US-Präsidentschaftswahlen 2024: Trump kann es nicht lassen
… doch sein Egotrip macht eine Wiederwahl unwahrscheinlich
Man will es kaum glauben, aber nach wie vor ist er der Mann, den es im Kampf um die republikanische Nominierung für die nächsten Präsidentschaftswahlen zu schlagen gilt: Donald Trump, dessen Wiederwahlkampagne nun seit ein paar Wochen offiziell angelaufen ist. Landesweite Umfragen zu diesem Zeitpunkt, die Trump vorne sehen, sollte man nicht zu ernst nehmen, zumal außer Trump und der früheren nationalen Sicherheitsberaterin Nikki Haley noch kein anderer Politiker der Grand Old Party seine Kandidatur erklärt hat. Dennoch sollte niemand die loyale Fan Base des früheren Amtsinhabers unterschätzen, die auch noch für die schlimmsten Aussetzer des mittlerweile 76-Jährigen eine Entschuldigung findet.
Seine Anhänger sehen in ihm den besten Präsidenten seit Ronald Reagan. Bewertet man Letzteren nicht nach seinen Sonntagsreden, sondern nach seiner tatsächlichen Bilanz im Amt, liegt die Latte hier aus freiheitlicher Sicht ohnehin nicht besonders hoch. Reagan hat wiederholt die Prinzipien verraten, die er in seinen Reden pathetisch beschworen hat. Und nein: Das lag nicht nur an einem demokratisch dominierten Kongress.
Trumps einziges Prinzip hingegen ist sein eigenes Ego. Und die Bilanz aus vier Jahren Trump ist aus libertärer Sicht geradezu verheerend.
Ich kann mich noch gut an einen Artikel im „American Conservative“ vor drei Jahren erinnern. Diesen begann der Autor Nick Hankoff, der immerhin auch Beiträge für das Mises Institut verfasst hat, mit den Worten: „Fürchtet euch nicht, Libertäre. Für Trumps Wiederwahl zu stimmen, bedeutet nicht, das geringere zweier Übel zu wählen. Vielmehr ist es eine Wahl für die Freiheit über die Tyrannei und eine Zurückweisung jener libertärer Globalisten, die Biden unterstützen.“
Mir ist kein einziger amerikanischer Libertärer bekannt, der Joe Biden unterstützt hat. Dafür aber einige Libertäre, die 2020 ihre Prinzipien an der Garderobe abgegeben, sich ins Wahllokal geschleppt und, wenn auch bisweilen mit etwas Unbehagen, ihre Stimme Donald Trump geschenkt haben. Ich glaube nicht, dass Trump erneut als Kandidat der Republikanischen Partei ins Rennen gehen wird. Und das nicht etwa wegen seiner Äußerungen nach den vergangenen Präsidentschaftswahlen, die seine Gegner zu Umsturzaufrufen umdeuten wollten. Man muss nicht an die Sinnhaftigkeit und Legitimation von Wahlen und Demokratie im Allgemeinen glauben, um die Präsidentschaftswahlen 2020 für offensichtlich manipuliert zu halten.
Nein, Trump wird scheitern, weil er es nicht lassen kann, seine eigenen Anhänger auch heute noch regelmäßig an Entscheidungen zu erinnern, die er für große Errungenschaften seiner Präsidentschaft hält, die aber für seine Anhänger, zumindest solche, denen der Maga-Kult noch nicht vollständig den Verstand geraubt hat, eine Zumutung darstellen.
Bis heute brüstet sich Trump mit der schnellen Beschaffung von Covid-Impfstoffen, mit denen er „100 Millionen Menschen auf der ganzen Welt“ gerettet habe. Anstatt die Impfung in „fünf bis zwölf Jahren“ zu testen und weiterzuentwickeln, sei es ihm zu verdanken, dass „schon nach neun Monaten“ ein Impfstoff zur Verfügung gestanden sei.
Damit lenkt Trump den Blick auf sein Handeln im Präsidentschaftswahljahr 2020 und erinnert seine treue Gefolgschaft an Dinge, die Politiker mit Verstand der natürlichen Amnesie ihrer Wähler anvertrauen würden – etwa wie er sich von Anthony Fauci am Rüssel durch die Manege des Covid-Desasters hat ziehen lassen.
Bis heute gilt in den USA ein Einreiseverbot für ungeimpfte Nichtstaatsbürger ohne Green Card. Das sorgte unter anderem dafür, dass der Tennis-Weltranglistenerste Novak Djokovic 2022 nicht an den US Open teilnehmen konnte. Eine Maßnahme, die zwar von Biden immer wieder verlängert, aber unter Trump eingeführt und bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt nicht zurückgenommen wurde.
