07. Februar 2023 13:00

Objektivismus Das moralische Gegenkonzept zum um sich greifenden Irrsinn

Ayn Rands Philosophie widersprach Klimakult, Lockdowns und Genderismus noch vor deren Erfindung

von Christian Paulwitz

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Ein Virus breitet sich aus. Menschen müssen geschützt werden – die vulnerablen Gruppen. Hören Sie auf die Wissenschaft! Wir müssen solidarisch sein. Bleiben Sie zu Hause. Man kann ja wohl mal für eine gewisse Zeit auf Kontakte verzichten. Befolgen Sie die Regeln – tragen Sie Maske, aus Solidarität. Sonst dürfen Sie nicht … Wir tragen Verantwortung! Den Ungeimpften muss man klar sagen: Ihr seid raus aus der Gesellschaft. Besuche sind nicht möglich, wir müssen die vulnerablen Gruppen schützen. Alte oder kranke Menschen sterben. Nein, Sie können ihren Angehörigen nicht besuchen, nach den Regeln ist das nicht gestattet. Menschen sterben, allein, sehen keine Gesichter mehr, nur Masken, fühlen sich verlassen, während man ihren Lieben den Zugang verwehrt. Einsames Sterben, Trauma bei den Hinterbliebenen. Einzelschicksale – viele. Verbrechen gegen die Menschenwürde. Und niemand will es sehen. Niemand ist verantwortlich – so waren eben die Regeln. – Wir haben in den letzten Jahren das Böse gesehen. Es ist erwachsen aus dem moralischen Konzept des Altruismus.

„Ich würde sagen, dass ich ihn [den Altruismus] ‚nicht mag‘ ist ein zu schwaches Wort. Ich halte ihn für böse.“ So spricht Ayn Rand (1905–1982) in einem berühmten Fernsehinterview von 1959 mit Mike Wallace über die von ihr entwickelte Philosophie, die sie „Objektivismus“ nennt und in ihren Romanen „The Fountainhead“ (deutsch: „Der Ursprung“) und „Atlas Shrugged“ (deutsch: „Der Streik“ oder „Der freie Mensch“) veranschaulicht hat. Das Interview ist auf YouTube zu finden – heiße Empfehlung; gäbe es heute mehr Geist hinter der Kamera, würde man auch noch Geist vor der Kamera und sehenswertes Fernsehen finden. So kann das aussehen. Einen Teil habe ich mit deutschen Untertiteln gefunden und auch einen transkribierten Text (englisch) – siehe Links unter diesem Beitrag. Altruismus ist aus Ayn Rands Sicht das Konzept einer moralischen Pflicht, für andere zu leben, seine eigenen Wünsche und Interessen hinter denen anderer zurückzustellen, was sie für die weit verbreitete Moralvorstellung ihrer Tage hält. Doch diese mache den Menschen zu einem Opfertier, zu einem Objekt, das für andere arbeiten, sich um andere sorgen und Verantwortung übernehmen muss, nicht beschränkt auf sich selbst und diejenigen, die für ihn einen persönlichen Bezug und Wert haben. Eine unterschiedslose Liebe zu anderen ist aber unmoralisch, denn sie besitzt keinen persönlichen Maßstab, und sie ist unmöglich; alle zu lieben, ohne mit ihnen individuelle Werte und Tugenden zu verbinden, heißt tatsächlich niemanden zu lieben. – So wundert es nicht, dass mit der Moral, an der man selbst scheitern muss, auch der Respekt vor dem Menschen an sich verschwindet, da man doch das Individuum zu sehen und wertzuschätzen nicht gelernt hat. Der Altruismus trägt wahrhaftig den Keim des Bösen in sich, der mit der Zeit wächst und gedeiht, wenn man ihn pflegt und ihm nicht entgegentritt.

