Weltweite Geheimdiensttätigkeiten: Sack Reis umgefallen: Kriegsgrund?
Alle tun es
von Axel B.C. Krauss
Hui Buh: Mutmaßlicher chinesischer Spionageballon über dem Territorium unleugbar Guter gesichtet. Mein erster Gedanke dazu bestand aus genau drei Buchstaben inklusive unbewegter Miene: NSA.
Das steht für „National Sweets Administration“. Die Behörde verwaltet also die nationalen Süßigkeitenbestände der USA. Was ist daran auszusetzen? Da mir jedwede Lust abgeht, solche Narreteien auch noch zu erläutern, lasse ich das so stehen. Die Fähigkeit, sich den Rest ohne weitere Erläuterungen hinzudenken zu können, setze ich voraus.
Aber vielleicht wäre es doch besser, ein paar unmotivierte Worte als Begleitschutz zusammenzutrommeln? Nun gut:
Alle tun es.
Die USA tun es. England tut es. Deutschland auch. China. Russland. Frankreich. Italien. Alle machen’s.
Bevor mich jetzt irgendeiner dieser physikalisch paradoxen Paarberater aus dem Gebüsch anspringt – „Du redest von Sex? Lass mich dir helfen!“ –, halt die Luft an.
Nein, ich rede von Spionage. Ich rede vom Abhören von Kommunikation in weltweitem Maßstab, dem Aushorchen von Politikern, dem Schnüffeln nach Staatsgeheimnissen und natürlich auch von Wirtschaftsspionage. Wer einen gut geschriebenen historischen Überblick sucht, dem sei das Buch „Geschichte der Geheimdienste. Von den Pharaonen bis zur NSA“ von Wolfgang Krieger empfohlen. Also noch mal: Alle tun es. Punkt.
Womit ich eigentlich nur sagen wollte, dass es sich meinem Verständnis vollständig entzieht, warum eine der ältesten Praktiken der Menschheit, seit es Staaten gibt, stets wieder auf den Tisch kommt in einer Weise, als handele es sich um ein bislang gänzlich unbekanntes, betörend innovatives Gericht der Haute Cuisine. Au contraire: Es ist Junkfood mit zerkochten Gurken und einem breitgetretenen Bratling mit einer Scheibe Gammelkäse in einem labberigen Brötchen.
Wie du mir, so ich dir: Die USA spionieren unentwegt andere aus, und das seit Jahrzehnten, also warum sollte Peking sich zurückhalten? Ich stelle mir gerade das umgekehrte Szenario vor: China hätte damit begonnen, einen gigantischen Schnüffelapparat aufzubauen – der Rest der Welt wäre gewiss untätig geblieben …
Das Pentagon unterhält „Trolle“, die im Vorfeld eines Krieges die gewünschte Stimmung durch Streuen passender Online-Propaganda erzeugen sollen, Geheimdienste positionieren ihre „Assets“, Maulwürfe, Gatekeeper und Limited Hangouts prominent in den Massenmedien und im Internet – glaubt irgendjemand, dass der Kreml nur mit großen Kuhaugen zuschaut, statt seinerseits „Influencer“ zu platzieren, wie er es zum Beispiel auch in der deutschen Politik und online in der „Alternativszene“ praktiziert? Irgendein „unbequemer“ Wirtschaftsboss, Politiker oder Medienfuzzi wird in eine der altbekannten „Sexfallen“ gelockt und das „Tape“ dann an die Presse „geleakt“, um ihn loszuwerden, falls er querschlägt oder eine bestimmte Politik nicht mittragen will. Diese steinalten Praktiken gibt’s von Ost bis West und Nord bis Süd.
