Albanien: Nur Bares ist bei den Skipetaren Wahres
Tiefes Misstrauen gegen Banken und Staat
Seit mehreren Jahren wird die Sau einer bargeldlosen Gesellschaft durch das globale Dorf getrieben. Was kontrollsüchtige Polit-Psychopathen jubilieren lässt, löst bei freiheitsliebenden Menschen geradezu Entsetzen aus. Doch was ist von diesen Beschwörungen zu halten, dass das Bargeld schon in wenigen Jahren mehr oder weniger verschwunden sein wird? Ein Blick auf die Daten offenbart gravierende Unterschiede zwischen verschiedenen europäischen Ländern. Finnland, Schweden, die Niederlande oder das Vereinigte Königreich sind sicher die Länder, an die denkt, wer das baldige Bargeld-Aus kommen sieht.
Und auch in Ländern, in denen Cash nach wie vor das mit Abstand beliebteste Zahlungsmittel ist, haben Politiker dem Bargeld den Krieg erklärt. Seit dem 1. Januar 2020 zwingt etwa die ungarische Regierung Einzelhändler dazu, ihren Kunden digitale Bezahloptionen anzubieten. 60.000 Cash-only-Geschäfte waren davon betroffen. „Das Bargeld zu reduzieren ist eine Schlüsselaufgabe, die vor uns liegt“, gab Viktor Orbáns damaliger Staatsminister für Finanzen, Gábor Gion, bereits 2019 die Marschrichtung vor.
Und um nicht das geringste Missverständnis aufkommen zu lassen, was dabei das Ziel der ungarischen Regierung ist, ergänzte Gion: „Ungarns Bargeldnutzung gehört zu den höchsten in der EU, und das ist etwas, was wir angehen müssen. Hoffentlich können wir uns auf eine bargeldlose Zukunft freuen.“ Doch viele ungarische Einzelhändler bieten selbst für Lieferungen an die Haustür nach wie vor eine, von den Ungarn auch gerne genutzte Cash-on-Delivery-Option an. Manche Einzelhändler umgehen die Regelung auch dadurch, indem sie zwar ein entsprechendes Kartenlesegerät in ihrem Geschäft haben, dies aber mysteriöserweise ständig kaputt ist.
Aber auch wenn Regierungen fast überall in Europa einen Krieg gegen das Bargeld führen und – teils mit Anreizen, teils mit Verboten und Strafen – Bargeldnutzung reduzieren wollen, sind die Fortschritte mancherorts Gott sei Dank noch sehr überschaubar. Nach wie vor werden etwa in Albanien 96 Prozent aller Zahlungen mit Bargeld getätigt. Zum Vergleich: Der EU-Durchschnitt liegt bei 59 Prozent. Wenn Sie in Tirana den Bus nutzen wollen, haben Sie besser Bargeld dabei. Ihre Karte können Sie stecken lassen. Die Schaffner, die in Albaniens Hauptstadt in den Bussen mitfahren, können Ihnen beim Kauf eines Tickets für 40 Lek (34 Cent) zwar auch auf einen 200- oder 500-Lek-Schein herausgeben, nur ein Kartenlesegerät haben sie ganz sicher nicht dabei.
Und wenn Sie sich in Albanien über einen der, übrigens sehr professionellen und gut funktionierenden, Lieferdienste etwas zu essen bestellen, sollten Sie vorher in den Geldbeutel schauen, um sicherzustellen, dass Sie ausreichend liquide sind. Denn auch hier gilt: Cash only! Taxi? Nur mit Bargeld. Ein Bier in der Kneipe? Nur Bares ist Wahres! Und selbst wenn man ein Restaurant erwischt, das Kartenzahlung anbietet, heißt das nicht, dass das Lesegerät auch funktioniert oder der Betrag nur einmal abgebucht wird. Auch größere Summen wie Mieten oder der Kauf eines Autos werden in aller Regel mit Bargeld beglichen.
Und das macht Sinn in einem Land, in dem gerade mal nur rund 40 Prozent der Menschen überhaupt ein Bankkonto besitzen (der OECD-Durchschnitt liegt bei fast 92 Prozent). Selbst für den westlichen Balkan ist dies ein extrem niedriger Wert. Zum Vergleich: Im Kosovo haben rund 52 Prozent der Menschen ein Konto, in Montenegro sind es 68 Prozent, in Serbien 71 Prozent. Die Gründe dafür sind verschieden. Viele Albaner misstrauen nicht nur ihrer Regierung und staatlichen Institutionen, sondern auch den Banken. Außerdem ist die Eröffnung eines Bankkontos in Albanien nicht gerade eine unbürokratische Angelegenheit. Dazu kommt, dass in den ländlichen Regionen die Löhne so gering sind (manche Familien leben hier von umgerechnet fünf Euro pro Tag), dass eine Kontoeröffnung keinen Sinn macht. Was diese Leute an Geld besitzen, haben sie im Haus. Und das wenige, das Albaner verdienen, teilen sie ungern mit dem Staat. Cash ist dabei das Steuersparmodell Nummer eins.
