21. Juli 2024 11:00

Der sozialistische Weg in den Untergang Übergriffige Staaten zerstören ihre eigenen Grundlagen, Freiheit und Wohlstand

Von Argentinien lernen?

von Reinhard Günzel

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Bildquelle: elbud / Shutterstock Mileis „Libertango“: Die Hoffnung Argentiniens

Wütet die Inflation, kann der Kapitalstock eines Landes nicht mehr gehalten werden, völlig egal, wie viel Geld die Zentralbank druckt. Selbst die Zahlungen des Staates an die ihn stützende Klientel verlieren ihren Wert, da die Kaufkraft der Währung sich immer weiter verschlechtert. Repressionen, Wählertäuschung und auch Wahlgeschenke: Nichts davon ist geeignet, die sich aufgrund der Eingriffe des Staates auftürmenden ökonomischen Probleme zu lösen. Genauso wenig wie die Flucht in supranationale Verbünde sozialistischer Staaten. Ist das Geld fremder Leute aufgebraucht, endet der Sozialismus in Armut und Unfreiheit.

Links von der Mitte, dort, wo die Hüter unserer Demokratie sich hinter der Brandmauer verschanzt haben, sind bedeutende Ökonomen, wie Hayek oder Mises, kaum bekannt und, wenn doch, werden sie als kaltherzige, unsoziale Verfechter eines ungezügelten Kapitalismus etikettiert und in die Ecke gestellt. Nun gut, einen Marcel Fratzscher, Chef des regierungsnahen DIW, der mit seinen Wirtschaftsprognosen eigentlich selten richtigliegt, würden sicherlich auch nicht sehr viele Leute kennen, hörte man sich auf der Straße nach ihm um, doch den letzten deutschen Nobelpreisträger auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften, Hayek – da gehe ich jede Wette ein – kennen sicher noch weniger Leute. Und so ergeht es auch der nach Hayek benannten Gesellschaft, von der letztmalig vor einigen Jahren die Presse Notiz nahm, als etliche Ihrer Mitglieder, darunter auch der heutige Finanzminister Christian Lindner, ihre Mitgliedschaft beendeten. Vordergründig ging es um die Abgrenzung von der AfD, aber, wie sich alsbald zeigte, wusste man wohl mit Hayek nichts mehr anzufangen, hatte sich auseinandergelebt.

Das Lebenswerk Hayeks und noch mehr seines Mentors Mises liest sich als eine immerwährende Auseinandersetzung mit dem Sozialismus in allen seinen Spielarten, dem sie beide die Ideen von der Freiheit des Menschen und einer Wirtschaftsordnung ohne staatlichen Interventionismus entgegensetzten. Diese Ideen sind Horrorvorstellungen für Politiker unserer Tage: Freie Bürger, die über ihre ureigensten Belange selbst und selbstbewusst entscheiden, geht nach deren Selbstverständnis schon mal gar nicht, und Wirtschaftspolitik, das liege ja nahe, brauche eben Politiker zum Planen und Lenken, und so mancher Politiker kann eben beides, Wirtschafts- und Sozialpolitik, alles zum Wohle des Volkes. Letzteres war jetzt Erich Honecker, der kannte noch ein Volk, auch wenn er lieber von unseren Menschen sprach, was der Sache schon näherkam.

Heutige Politiker sind da anders. Nehmen wir Cem Özdemir, skandalträchtiger Minister für Ernährung und Landwirtschaft, der das Fleisch mit einer Steuer um sieben Prozent oder mehr verteuern möchte, was die depperten Verbraucher gar nicht merken würden und, falls doch, dann essen sie wenigstens weniger Fleisch, aber, ganz nach Gutsherrenart: „Dieses Geld“, also nicht sein eigenes Geld, der meint natürlich die eingetriebenen Steuern, „dieses Geld stecke ich dann in neue Ställe, die dem Tierwohl dienen“. Ja, also, wer, so wie Lindner, mit Roten und Grünen gemeinsam regieren will, für den ist Hayek nun wirklich ein Klotz am Bein.

