13. August 1961: Die vergeblichen Bemühungen Ewiggestriger um den Aufbau des Sozialismus
Eine von oben nach unten weisende Befehlskette als wichtigstes Merkmal sozialistischer Systeme
von Reinhard Günzel
Auf den Tag ist es heute 62 Jahre her, als in Berlin frühmorgens Panzer und Mannschaftswagen an die den Ost und Westen voneinander trennende Sektorengrenze fuhren und seit den frühen Morgenstunden Stacheldraht ausgerollt wurde, unverzüglich ergänzt durch die Errichtung einer am Ende 155 Kilometer langen Mauer – mit Wachtürmen, Grenzhunden und Todesstreifen – rund um Westberlin herum und quer durch die Stadt.
Die DDR war keine zwölf Jahre nach ihrer Gründung wirtschaftlich am Ende, innenpolitisch abgewirtschaftet und außenpolitisch in der freien Welt ohne jegliche Anerkennung. Angesichts der Tatsache, dass bereits knapp drei Millionen Bürger – mit Sack und Pack und auch ohne, Hauptsache weg – das Arbeiterparadies verlassen hatten – ein Abfluss, der sich im Sommer 1961 auf täglich Tausende steigerte – zog die DDR die Notbremse und mauerte sich ein, denn schließlich benötigt jede Regierung auch Untertanen und kann nicht tatenlos dabei zusehen, wie sich das Land leert. In Absprache mit Moskau ließ Ulbricht daher die Grenze nach Westberlin abriegeln, nicht ohne dieser ganzen Aktion, die sich einzig und allein gegen ihre eigenen Bürger richtete, den verlogenen Titel „Errichtung eines antifaschistischen Schutzwalls“ zu verpassen – der glatte Hohn, gab es doch bereits seit 1957 den Straftatbestand der Republikflucht, der mit empfindlichen Freiheitsstrafen von bis zu acht Jahren geahndet wurde, wobei auch nur der Versuch und die Vorbereitung ebenfalls strafbar waren. Und wer in die DDR hineinwollte, konnte das nach wie vor auch tun, nur heraus kam so gut wie keiner mehr.
Allen Apologeten des ersten sozialistischen Staats auf deutschem Boden zum Trotz richtete sich diese Mauer einzig und allein gegen jene Menschen, die das historische Pech hatten, nach einem Leben unter Hitler und dem in jeder Beziehung schlimmen Krieg als weiteres Verhängnis nun auch noch in Stalins Machtbereich geraten zu sein. Es sollte fortan kein Entrinnen geben, und es gab auch keins.
Aus Sicht der Oberen war der Mauerbau ein Erfolg, denn die von immer mehr Bürgern vollzogene Abstimmung mit den Füßen konnte dadurch, zumindest für die nachfolgenden 28 Jahre, aufgehalten werden. Danach war es dann aber doch vorbei mit den verlogenen Parolen und den nie eingelösten Versprechen von Wohlstand und paradiesischer sozialistischer Gemeinschaft.
Aller Propaganda des Regimes zum Trotz vergrößerte sich in den 40 Jahren DDR der Abstand in der Produktivität zur marktwirtschaftlich organisierten BRD mit jedem Jahr immer mehr, klaffte der Lebensstandard immer weiter auseinander und wurde der Kapitalstock der Unternehmen zunehmend aufgezehrt, sodass zu ihrem Ende die Betriebe marode und international nicht mehr wettbewerbsfähig dastanden und massenhaft in die Insolvenz gingen.
Angesichts des sich Jahr für Jahr beschleunigenden wirtschaftlichen Niedergangs bestand auch keinerlei Spielraum, die staatliche Repression zu lockern. Im Gegenteil, der Inlandsgeheimdienst, das Ministerium für Staatssicherheit mit seinen Ämtern und Zweigstellen, wurde ständig weiter ausgebaut und die Zahl seiner offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiter wuchs permanent. Der Zusammenbruch kam nicht überraschend, dafür umfassend, politisch und ökonomisch. Innerhalb weniger Monate ward die DDR Geschichte.
