partei im Bundestag, die Forderungen nach weitreichendem Umbau des Sozialsystems, mit dem Ziel einer Kürzung der Sozialausgaben, erhebt. Nichts Konkretes ist zu finden, keine Zahlen, allenfalls die Mahnung, dass diese Entwicklung mit stetig steigenden Sozialausgaben besorgniserregend sei, der Staat etwas tun müsse. All die halbherzigen Umbaumaßnahmen des Wohlfahrtsstaates, stets unter dem vielversprechenden Motto, diesen fit für das kommende Jahrtausend zu machen, haben bisher keine dauernde Entlastung bei den Ausgaben gebracht. Die Sozialausgaben steigen und steigen, immer weiter und weiter, von 395 Milliarden Euro 1991 auf über eine Billion im vergangenen Jahr. Die graphische Darstellung ist ein echtes Luro, von links unten nach rechts oben. Jeder Aktienbesitzer, dessen Kurse diese Entwicklung nähmen, würde jubeln. Doch gerade diese Entwicklung der Sozialausgaben ist äußerst besorgniserregend. Die Sozialausgaben steigen stärker als der Wert der Unternehmen, stärker als die Wirtschaftsleistung. Aber irgendjemand muss das zahlen, denn Geld drucken hilft nur der Staatskasse, verteilt den Reichtum einer Gesellschaft um, fördert ihn aber nicht. Im Gegenteil, man muss es immer wieder ins Bewusstsein heben: Inflation schafft Armut, bei zwei Prozent Inflation moderat, doch bei mehr als zehn Prozent bekommen wir eine deformierte Wirtschaft und wieder echte Armut, nicht gleich heute, aber demnächst. Wobei es den sozialen Abstieg sofort gibt, da muss man nicht lange warten, was der Mittelstand gerade zu spüren bekommt.

Wer zahlt darüber hinaus sonst noch die Party? Die Politik erst mal ganz sicher nicht. Nein, das fehlende Geld kommt aus der Substanz, dem inflationierten Sparvermögen und wird auch durch sinkende Investitionsraten und Reallöhne in der Volkswirtschaft aufgebracht. Diese nachlassende Investitionstätigkeit ist ein besonderes Verhängnis, führt sie doch zur Aufzehrung des Kapitalstocks der Unternehmen, was sinkende Wettbewerbsfähigkeit zur Folge hat.

Ist auf diese Weise der Anschluss an die Weltwirtschaft einmal verloren gegangen, haben die Wettbewerber die Märkte eingenommen, ist die Party vorbei. Es zerreißt die soziale Hängematte, erst hier und da ein paar Fäden, dann plötzlich, aber vorhersehbar, der ganze Strick, nichts trägt mehr – freier Fall mit harter Landung. Das war es dann, garantiert für mehr als fünf Wochen, denn Aufholen ist gerade für eine Volkswirtschaft so verdammt schwer, erst recht, wenn der Zug abgefahren ist. Und als Faustregel für den zu erwartenden Zeitraum gilt ohnehin: Kaputtmachen geht um ein Vielfaches schneller, als wieder in Ordnung zu bringen. Dann sind schmerzhafte politische Reformen auf allen Ebenen nötig, müssen Investoren davon überzeugt werden, dass ihre mühsam aufgebauten Vermögen gerade in Deutschland am sichersten und profitabel angelegt sind, müssen Fachkräfte im Lande gehalten und aus dem Ausland angeworben werden. Das geht aber nur, wenn hier die Randbedingungen stimmen, denn zu Spitzensteuersätzen wollen Spitzenkräfte nicht arbeiten. Sie kommen gar nicht erst her, und wer da ist, geht, verlässt das Land. Auch die Sicherheit ist wichtig – tägliche tödliche Messerattacken werben nicht für einen Wirtschaftsstandort.

Dieses Abschmieren unserer Volkswirtschaft, dem die Politik zwischen hilflos und desinteressiert zusieht, das ist eins der Kernprobleme, dem sich unser Land endlich entschlossen stellen muss, anstatt den verbliebenen Rest der wirtschaftlichen Ressourcen fehlzuleiten und gegen eine Erderwärmung zu verpulvern.

Es geht längst nicht mehr darum, welche Sau die Journaille gerade durchs Dorf treibt, wer wen mit welchen dümmlichen Argumenten ausgrenzt, welchen Minister wir haben, denn die sind austauschbar wie Socken. Wenn uns das bisher weitergebracht hat, dann doch nur in Richtung Niedergang. Nein, es geht mittlerweile um die Substanz, um alles, was uns ausmacht, nicht nur um Wohlstand, auch um die Art zu leben, um unsere Sprache und Kultur.

Wie sagte schon Friedrich Nietzsche in seinem Gedicht „Vereinsamt“.