Zur Erinnerung nur drei Beispiele: Dominique Strauss-Kahn. War er etwa der einzige Politiker, der jemals bei dubiosen sexuellen Eskapaden erwischt worden wäre? Lölchen. Er war aber einer derjenigen, die anderen Saubermännern wie zum Beispiel Nikolas Sarkozy im Weg standen. Deshalb war es ja auch reiner Zufall, dass genau zu der Zeit, da sich eine Hauptzeugin gegen ihn als etwas unseriös erwies, Scotty, eine bildhübsche junge Französin mit einem Gesicht, das nach allen Gesichtspunkten moderner Kindchenschema-Forschung wie von einem Top-PR-Berater persönlich modelliert, auf die Bildfläche beamte, um ihn bloß nicht vom Haken zu lassen. Bitte nicht missverstehen: Kahn war kein Unschuldslamm. Das Problem war nur, dass diejenigen, die ihn aus politischen Motiven aus dem Fenster kickten, selber ziemliche Dreckspatzen waren.
Zweites Beispiel: „Guillaume-Affäre“. Und als drittes und letztes, weithin bekanntes der jüngeren Zeitrechnung sage ich vielleicht noch „Merkels Handy“. Gottchen. Zum dritten und letzten Mal: Alle tun es. Das soll natürlich keine Rechtfertigung sein, sondern nur die Verhältnisse zurechtrücken.
Und überhaupt: Warum der unnötige Kostenaufwand? Spionageballons gibt’s sicher nicht für’n Appel und’n Ei, außerdem besteht das Risiko, dass man sie abschießt. Welch ein Quatsch. Stattdessen bräuchte Peking doch nur bei Facebook anzuklopfen, wenn es Daten über den Westen will. Oder bei einer dieser „Big Tech“- oder „Big Data“-Firmen. Die wissen doch schon alles.
Es überrascht mich zwar nicht, dass unleugbar Gute sich echauffieren und heftig durch die Nase schnaufen, wenn unleugbar Böse sich derselben Methoden bedienen wie sie (nur die Fürze der anderen stinken, und es ist völlig in Ordnung, wenn wir es tun), doch wittern meine kruden Sinne hier mal wieder mehr. Nämlich möglicherweise die Anbahnung eines Konflikts, der sich schon seit vielen Jahren abzeichnet und immer mal wieder angedeutet wurde. Suchen Sie sich einfach ein prädiktives Medium ihrer Wahl. Egal ob „Focus“, „SZ“, „FR“, „Merkur“, „n-tv“ – s’ ist einerlei.
„Merkur“, 29. Januar 2023 („US-General sagt Krieg zwischen USA und China für 2025 voraus“): „Washington D.C. (USA) – ‚Ich hoffe, ich täusche mich‘, schreibt US-Luftwaffengeneral Mike Minihan in einem Memo. Aber: ‚Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich 2025 kämpfen werde.‘ Das Memo ging am Freitag offenbar an Kommandeure der US-Air Force und lag NBC News vor. Minihan geht davon aus, dass China im Jahr 2025 in Taiwan einmarschieren werde und die USA dem Land beistehen. Die Anweisungen sind konkret.“
„Frankfurter Sozialdemokratische DDVG-Rundschau“, 1. Februar 2023 („2025 führen die USA mit China Krieg“): „Laut eines US-Kommandanten könnten die USA und China sich schon bald im Krieg befinden. Ob es so weit kommt, hängt eng mit dem Taiwan-Konflikt zusammen.“
Ich hab’ da auch so’n Bauchgefühl. Ein deftiges. Hatte ich in einem meiner Beiträge aus dem letzten Quartal 2022 auch schon beschrieben. Ausführlich.
Dass man einen möglichen Stellvertreterkrieg zwischen den USA und China um den Zankapfel Taiwan nämlich dazu nutzen könnte, um – ähnlich wie beim Stellvertreterkrieg zwischen USA/Russland in der Ukraine – nicht nur klassisch-militärisch-hegemoniale Duftmarken zu setzen, sondern dabei ganz andere Agenden massiv voranzutreiben. Ein Krieg um Taiwan hätte in vielerlei Hinsicht enorme „Vorteile“ für diejenigen, die besser rück- und vor allem eine Global Governance aufbauen wollen. Doch das lasse ich jetzt mal weg, denn es bringt nichts, allzu weit vorzugreifen, außerdem glaubt’s ja eh keiner.