Die Lehre aus diesem Zusammenbruch ist einfach und gültig für alle Zeit: Nur die Marktwirtschaft vermag die effektive Verwendung knapper Ressourcen zu gewährleisten und damit den Lebensstandard zu heben. Jedwede Form von Interventionismus der Politik in der Wirtschaft und im Finanzwesen oder gar eine planwirtschaftliche Lenkung der Produktion senkt die Produktivität und zerstört den Wohlstand der Nation, was wiederum repressive Maßnahmen der Politik zur Stabilisierung ihres Regimes erfordert, wie eben die Einschränkung von Grundrechten und hier ganz vorneweg des Rechts auf die Unverletzlichkeit der eigenen Persönlichkeit und des unbeschränkten Rechts auf Privateigentum.
Ein sozialistisches Regime wird natürlich auch alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, durch Lüge, Fälschung und Propaganda den Wohlstandsverfall zu kaschieren. Doch die Wahrheit kommt immer irgendwie ans Licht, Propaganda nutzt sich rasch ab und die Glaubwürdigkeit der regierenden Oligarchie schwindet im gleichen Maße, denn all das sind rein vergebliche Werke, und insbesondere der Verlust von Grundrechten erweist sich als Katalysator des Niedergangs einer Gesellschaft. Eine freie Wirtschaft kann sich eben nur mit freien Bürgern in einer freien Gesellschaft entfalten. Am Ende eines sozialistischen Gesellschaftsexperiments stehen daher immer Niedergang und Verfall des Gemeinwesens.
An dieser Stelle noch eine Anmerkung, denn mancher könnte versucht sein, das chinesische Modell heranzuziehen, um die obige Argumentation zu entkräften, doch das wäre nicht zutreffend. Gewiss, China verfolgt eine diktatorisch-sozialistische Innenpolitik, doch in die Wirtschaft mischt sich die Partei viel weniger ein als mittlerweile die Politik in Deutschland, die in ihrer engen Verflechtung mit Großunternehmen, dem Finanzwesen und NGOs den Takt im Wirtschaftsleben vorgibt. Dies mit einer Unzahl an Fördervorhaben auf der einen und Produktions- Forschungs- und Technologieverboten auf der anderen Seite, nicht zu vergessen die Knebelung durch Bürokratie und Rechtsvorschriften wie die Beweislastumkehr bei Importen, was bedeutet, dass der Importeur nachweisen muss, dass die importierten Produkte unter Einhaltung menschenrechtlicher oder umwelttechnischer Standards hergestellt wurden. Wie soll das gehen?
Wir leisten uns mittlerweile zu viel Abgehobenheit, sodass die Chinesen bald an uns vorbeiziehen werden. Doch ungeachtet der sich sehr erfolgreich entwickelnden Wirtschaft hat auch China seine Risiken: An der Spitze des Staates laufen alle Entscheidungen auf eine Person zu, gibt es kein freies Spiel der Kräfte, das Fehlentscheidungen rechtzeitig offenlegt und korrigiert, und da auch Xi Jinping nur ein Mensch ist, der sich irren kann und wird, werden die Auswirkungen, sobald es einmal so weit ist, entsprechend groß und einschneidend sein. Einem sozialistischen System fehlen eben die ausgleichenden und regulierenden Mechanismen des rechtsstaatlich gebundenen Gemeinwesens mit marktwirtschaftlich organisierter Wirtschaft.
Das sei auch all jenen ins Stammbuch geschrieben, die sich mit Macht daran machen, den zweiten – genau genommen ist es eigentlich bereits der dritte Versuch – sozialistischen Staat auf deutschem Boden zu errichten, und die dazu aufrufen, den Kapitalismus zu überwinden, was im Klartext bedeutet: Abschaffung der sozialen Marktwirtschaft und deren Ersatz durch ein nach Kommandostruktur aufgebautes staatliches Lenkungs- und Leitungssystem für Wirtschaft und Gesellschaft. Ideologen, die wie Wirtschaftsminister Habeck alten Wein in neue Schläuche füllen und das kommunistische Manifest und Marx neu denken wollen, all denen sei auch an dieser Stelle gesagt, da man es nicht oft genug wiederholen kann: Ihr werdet mit euren verworrenen Ideen natürlich scheitern, ihr werdet sogar krachend scheitern, so wie alle Versuche aller eurer Vorgänger gescheitert sind.