Ayn Rand setzt dagegen den Objektivismus als Philosophie, die dem menschlichen Wesen gerecht werde. Ausgangspunkt ist ihre Forderung, dass es eine Realität gebe, die objektiv bestehe und unabhängig vom menschlichen Bewusstsein sei. Was sich selbstverständlich anhören müsste, ist ein ungeheurer Angriff auf unzählige Narrative, die auf die Beherrschung des Menschen ausgerichtet sind und ihn von der objektiv erfassbaren Realität zu trennen versuchen. Am deutlichsten heute vielleicht erkennbar in der Ideologie des Genderismus, der die objektive Existenz eines männlichen und eines weiblichen Geschlechts leugnet. Oder in der richtigen Reihenfolge gesagt: Ideologien wie diese widersprechen der objektiv von jedermann erfassbaren Realität und bringen nicht nur diejenigen, die ihr anhängen, in Konflikt mit der Wirklichkeit, sondern fordern auch von jedem anderen, diesem Konflikt zu folgen und als Ersatz zur Realität anzuerkennen.

Der Genderismus hat einen tief altruistischen Kern, denn er fordert vom einzelnen, nicht nach seiner eigenen Erkenntnis zu denken und zu leben, sondern sich nach den Wünschen und Vorstellungen anderer zu richten, um diese in der Verfolgung ihres Glücks zu unterstützen und nicht zu verletzen, auch wenn es einem vernunftbasierten Blick auf die Welt widerspricht. Altruistische Ideologien richten sich letztlich gegen den Verstand, der aus Ayn Rands Sicht das Überlebenswerkzeug des Menschen ist. Er braucht ihn, um die Realität zu begreifen und zu verstehen. Sein Verstand und seine Urteilskraft müssen für ihn daher das Wichtigste sein, und die Richtschnur für sein Handeln in seinem Leben, dessen höchster moralischer Zweck darin besteht, sein eigenes Glück zu finden. Dabei hat er kein Recht, Zwang auf andere auszuüben, noch darf er akzeptieren, dass andere Zwang auf ihn ausüben. Der Sinn seines Daseins liegt in ihm selbst, und muss daher seinem eigenen, vernunftbasierten Eigennutz folgen.

Was für einen Sinn kann es haben, den Menschen von einem auf seine eigene Vernunft basierten Blick auf die Welt zu trennen? – Keinen anderen als den der Herrschaftsausübung. Wo der Mensch aufgibt, seinen Verstand als Schlüssel zum Verständnis der Welt und als alleinige Richtschnur für sein Handeln anzuerkennen, treten andere Autoritäten an dessen Stelle, die ihm sagen, wie er handeln soll. Der Mensch wird bewirtschaftbar – im zwischenmenschlichen Bereich durch Narzissten, im gesellschaftlichen Bereich durch Institutionen, die den Narzissmus organisieren, wie zum Beispiel der Staat. Sie können ihr volles Herrschaftspotential ausüben, wenn der Mensch seinen Verstand als höchste Autorität negiert und an seine Stelle andere treten lässt, Priester der Herrschaftslehre, die für ihn die Interpretation dessen, was die Realität an Handlung erfordere, übernehmen. In einem formal säkularisierten Gemeinwesen kann beispielsweise „die Wissenschaft“ an die Stelle der Priesterkaste treten, aus der dann über die Zeit hinweg auch immer wieder unterschiedliche und sich sogar widersprechende Forderungen als Handlungsanweisungen mit jeweils unbedingtem Gültigkeitsanspruch formuliert werden. Der bewirtschaftete Mensch, der seinen Verstand als seine höchste Autorität abgesetzt hat, ist demgegenüber wehrlos.

Eine weitere altruistische Ideologie unserer Tage, die dies deutlich macht, ist der Klimakult. Vor 500 Jahren setzte die kirchliche Reformation die Priester ab in ihrer Rolle als notwendige Mittler zwischen dem einzelnen Menschen und der Kraft, die das Universum begründet. Daraus folgte zum Beispiel die Übersetzung der Bibel und ihre daraufhin folgende Zugänglichkeit für den Verstand des Einzelnen. Zu den Auslösern der Reformation gehörte der Ablasshandel, der eine Bewirtschaftung der Menschen in ihrem von den Priestern geprägten Blick auf die Welt ermöglichte. Mit der Reformation wurde die Macht der Priester intellektuell gebrochen – ein unerhörter Vorgang.