„Die Krähen schrei’n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei’n
Weh dem, der keine Heimat hat!“

Man kann es sich nicht schwarz genug ausmalen!

Eins sollte einleuchten: Die Fortschreibung des dem Gemeinwohlzweck des Staates zuliebe installierten Wohlfahrtsystems in seiner bisherigen Ausprägung, mit endloser Ausweitung von Anspruchsvoraussetzungen – unter anderem auch von national über europäisch auf neuerdings den gesamten Globus –, diese endlose Ausweitung einer pathologischen Wucherung führt, nicht gleich heute, aber in einer historisch kurzen Zeitspanne, zum Systemkollaps, zum Ende des Wohlfahrtsstaates, wie wir ihn kennen, oder, falls Insolvenzverschleppung betrieben wird, gleich zum Zusammenbruch des Staates in seiner Gesamtheit.

Eine vorurteilsfreie Diskussion hierüber, entlang der Fakten, gepaart mit dem Willen zur Veränderung, eben dem erforderlichen Umbau des Wohlfahrtsstaats, ist unumgänglich, aber die Chancen, dass eine solche Diskussion rechtzeitig stattfinden wird, sind gering.

Eine der Ursachen für diese Blockade von Veränderungen ist die Wählerhaltung, speziell der Klientel, die zu den scheinbaren Profiteuren des Wohlfahrtsstaates zählt und hierzu gehören natürlich und vor allem die Empfänger der Leistungen, jedoch auch die mit der Wohlfahrtspflege befasste Industrie, deren Protagonisten schon beim geringsten Verdacht, dass das Budget für ihre Kundschaft nicht zeitnah mit den Lebenshaltungskosten anwachsen könnte, ein Mordsgeschrei erheben. Hingegen haben jene, die tagtäglich ihrer Arbeit nachgehen und in das „Solidargemeinschaft“ getaufte Fass ohne Boden ihr mit Schweiß erarbeitetes Einkommen einwerfen, keine Lobby und müssen sich mit sinkenden Reallöhnen abgeben. Beide Gruppen, Leistungsbezieher und ihre Förderer, müssen schließlich davon ausgehen, dass sie nach einem wirklichen Umbau des Wohlfahrtsstaates zunächst schlechter gestellt sein werden als zuvor. Denn wie man es auch dreht und wendet: Die Leistungen müssen heruntergefahren werden – und welchem Leistungsempfänger gefällt das schon? Dass im Gegenzug die Arbeitseinkommen steuerlich entlastet werden können, was die Zahl der Arbeitsplätze und damit auch die Löhne antreibt – wer glaubt das noch angesichts jahrzehntelanger stets wiederholter und dann doch nicht gehaltener Versprechungen der Politik? Wahrscheinlich so gut wie niemand. Die Enttäuschung, das Misstrauen, kann gut nachvollzogen werden. Trotzdem müssen wir da durch und die Diskussion endlich beginnen.

Noch ein paar Worte zur Daseinsvorsorge, dem zur öffentlichen Wohlfahrt passenden Flügel unseres Scheunentores, denn auch hier haben sich Auswüchse etabliert. Passend dazu gibt es eine Reihe von Denkblockaden, die es dem Wähler erschweren, das Fatale im Walten des Staates zu erkennen und eine Änderung einzufordern. Ganz im Gegenteil, auf dem Gebiet der Daseinsfürsorge genießt der Staat, zumindest was den Betrieb der Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe, Entsorgung und, ziemlich weit oben, der Wasserwerke betrifft, mehrheitlich höchstes Ansehen, und Versuchen zur Privatisierung in diesen Bereichen wird mit äußerstem Misstrauen begegnet. Das ist wirklich erstaunlich angesichts all der Fehlleistungen, des für gewöhnlich schlechten, dazu meist noch überteuerten Services öffentlicher Unternehmen, des ganzen Filzes, des Geschachers um Aufsichtsratsposten für Politiker, der Personalpolitik nach Parteizugehörigkeit, der Hin- und Herschieberei von Geld, undurchsichtiger Quersubventionen und Zu- und Abflüssen zur Gewinnverschleierung – überhaupt eines Finanzgebarens, das jedem Konzernchef Hochachtung vor der Kreativität der Akteure abnötigen muss. Nein, das ist nicht einfach nur erstaunlich, schlicht unbegreiflich, woher der ungebrochene Glaube des Volkes an die Nützlichkeit, ja, gerade Unersetzlichkeit kommunaler Firmen und anderer Unternehmen im Staatseigentum, Unternehmen, die im allgemeinen Verständnis unter der hehren Flagge der Daseinsvorsorge segeln, kommt.

Mehr hierzu demnächst.


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