Um die Hayek-Gesellschaft, von manchen schon mal totgesagt, wurde es alsbald wieder still, bis zum Juni dieses Jahres – denn da hatte die Gesellschaft den Präsidenten der Republik Argentinien, Javier Milei, nach Deutschland eingeladen, um ihm im Hamburger Hotel Hafen die Hayek-Medaille zu überreichen, und der hatte sich erfreut darüber gezeigt und war auch tatsächlich erschienen. Eine wunderbare Aktion – Milei, der Libertäre, wurde gebührend gefeiert und bedankte sich in einer längeren Rede, in der er ausführte, wie er, als ursprünglich sozialistisch-kollektivistischer, staatsgläubiger Professor für Wirtschaftswissenschaften, auf die Schriften von Mises und Hayek stieß (er fand sie in einem Antiquariat, nicht in der Universitätsbibliothek) und zu der schrecklichen Erkenntnis gelangte, dass alles, was er bisher seinen Studenten beigebracht hatte, falsch sei, Voodoo-Ökonomie eben, und wie er als Ökonom nochmal von vorn anfing und schließlich in die Politik gelangte.

Nun ist Milei, mit Mises und Hayek auf dem Schreibtisch, der Präsident der Republik Argentinien, und da die Argentinier dereinst ihre Verfassung mehr oder weniger von den USA übernahmen, hat er weitreichende Vollmachten, die ihm segensreiche Handlungsspielräume eröffnen, denn er steht praktisch auf Augenhöhe mit dem Parlament und hat somit viele Möglichkeiten, das Land zu verändern.

Vor rund 100 Jahren war Argentinien, man glaubt es kaum, Sehnsuchtsort vieler Deutscher, die gerne ihr vom Krieg ausgeblutetes und ausgeplündertes Deutschland verlassen hätten, um sich in einem der wohlhabendsten Industrieländer, dem prosperierenden Argentinien, ein neues Leben aufzubauen. Allerdings ist anzumerken, dass sich zu jener Zeit Argentinien bereits im Niedergang befand, man bemerkte es nur noch nicht so genau, denn zu Beginn dieses Niedergangs – ausgelöst durch staatlichen Dirigismus, von dem auch Argentinien nicht verschont blieb, und verquickt mit monopolistischen Gewerkschaftsstrukturen – sank zunächst lediglich die Investitionsquote. Die ist zwar für das Wohlergehen eines Landes enorm wichtig, doch gleichzeitig wuchsen, natürlich auf Pump, die Konsumausgaben. Die Wohlstandsillusion ließ sich so gut vermitteln. Etwas später, unter Präsident Peron griff der Staat, als die sozialen Verwerfungen aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaftslage nicht mehr zu übersehen waren, ungehemmt und immer mehr in die Wirtschaft und das Sozialgefüge ein. Ob Renten, Löhne, Preise, die Währung, Exporte und Importe, vermeintlich gute, vom Staat geförderte Industrien und Bereiche mit Extrasteuern, das Gesundheitswesen, was zu welchen Bedingungen importiert, was exportiert werden darf: Alles wurde der staatlichen Regulierung unterworfen. Nichts mehr erinnerte an das ursprüngliche, das Wirken des Staates legitimierende Versprechen seiner Tätigkeit: Du zahlst Steuern, ich garantiere die körperliche Unversehrtheit und ein funktionierendes Rechtssystem, den Rest erledigst du selber. Der argentinische Staat war vielmehr zu einem alles durchdringenden und regulierenden Ungeheuer geworden, ein stetig immer weiterwachsendes, immer fetter werdendes Ungeheuer mit ungezügeltem Appetit, dem mehr und mehr inflationiertes Geld in den Rachen geworfen werden musste, während die Wirtschaftsleistung durch den tödlichen Zangengriff von staatlicher Regulierung und inflationierter Währung stetig abnahm.

So viel zu Argentinien.

Gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts hatte sich der Stalinismus – jene Variante einer sozialistischen Gesellschaftsform, gekennzeichnet durch offene Machtausübung, die brutale staatliche Lenkung und Steuerung in Wirtschaft und Gesellschaft – weltweit nahezu erledigt. Doch der Sozialismus an sich war noch lange nicht erledigt, sondern breitete sich jetzt in der von Trotzki propagierten Form, dem Marsch der Kader durch die Institutionen des Staates, mit dem Ziel der inneren Zersetzung und kommunistischen Machtübernahme, desto stärker aus. Dies geschieht naturgemäß langsamer als durch einen revolutionären Umsturz, werden doch die Freiheit der Märkte und der Gesellschaft nicht durch den großen Doppelwumms, sondern eher schleichend, Stück für Stück, mal hier, mal da, eingeschränkt. Ales flankiert von der Propaganda staatsnaher und -abhängiger Medien, ganz nach dem Motto: Sie werden nichts mehr besitzen und sie werden froh darüber sein. Das Wasser wird eben nur langsam bis zum Siedepunkt erhitzt, damit die Frösche nicht merken, wie sie gekocht werden, weshalb auch die Gegenwehr gegen diese Form der Wohlstandsvernichtung und Freiheitsberaubung nur wenig ausgeprägt ist.