Und möglicherweise ruft Trumps Prahlerei, wie meisterhaft er die Covid-Krise gehandhabt habe, dem ein oder anderen seiner Anhänger auch scheinbar längst vergessene Statements ihres Idols in Erinnerung – etwa einen Tweet Trumps vom 30. April 2020: „Entgegen Berichten, die das Gegenteil behaupten, bezahlt Schweden einen hohen Preis für seine Entscheidung, keinen Lockdown zu verhängen. Bis heute sind dort 2.462 Menschen gestorben, eine viel höhere Zahl als in den Nachbarländern Norwegen, Finnland oder Dänemark. Die USA haben die richtige Entscheidung getroffen.“
Eine Woche zuvor war Trump dem Gouverneur von Georgia, Brian Kemp, in die Parade gefahren, der (übrigens einen Monat vor Ron de Santis in Florida) den Shutdown in seinem Staat beendet hatte. Die Öffnungsschritte in Georgia brandmarkte Trump als eine Verletzung der CDC-Richtlinien. Er widerspreche diesen Öffnungsschritten scharf, so Trump.
Doch das war noch nicht alles. Einen Monat später erklärte Trump Thomas Massie, einer der wenigen Kongressabgeordneten, dem man guten Gewissens eine libertäre Gesinnung attestieren kann, den innerparteilichen Krieg und forderte dessen Ausschluss aus der Republikanischen Partei. Massie hatte es gewagt, nicht nur gegen Trumps zwei Billionen Dollar teures Covid-Hilfsprogramm zu stimmen, sondern auch eine Präsenzabstimmung darüber zu verlangen, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. „Ich bin heute hierhergekommen, um sicherzustellen, dass unsere Republik nicht durch einstimmigen Konsens in einer leeren Kammer stirbt, und fordere daher eine namentliche Abstimmung“, so Massie damals.
Genug, um Trump auf die Palme zu bringen. Massie sei ein „drittklassiger Wichtigtuer“, dem es nur um öffentliche Aufmerksamkeit gehe. „Gewinnen wir das Repräsentantenhaus zurück, aber lasst uns Massie aus der Republikanischen Partei werfen.“ Bei der vergangenen Kongresswahl wurde Massie übrigens mit einem guten Ergebnis wiedergewählt. Unterstützung erhielt er im Wahlkampf auch von Donald Trump. Ein Wendehals, wie er im Buche steht.
Doch auch jenseits von Covid schafft es Trump immer wieder, entweder selbst oder durch Familienmitglieder das eigene Versagen während der Amtszeit in Erinnerung zu rufen beziehungsweise Politikentscheidungen zurück in die öffentliche Wahrnehmung zu holen, die Zweifel an seinem Geisteszustand aufwerfen.
Als der frühere Verteidigungsminister Mark Esper in einem Vorabdruck seiner Memoiren in der „New York Times“ behauptete, Trump habe ihn gefragt, ob man nicht in einer Geheimoperation Produktions- und Lagerstätten für Drogen auf mexikanischem Boden bombardieren könne, hielt Trumps Sohn Donald Junior es für eine gute Idee, die Behauptung Espers nicht nur zu bestätigen, sondern auch noch zu verteidigen: „Ich bin immer noch dabei, die Gründe der gegenwärtigen medialen Empörung über die Absicht meines Vaters zu verstehen, die Produktionsstätten mexikanischer Drogenkartelle anzugreifen. Soll es sich dabei wohl um etwas Schlimmes handeln?“
Und manchmal sind es auch Gerichte, die Trumps Versagen wieder zurück ins öffentliche Bewusstsein rücken. Die Aufhebung des von Trump eingeführten Verbots von Schnellfeuerkolben durch den Fünften Appellationsgerichtshof in New Orleans im Januar war eine brutale Watschn für den Ex-Präsidenten, der sich gerne als Verteidiger des Zweiten Verfassungszusatzes inszeniert. Möge das Urteil Trumps Fans in Erinnerung rufen, dass ihre Waffen nur bis zum nächsten Amoklauf sicher sind.
Das Schnellfeuerkolbenverbot war übrigens nur auf Basis des „Firearm Owners Protection Act“ von 1986 möglich. Das von Ronald Reagan unterstützte und unterzeichnete Gesetz verbietet unter anderem den Verkauf nach 1986 hergestellter vollautomatischer Waffen in den USA. Mit einem Federstrich ließ die Trump-Administration einfach mal so Schnellfeuerkolben unter das Vollautomaten-Verbot fallen. Peinlich für Trump: Die Definition eines vollautomatischen Gewehrs ist höchstrichterlich klar geregelt. Zu argumentieren, „Bump Stocks“ würden halbautomatische Waffen in vollautomatische verwandeln, war von vornherein unhaltbar. Wenn es um den Verrat am „Second Amendment geht“, unterscheiden sich Reagan und Trump jedenfalls kaum.
Der bisher letzte Präsident, der nach seiner Abwahl eine erneute Amtszeit anstrebte, war übrigens Herbert Hoover, der wie kein anderer für das Versagen der Republikanischen Partei im 20. Jahrhundert steht. Und erst einmal kehrte ein abgewählter Präsident ins Weiße Haus zurück. Interessanterweise handelt es sich dabei um den Demokraten Grover Cleveland, der immer wieder, und nicht ganz zu Unrecht, in Listen der zehn libertärsten US-Präsidenten auftaucht. Eine Liste, in die Donald Trump ganz sicher nicht gehört.
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