02. März 2023

Autoscheiben kratzen am Morgen Die guten Deutschen und ihre grünbraunen Sonderbarkeiten

Die Chinesen steigen aufs Automobil um, wir treten jetzt erst recht in die Pedale

von André F. Lichtschlag

Die „Welt“ meldete kürzlich, dass mit dem geplanten neuen Gebäude-Energie-Gesetz der Staat auch die Heizungen der Bürger umfangreich überwachen wird – bis hin zur Raumtemperatur. Wie können die Menschen das nur mit sich machen lassen, fragen nun manche. Sie, insbesondere die Deutschen, wollen es ganz genau so, antworte ich. Denn wichtiger als die eigene Gängelung ist der hiesigen Neidgesellschaft, dass es der Nachbar nicht zu kuschelig hat. Schadet dem Franz ja nicht, zwei Grad weniger …

Im Deutschen von heute münden drei sich ergänzende und verstärkende Tugenden beziehungsweise Untugenden: erstens die legendäre deutsche Sparsamkeit, die vielleicht 200 Jahre oder noch viel älter ist. Zweitens der deutsche selbstzerfressende Neid, die Missgunst und die Blockwartmentalität, die zum ersten Mal vor 80, 85 Jahren so richtig dolle ausgelebt werden konnten und in den zurückliegenden Jahren der von so vielen Teutonen liebgewonnenen „Pandemie“ wieder pompös aufgeführt wurden. Und drittens das besondere deutsche „Umweltbewusstsein“, durch politmediale Dauergehirnwäsche antrainiert seit so ungefähr 40 oder 50 Jahren.

Diese drei aufeinander aufbauenden Lüsternheiten reichen tief ins Alltagsverhalten. Wussten Sie, dass es vor allem oder fast ausschließlich die Deutschen sind, die bei morgendlichen Temperaturen unter null Grad das Eis auf den Windschutzscheiben ihrer Autos herunterkratzen? Dass das nirgends sonst verbreitet ist? Oder dass es vor allem oder fast ausschließlich die Deutschen sind, die mit Lastenfahrrädern statt dem Auto zum Einkaufen fahren? Okay, die Holländer tun vielleicht noch mit, aber ansonsten sind die Chinesen froh, vom Fahrrad endlich runter und aufs Auto aufgesprungen zu sein. Fahrrad? Wofür haben wir denn dann das Auto?

Mir ist all das zuletzt bei einem Auslandsaufenthalt wieder bewusst geworden, von dem ich mit Bildern und ausführlich in der nächsten Druckausgabe von eigentümlich frei berichten werde. Inzwischen habe ich ein Alter erreicht, in dem ich mir anhand eigener Erfahrungswerte zutraue, das doch sehr sonderbare Alltagsverhalten meiner Landsleute zeitgeschichtlich einzuordnen.

Ich glaube nämlich, dass der neue grüne Deutsche nur die konsequente Ergänzung und Fortentwicklung des alten, erstens rational-sparsamen und zweitens irrational missgünstigen Deutschen ist. Deshalb auch gewannen zuerst und lange nur in Deutschland Umweltlisten und eine grüne Partei Parlamentsmandate, und darum ist die Umweltideologie ausschließlich im Alltagsverhalten hierzulande so besonders tief verankert wie nirgendwo sonst.

Ich erinnere mich, dass in den 70er Jahren meiner Kindheit, also vor der einsetzenden Umweltbewegung oder jedenfalls zu ihrem Beginn, bereits der Deutsche – und in der Welt wohl nur der Deutsche – morgens eisbelegte Autoscheiben gekratzt hat. Einfach ein paar Minuten den Motor laufen lassen, so wie es in anderen Ländern gehandhabt wird? Nein, weil Benzin kostet und der Deutsche vom Großelternhause aus sparsam ist. Und weil es ja alle so machen. Was soll denn der Nachbar denken!? Aus demselben Grund ist auch Oma Gertrud schon hin und wieder mit dem Rad statt mit dem Automobil zum Supermarkt gefahren. Für Nordamerikaner oder Osteuropäer zum Beispiel wäre auch das ebenso undenkbar wie Politiker mit Armbinden im Fußballstadion oder Spieler mit der Affenhand vorm Gesicht auf dem Spielfeld.

Natürlich ist das, was die Deutschen da im Winter so sportlich an der Windschutzscheibe treiben, auch hochgefährlich, denn fast immer sind die Fenster dennoch irgendwie beschlagen nach der elenden Prozedur, sind nicht ganz frei gekratzt – wer kennt sie nicht, die, die dann langsam losfahren und noch kaum etwas sehen, wird schon werden, irgendwann löst der laufende Motor eben doch auch ihr Problem. Nur, warum dann nicht gleich so?    

Weil die tief im Deutschen sitzende Umweltideologie die perfekte Rechtfertigung für den ureigenen Trieb zu Geiz und Neid, zu Kollektivismus und Überwachung ist – denn wir Scheibenkratzer und Lastenfahrradchauffeure sind jetzt nicht nur doppelplusgut, sondern auch moralisch noch ne Kratzscheibe obenauf besser. Jedenfalls in den eigenen Augen und vor allem denen unserer Nachbarn. Der Rest der Welt staunt: Was stimmt mit denen nicht?

Jetzt wissen Sie’s.


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