04. März 2023 19:00

Saisonstart der Formel 1 Mehr Motorsport, weniger Politik

Keine Bühne mehr für politische Statements?

von Thorsten Brückner

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An diesem Sonntag startet die Formel 1 in ihre mittlerweile 74. Saison. Der Glanz alter Tage ist schon lange verloschen. Die heutigen Fahrer wirken glattgeschliffen und sind sich nur selten dafür zu schade, sich auch noch für die dümmlichste politische Propaganda instrumentalisieren zu lassen. Die unrühmlichen Höhepunkte der vergangenen Jahre: der kollektive Kniefall für „Black Lives Matter“ in der Startaufstellung vor Rennbeginn in der Saison 2020, die Impfkampagne 2021 und in der vergangenen Saison die Behandlung russischer Fahrer.

Doch während 2020 noch zahlreiche Fahrer den politisch korrekten Kniefall verweigerten (darunter Max Verstappen, Charles Leclerc und Kimi Räikkönen) waren es 2021 dann 19 der 20 Piloten, die Motorsportfans belehren wollten, sich gegen Covid impfen zu lassen. Lediglich Kimi Räikkönen, für den es ohnehin seine Abschiedssaison werden sollte, machte nicht mit.

Doch während weder Black Lives Matter noch die Impfkampagne direkte Auswirkungen auf den Sport hatten (da sich alle Fahrer brav impfen ließen und so überhaupt erst teilnehmen durften), sieht dies beim Umgang mit russischen Fahrern anders aus. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges löste etwa das amerikanische Haas-Team im vergangenen Jahr nicht nur den Kontrakt mit Hauptsponsor Uralkali auf, sondern auch den Vertrag mit Nikita Mazepin, und das offensichtlich aus politischen Gründen. Der Fünftplatzierte der Formel-2-Weltmeisterschaft 2020 fuhr in seinem Formel-1-Debütjahr 2021 eine Grottensaison und konnte nicht annähernd mit Teamkollege Mick Schumacher mithalten.

Auch führte sich die Familie Mazepin im Fahrerlager und gegenüber dem Team teilweise auf wie die Axt im Wald und warf etwa Teamchef Günther Steiner vor, Mazepin absichtlich ein schlechteres Auto zur Verfügung zu stellen als Schumacher. Doch nichts davon hätte unter anderen politischen Umständen zur Vertragsauflösung geführt. Am Rennen in Silverstone hätte Mazepin ohnehin nicht teilnehmen dürfen, da Großbritannien russischen Fahrern kein Visum zur Verfügung stellte. Direkt davon betroffen war übrigens Formel-3-Fahrer Aleksandr Smolyar. Der sympathische Einzelkämpfer ohne großes Team im Rücken und mittlerweile dreifacher Grand-Prix-Sieger durfte in Silverstone nicht an den Start gehen. Für die FIA allerdings kein Grund, das Rennwochenende in Silverstone wegen Wettbewerbsverzerrung abzusagen. Mazepin war später zudem auch noch von einem generellen Einreiseverbot in die EU betroffen

Für den ersten russischen Formel-1-Piloten der Geschichte, Vitaly Petrov, Gründe, die Legitimation der gesamten Meisterschaft infrage zu stellen. „Ich halte keine Meisterschaft oder olympischen Titel für legitim ohne Russland“, so Petrov in einem Interview mit „Sport-Express“. Während russische Fahrer in der Formel 1 bisher nur mäßig erfolgreich waren, gilt dies laut Petrov nicht für den Rallye-Sport. „Wie oft haben unsere Sportler Dakar gewonnen! 19 Siege! Aber es geht nicht nur um Dakar, es geht um den gesamten Sport.“ Petrovs Appell: „Wir sollten aufhören, Angst zu haben, und Russland zurück in die Welt des Sports bringen.“

Dazu würde auch eine Rückkehr des Russland-Grand-Prix gehören. Doch 2023 findet sich im Kalender weder ein Rennen in Sotschi noch eines in Sankt Petersburg, wo das Formel-1-Rennen 2023 planmäßig hätte ausgetragen werden sollen. Stattdessen bekommen die USA mit Las Vegas in diesem Jahr zusätzlich zu Miami und Austin noch einen dritten Grand Prix. Klar trägt das auch dem wachsenden amerikanischen Markt Rechnung, doch wer 145 Millionen Menschen (darunter nicht wenige motorsportbegeisterte) ignoriert und vor den Kopf stößt, hat es schwer, mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu argumentieren.