Ein Taiwan-Krieg würde – ebenso wie der in der Ukraine – auf jeden Fall propagandistisch ausgeschlachtet werden, um ihn zur Hauptursache vieler weltwirtschaftlicher Probleme zu erklären. Vor allem aber, um manche davon überhaupt erst zu erzeugen, deren Lösung darin bestehen wird, eben etwas „nachhaltiger“ zu sein. Ich sehe die entsprechenden Schlagzeilen bereits so klar vor mir, als hätte ich sie selber geschrieben. Wie dieser Krieg die „Verwundbarkeit“ unserer „hoch vernetzten globalen Wirtschaftskreisläufe“ eindringlich demonstriert hätte, schon klar, und werfe ich einen Blick darauf, was nicht nur in Taiwan so alles hergestellt wird, sondern vor allem auch in China, grinst mich das Wort „Lieferkettenprobleme“ an wie eine fette, feiste Katze. Erst recht mit Blick auf die im Falle eines solchen Krieges erwartbaren Sanktionen gegen China, die Peking – türlich türlich – mit Gegensanktionen beantworten wird …
Egal. Zurück zum Kernthema.
Wie gesagt: „Informationskriege“ sind keine Erscheinung neuerer Zeitrechnung. Wer die besseren Informationen hat, ist im Vorteil. Nicht nur gegenüber „Feindstaaten“, sondern sogar gegenüber der eigenen Bevölkerung: Noch nie haben Herrschercliquen sich gerne in die Karten schauen lassen. Ein Informationsvorsprung kann natürlich auch zur Festigung und zum Ausbau einer Machtbasis genutzt werden. Auch wenn solche eigentlich uralten Erkenntnisse heuer natürlich Pfuibah sind.
So ulknudelte die „Zeit“ neulich mal wieder – im Zusammenhang mit hochgefährlichen delegitimierenden Selberdenkertheorien –, unter Schülern sei der Glaube, der Staat hege Geheimnisse und halte Informationen zurück, weit verbreitet. Warum so was geglaubt wird? Keine Ahnung. Wer die Straßen baut, kann ja nur das Beste der Menschen im Sinn haben.
Ich brauche sicher auch nicht zu erwähnen, dass in der Politik natürlich gleich wieder alarmistische Töne angeschlagen wurden.
„Die Zeit“, 4. Februar 2023 („Politiker zeigen sich alarmiert über mutmaßlichen Spionageballon“): „Auch wegen Chinas Nähe zu Russland äußern Politiker in Deutschland Besorgnis über verdächtige chinesische Ballons. Einige fordern einen nationalen Sicherheitsrat.“
Verdächtige chinesische Ballons? Äh. Plural? Zuerst war ich skeptisch, bis ich einen Blick in den Himmel warf und erschrak: Was sind das für komische Feuerbälle, die überall am Himmel aufleuchten? Ach so: nur die Explosionen, wenn westliches Fluggerät pausenlos mit chinesischen Schnüffelballons kollidiert. Die sind mittlerweile nämlich so dicht am Firmament gestreut, dass man bei einem wolkigen Spaziergang ganz entspannt und ohne Fallschirm von San Francisco bis Wladiwostok spazieren könnte, ohne Angst haben zu müssen, jemals abzustürzen.
Und was soll ein „nationaler Sicherheitsrat“ bitte bringen? Ding der Vergangenheit. Nein, nein, ich schlage konsequenterweise gleich einen gesamteuropäischen Sicherheitsrat für die USE vor (United States of Europe). Wenn schon, denn schon. Wie will man die Bürgen Eurasiens sonst vor asianischer Spionage schützen?
Mensch, fast vergessen. Sie fragen sich vielleicht, warum ich weiter oben Paarberater als physikalisches Paradoxon bezeichnet habe. Ganz einfach: Gewöhnlich existieren Menschen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort. Es ist ihnen verwehrt, an jedem Punkt des Universums gleichzeitig zu sein. Keine Ahnung, wie Paarberater das trotzdem schaffen.
Vielleicht, weil sie sich nur als Paarberater tarnen. Vielleicht sind es in Wahrheit chinesische Spionageballons. Die sind ja auch überall.
Bis nächste Woche.
Kommentare
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