Die albanische Regierung weiß, dass eine Reduzierung des Bargeldanteils nur über eine Erhöhung des Anteils an Bankkonten funktionieren kann. Doch selbst die Bank of Albania warnt, dass eine Erhöhung des Anteils digitaler Zahlungsgeschäfte auch dann kein Selbstläufer sein werde, da das Bezahlen mit Bargeld in Albanien auch zu einem nicht unerheblichen Teil in der albanischen Mentalität verwurzelt sei. Die Zentralbank hat dennoch bereits ein Maßnahmenpaket für „finanzielle Inklusion“ in die Wege geleitet, über das man eigentlich nicht mehr wissen muss, als dass es von der EU-Kommission in höchsten Tönen gelobt wird. In einem Bericht aus dem Jahr 2020 macht die EU-Kommission übrigens „das niedrige Niveau an finanzieller Bildung“ für den hohen Bargeldanteil in Albanien verantwortlich. Übersetzt heißt das: Die Albaner sind einfach zu dumm, die Segnungen einer bargeldlosen Zukunft zu verstehen, weswegen wir sie dringend in diese Richtung erziehen müssen.
Doch nicht nur, wenn es ums Bargeld geht, haben sich die Albaner in der Vergangenheit als schwer erziehbar erwiesen. Als ich vor zwei Jahren erstmals nach Albanien kam, galt in dem Land offiziell Maskenzwang in Innenräumen und im Freien. Doch gerade mal zwei bis drei Prozent der Menschen hielten sich an die entsprechende Vorschrift ihrer Regierung. Angesichts einer solch großen Verweigerung der Bevölkerung und Ladenbesitzern, die maskenlose Kunden im Zweifel gegen Polizeiwillkür verteidigten, war die Durchsetzung spätestens seit dem Frühjahr 2021 Geschichte. Die Covid-Impfquote zählt, selbst wenn man den viel zu hoch angesetzten offiziellen Zahlen vertraut, zu den niedrigsten in Europa. Der Umgang der meisten Albaner mit den Gängelungen während der Covid-Zeit steht exemplarisch für die albanische Haltung gegenüber staatlichen Autoritäten.
Da überrascht es auch nicht, dass anders als in Zentraleuropa die Covid-Propaganda zu keinem nennenswerten Anstieg an bargeldlosen Zahlungen geführt hat. Die Räuberpistole, dass der Kontakt mit Geldscheinen das individuelle Ansteckungsrisiko erhöhe, hat in Albanien praktisch niemand geschluckt. Im Gegenteil: Laut dem Chef der albanischen Zentralbank, Gent Sejko, stieg die Nachfrage nach Bargeld in Albanien entgegen dem weltweiten Trend sogar noch während der Covid-Jahre. Die Vereinigung der albanischen Banken zeigte sich über diesen Trend frustriert und forderte die albanische Regierung auf, Unternehmen gesetzlich dazu zu zwingen, auch Kartenzahlungen zu akzeptieren. Als Vorbild für so einen Schritt preist die „Shoqata Shqiptare e Bankave“ übrigens Orbáns Ungarn. Die albanische Regierung hat ihrerseits angekündigt, nun bald Papiertickets im öffentlichen Nahverkehr zu verbieten. Bis es so weit kommt, könnte aber noch viel Wasser die Lana runterfließen. Mit einer solchen Maßnahme würde Premierminister Edi Rama auch viele seiner eigenen Anhänger vor den Kopf stoßen, und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Opposition immer stärker auch die Straße mobilisiert.
Und auch das digitale e-Albania-Angebot wird nur schleppend angenommen. „Es gibt keine Notwendigkeit mehr für einen Bürger im Besitz einer Kreditkarte, vor einer Bank anzustehen, um für öffentliche Dienstleistungen bar zu bezahlen“, so Rama im Mai 2022, der die Schlangen vor den albanischen Banken eine „Schande“ nannte. Doch die Schlangen vor Albaniens Banken sind seitdem nicht kürzer geworden. Vielleicht ist die Frage also gar nicht, wann oder ob, sondern wo das Bargeld verschwindet. Die Transformation hin zu einer bargeldlosen Gesellschaft wird in Albanien, wenn sie denn überhaupt funktioniert, noch Jahrzehnte dauern.
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