Heute wird der Glaube an den menschengemachten Klimawandel zur Bewirtschaftung von Menschen allgegenwärtig genutzt. Wer den Glauben ablehne, versündige sich an der Zukunft des Planeten, so seine altruistische Grundlage. Auf heutigen Online-Plattformen sind gar Ablassangebote allgegenwärtig, als „CO2-Kompensation“ für auf ihnen getätigte Einkäufe. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob und in welchem Maße sie genutzt werden, aber allein ihre aufdringliche Gegenwart müsste bei vernunftgeleiten Menschen erheblichen Zweifel an der Seriosität des zugrundeliegenden Narrativs wecken. Wer dagegen die Autorität des eigenen Verstandes ablehnt, ist wehrlos zu erkennen, dass auch diese Art von Ablass sinnlos sein muss, ebenso wie die zahllosen oktroyierten Maßnahmen offenkundig sinnlos sind, die angesichts der planetarischen Dimension des vermeintlichen Problems in der Durchsetzung auf überschaubare Regionen bei andernorts gegenläufiger Entwicklung außer Armut und Zerstörung nichts Nachhaltiges bewirken können, während sie das Anpassen auf Veränderungen durch Kapitalvernichtung verhindert. Das Festhalten an der Zerstörung von Kapital und Wohlstand wiegt bei Ausschaltung des eigenen Verstandes gering gegenüber der Beruhigung des Gewissens, angeblich zum Wohle der Menschheit zu handeln; die Bösartigkeit der altruistischen Ideologie führt, lässt man sie gewähren, schließlich zur Selbstzerstörung der Zivilisation, während die Ideologie dies gerade denjenigen als Konsequenz ihres Handelns vorwirft, die ihrem sektenhaften Glauben nicht folgen wollen. Die künftige, vielleicht bereits laufende Reformation wird den Verstand – das Überlebenswerkzeug des Menschen – als individuellen Zugang zur Realität, der keines anderen Mittlers bedarf, anerkennen und die heutigen Priester der Herrschaftsideologien entmachten.

Nach Ayn Rand benötigt der Mensch, um in der Realität zu leben und seine Potentiale auf dem Weg zu seinem individuellen Glück auszuschöpfen, eine Moral, die vernunftbasiert ist. Ein Mensch, der nicht denkt, nicht nach den Konsequenzen seiner durch Denken geprüften und mit der objektiven Realität abgeglichenen Erkenntnisse lebt, handelt unmoralisch. Das ist keine Frage des individuellen intellektuellen Potentials. Jeder ist in der Lage, auf seine Weise seine Interessen auf dem Weg zu seinem individuellen Glück zu finden und nach ihnen zu leben. Je mehr er danach handelt, um so schöpferischer und mit sich zufriedener wird er sein. Anders als in allen altruistischen Ideologien, die ein institutionelles, Zwang ausübendes Über-Ich (zum Beispiel der Staat) und Opfer benötigen, ist der vernunftbasierte Weg des Objektivismus zur bestmöglichen Erreichung des individuellen Glücks ein Weg der freiwilligen Kooperation. Um mit sich und seinem individuellen Glücksstreben in Einklang zu sein, darf der Mensch keinen Zwang auf andere auszuüben, noch darf er akzeptieren, dass andere Zwang auf ihn ausüben. – Wie gut sind wir diesem Prinzip in den letzten Jahren gefolgt? – Wir haben einen freien Willen und immer die Möglichkeit, unser künftiges Handeln aufgrund mittlerweile gewonnener Erkenntnisse zu verbessern.

Quellen:

The Mike Wallace Interview with Ayn Rand (YouTube)

Ayn Rand Mike Wallace Interview Part 1 ­– Deutsche Übersetzung (YouTube)

Mike Wallace interviews Ayn Rand (1959): A Transcript (Blogeintrag, englisch)


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