Können wir den Sozialismus von Marx, Engels und Lenin oder gar Mao, den im immerwährenden Scheitern endenden Niedergang unfreier Bürger als Zielvorstellung einer Gesellschaft getrost beiseitelegen, so bleibt doch die Frage: Was ist mit uns, wie ist unsere Gesellschaft aufgestellt, wo geht die Reise hin?
Nach allgemeinem Verständnis leben wir in einer rechtsstaatlich verfassten parlamentarischen Demokratie, oft und unzulässig auf den Begriff der Demokratie verengt und hier, darauf bin ich in meiner vorherigen Kolumne eingegangen, aus leicht zu durchschauenden Gründen von interessierten Kreisen, gern noch in Abgrenzung von rechten und konservativen Positionen, auf „unsere Demokratie“ reduziert.
Nun ist die Demokratie an sich ohne Wert, im Kern zunächst ein Verfahren zur Ermittlung von Mehrheiten in strittigen Fragen, das sich auch missbrauchen lässt, beispielsweise zur Unterdrückung von Minderheiten. Doch ist eine Demokratie, sofern sie an eine Verfassung gebunden ist, ein essenzieller Bestandteil eines Rechtsstaats. Wortlaut und Geist einer Verfassung legen den Rahmen fest, der über Gesetze und Verordnungen die Regeln des Zusammenlebens innerhalb einer Gesellschaft vorgibt. Eine Verfassung schließt auch Fragen aus, die in den Parlamenten bei aller Demokratie nicht entschieden werden dürfen, beispielsweise Verfassungsgrundsätze mit Ewigkeitscharakter. Um Letzteres zu verdeutlichen, möchte ich das berühmte Beispiel von Füchsen und Gänsen bemühen, die ihr Zusammenleben parlamentarisch regeln wollen. Hier ist klar, dass in diesem Parlament eine Frage unter keinen Umständen auf die Tagesordnung kommen darf: die Frage nach der nächsten Mahlzeit. Es verbietet sich auch, das Staatsziel „Kein Tier soll Hunger leiden“ in die Verfassung aufzunehmen. Beides hätte mit Gewissheit katastrophale Folgen für die Gänse.
Damit ist klar, dass einer Verfassung durch ihre Auswirkung auf Rechtsprechung und staatliches Handeln für die Lebenswirklichkeit in einem Lande enorme Bedeutung zukommt. Auch die DDR hatte übrigens eine Verfassung! Man sollte sich das ruhig mal vor Augen halten und anstelle der Gänse die Steuerzahler und statt der Füchse die Empfänger staatlicher Transferleistungen setzen.
Von einem Rechtsstaat sprechen wir in der parlamentarischen Demokratie, wenn die Verfassung so angelegt ist, dass ein allgemein verbindliches Recht geschaffen wird, das unterschiedslos alle Bürger und auch die staatliche Gewalt, Regierung und Verwaltung an das Recht bindet – ein bedeutender, enorm wichtiger Rechtsgrundsatz.
Der Begriff des Rechtsstaats ist jedoch nicht klar definiert und nur in den deutschsprachigen Ländern gebräuchlich. Steht die Verfassung, in Deutschland das Grundgesetz, im Mittelpunkt einer rechtsstaatlichen Demokratie, so verwundert es, dass unser Grundgesetz nach seiner Abfassung mehr als 60 Änderungsgesetze über sich ergehen lassen musste, die sich auf über 200 Artikel auswirkten. Woher rührt der große Änderungsbedarf, da doch das Grundgesetz ursprünglich als Garant der persönlichen Freiheit des Bürgers und seines Eigentums angelegt und daher mit Abwehrrechten des Bürgers gegen einen übergriffigen Staat ausgestattet war? Doch ständig werden durch Beschlüsse des Bundestags, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts und die Rechtsprechung im Allgemeinen Absichten und Auswirkungen etlicher Artikel des Grundgesetzes mehr und mehr in ihren Aussagen verschoben, wodurch die allgemeine Tendenz entsteht, dem Bürger eigene und unveräußerliche Abwehrrechte gegen den Staat in vom Staat gewährte und jederzeit widerrufbare Rechte umzuwandeln. So wird die Verfügbarkeit über das Eigentum auf verschiedenen Ebenen eingeengt, wie beim Mietrecht, werden Abwehrrechte unter Vorbehalt gestellt (Corona, Klima) und versucht die Politik, immer wieder Staatsziele – darunter reine, nicht einklagbare Absichtserklärungen wie ein Recht auf Arbeit oder Wohnraum sowie den Tierschutz – in das Grundgesetz aufzunehmen.