Doch irgendwann ist die Party vorbei, denn mit inflationiertem Geld kann der Kapitalstock eines Landes nicht mehr gehalten werden, völlig egal, wie viel frisch gedrucktes Geld der Staat in die Wirtschaft pumpt. Ja selbst die Zahlungen des Staates an das ihn stützende Klientel verlieren ihren Wert, da die Kaufkraft der Währung sich immer weiter verschlechtert. Erodierte ökonomische Grundlagen des Gemeinwesens führen früher oder später zu Instabilitäten des Staates. Doch weder Zwang noch Repressionen, Täuschung der Wähler durch gezielte Informationskampagnen regierungsnaher Medien und Organisationen, bis hin zur schlichten Propaganda und auch zu Wahlgeschenken: Nichts davon ist geeignet, die sich aufgrund der Eingriffe des Staates auftürmenden ökonomischen Probleme zu lösen – übrigens genauso wenig wie die Schaffung supranationaler Verbünde sozialistischer Staaten. Das kennen wir bereits aus der Geschichte des Ostblocks. Anstehende Probleme werden da nur selten gelöst, sondern in der Regel verschärft.

Schließlich und endlich ist es gleichgültig, auf welchem Weg, dem Weg Stalins, Trotzkis oder mittels dritten Wegs, sich eine Gesellschaft in den Sozialismus aufmacht: Die von Mises beschworene Interventionsspirale staatlicher Eingriffe dreht sich erst langsam, danach immer schneller, mit immer weniger Wirkung und endet mit tödlicher Gewissheit im wirtschaftlichen Niedergang, in Armut und im Verlust der persönlichen Freiheit.

Wie schon die Großmutter wusste: Hüte dich vor den Sozialisten! Die wollen nur an das Geld fremder Leute. Ist das aufgebraucht, gibt es Chaos und Gewalt.

In Argentinien, als Milei gewählt wurde, lag die Inflation bei weit über 1.000 Prozent. Es gibt hier zwar unterschiedliche Angaben, doch alle liegen über diesem Wert. Das einst reichste Land der Welt belegte beim Pro-Kopf-Vermögen Platz 19 unter 173 Ländern. Welch ein Absturz!

Milei konnte in dem halben Jahr seiner Amtszeit eine Reihe von Reformen durchsetzen. Ob und wie stark sie greifen, lässt sich noch nicht mit Gewissheit sagen, doch zumindest der IWF bescheinigt Milei, die richtigen Reformen anzugehen, und prognostiziert einen Rückgang der monatlichen Inflation von derzeit über 200 auf weniger als 50 Prozent, was zwar gut klingt, aber bei Weitem noch nicht ausreicht. Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass die Argentinier ihrem gewählten Präsidenten weiterhin den Rücken stärken und sich dabei bewusst bleiben, dass ein verarmtes und wirtschaftlich heruntergewirtschaftetes Land wiederaufzurichten, eine Generationenaufgabe ist.

Trotzdem: Milei geht die Probleme an und wurde dafür auch gebührend gefeiert und verließ die Veranstaltung Richtung Berlin, um beim deutschen Kanzler vorbeizuschauen. Ob der sich der Parallelen zwischen EU-Deutschland und Argentinien bewusst war, den Staatsbesuch gar als Anstoß nahm, den Protagonisten dirigistischer Eingriffe in die Wirtschaft in den Arm zu fallen? Mehr Freiheit zu wagen und dort, wo „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ draufsteht, diese auch reinzupacken?

Ich glaube weder an den Weihnachtsmann noch an Scholzens Willen zur Reform, und so wird Deutschland wohl noch weitere Jahre, ähnlich wie Argentinien vor Milei, den abschüssigen Weg der Geldverschlechterung, verringerten Wirtschaftsleistung bei sinkender Wettbewerbsfähigkeit und weiteren Einengung der bürgerlichen Freiheit gehen.

Außerhalb vom Tagungsgebäude, hinter den polizeilichen Absperrungen, standen die üblichen Demotouristen mit abstrusen Forderungen an Wirtschaft und Politik und nach jedem zweiten Satz ertönte das obligatorische „Nazis raus“-Gebrüll. Natürlich berichtete die Presse auch über die Gegendemo und adelte die Hayek-Gesellschaft dabei mit dem Label „umstritten“.

Ach Deutschland, deine akademische Jugend, die leistest du dir auch noch.


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