Änderungen und Auslegungen des Grundgesetzes fördern auch eine zunehmende Sperrigkeit und Inkonsistenz des Grundgesetzes, wie das Recht auf Asyl, das immer stärker mit den grundgesetzlichen Bestimmungen zur Souveränität und zum Schutz des deutschen Volkes kollidiert. Abhilfe ist hier, dank ideologischen Starrsinns, nicht in Sicht.
All diese Änderungen fördern Tendenzen zur Abkehr vom liberalen Rechtsstaat mit marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnung hin zu einem Staat, dessen Führung sich permanent anmaßt, eigene Vorstellungen und Visionen, besser bekannt als Ideologien, dem Volke – einem Volke, demgegenüber man jegliche Demut und Achtung verloren hat – in Form von Gesetzen und Verordnungen gegen dessen mehrheitlichen Willen überzustülpen. Parteiübergreifende Übereinkünfte und Absprachen, deren Ziel einzig die Verfestigung des eigenen Macht- und Herrschaftsanspruchs ist, werden dem Wähler euphemistisch als „Brandmauer“ verkauft, deren einzige Funktion darin besteht, breite Wählerschichten vom demokratischen Entscheidungsprozess auszuschließen. Das ist ein für eine Demokratie höchst gefährliches Unterfangen, denn Fehlentscheidungen werden so nicht mehr rechtzeitig korrigiert, stattdessen wird die Etablierung einer mangelhaft legitimierten Oligarchie vorangetrieben.
Darunter leidet natürlich auch der Rechtsstaat, denn gleiches Recht für alle, unter Einschluss staatlicher Institutionen, scheint bereits Geschichte. Exemplarisch dafür erscheint die Reaktion des Staates, wenn sich ein paar Dutzend überwiegend betagte Spinner in Chatgruppen austauschen, von einer anderen staatlichen Ordnung träumen und sich dabei auch mal in Gewaltphantasien ergehen. Gegen diese wird nach intensiver Ermittlung losgeschlagen, in einer lächerlichen Propagandashow wird in allen Kanälen des Staatsfunks der Untergang des Staates herbeiphantasiert und sämtliche Protagonisten werden in Untersuchungshaft genommen.
Ganz anders im Fall der Klimakleber, einer finanziell gut ausgestatteten Organisation mit zahlreichen Anhängern, die nicht nur phantasiert haben, sondern auch zur Tat geschritten sind. Doch trotz schwerer Fälle von Nötigung, Sachbeschädigung, fortgesetzter Eingriffe in den Straßen- und Luftverkehr, auch mit mittelbarer Todesfolge, ihrer Beratung in Chatgruppen, wie weit man gehen sollte – bis hin zum Mord – werden diese von staatlicher Seite hofiert und mit Samthandschuhen angefasst. Nur privatrechtliche Klagen, beispielsweise von Lufthansa, sind wirklich von Belang, doch es bleibt erst mal abzuwarten, wie das ausgeht. Und wer von den vielen einfachen Mitbürgern wird den Weg gehen, seine persönlichen Schadenersatzansprüche gegen die mit gutbezahlten Anwälten gerüsteten Kleber geltend zu machen?
Sozialismus und Rechtsstaat schließen einander aus, und ein Staat mit über 50 Prozent Steuern und Abgaben steckt eben schon ziemlich tief im sozialistischen Schlamassel.
Punkt eins des Sofortprogramms zur Sanierung Deutschlands „Weniger Sozialismus, mehr Marktwirtschaft“ lautet daher: Halbierung der Steuern und Abgaben. Denn so vielversprechend Reformen auch sein mögen, ist doch die sicherste Methode, den Weg in den Sozialismus zu erschweren, noch immer, den Geldhahn abzudrehen.
Der 13. August ist eine bleibende Mahnung, bereits den Anfängen zu wehren, und ist heute noch so aktuell wie vor 62 Jahren.
Kommentare
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