Doch vielleicht überrascht uns die Formel 1 2023 ja auch mit einem weniger politischen Jahr und mehr Fokus auf den Motorsport. Private politische Äußerungen von Fahrern sind während der Rennwochenenden in diesem Jahr untersagt. Nach dem Rücktritt des rasenden Klimaschützers Sebastian Vettel betrifft dies in dieser Saison eigentlich fast nur noch Lewis Hamilton. Beim siebenfachen Weltmeister hat man bisweilen den Eindruck, dass er nur deswegen noch nicht zurückgetreten ist, um den Rennsport weiter als Bühne für seine politischen Statements nutzen zu können.

Das Politikverbot an Rennwochenenden brachte Hamilton dann auch erwartbar auf die Palme: „Nichts wird mich daran hindern, Dinge anzusprechen, für die ich mich leidenschaftlich einsetze“, so Hamilton trotzig. Darf er ja auch weiterhin, nur nicht an Rennwochenenden. Aber am Ende geht es bei der neuen Regel ohnehin nur darum, die Veranstalter in den Golfstaaten vor berechtigter Kritik an der dortigen Menschenrechtslage abzuschirmen. Kaum vorstellbar, dass etwa Kritik an der ungarischen Regierung während des Rennwochenendes am Hungaroring im Juli bestraft wird.

Als Fan wäre man ja schon zufrieden, wenn ein Fahrer zumindest in Sachen Sportpolitik mal auf den Putz hauen würde wie seinerzeit Ayrton Senna. Doch anstatt etwa die Inflation von Zeitstrafen anzuprangern, die dem Sport in den vergangenen Jahren viel Unterhaltungswert genommen hat, ist im Gegenteil die Unart, über den Boxenfunk Strafen für den Gegner zu fordern, weiter verbreitet denn je. „Er hat mich rausgedrängt“, tönt es weinerlich in praktisch jedem Rennen.

Da ist es erfrischend, dass in diesem Jahr statt Klima-Heuchler Vettel Nico Hülkenberg als einziger deutscher Fahrer in die Weltmeisterschaft geht. Hülkenberg hat sich in der Vergangenheit eher reserviert verhalten, wenn es darum ging, sich vor den Karren politischer Kampagnen spannen zu lassen, und auch sportpolitisch hat er immer wieder in klaren Worten Missstände angesprochen. Etwa beim Rennen in Japan im vergangenen Jahr, als er als ServusTV-Experte sein Unverständnis darüber äußerte, dass wegen Starkregens nicht gefahren wurde und das Rennen mit roter Flagge unterbrochen war. Angesprochen darauf, dass die Gischt die Sicht der Fahrer behindere, meinte Hülkenberg, damit müsse ein Formel-1-Fahrer doch zurechtkommen; ein Mann noch der alten Schule – genug damals für McLaren-Jungspund Lando Norris für einen Rundumschlag gegen „Sesselexperten“, die „ihren Mund halten sollen“.

Ein Rennen in Deutschland wird es auch in dieser Saison nicht geben. Die Max-Verstappen-Heimspiele in Zandvoort und Spielberg sind für deutsche Motorsportfans mit ausreichend Geld auf dem Konto die besten Gelegenheiten, Formel 1 an der Strecke zu erleben. Auch das Rennen in Österreich war im vergangenen Jahr übrigens von politischen Spielchen überschattet. Zahlreiche sogenannte Fans, die in sozialen Netzwerken relativ eindeutig einer politischen Richtung zugeordnet werden konnten, warfen Verstappens „Orange Army“ sexuelle Belästigung vor.

Außerdem hätten sich die holländischen Fans „homophob“ und „rassistisch“ verhalten. Die österreichische Polizei allerdings wusste damals von derartigen Vorfällen beim Rennen in der Steiermark nichts zu berichten und sprach von einem „überraschend ruhigen“ Rennwochenende. Das hielt allerdings Sebastian Vettel nicht davon ab, lebenslange Sperren gegen unbekannt zu fordern und die angeblich betroffenen Frauen zu sich in die Aston-Martin-Box einzuladen. Für die Formel 1 ist der Vettel-Rücktritt ein Segen. Und auch sein Aston-Martin-Team dürfte insgeheim froh über den Abgang des vierfachen Weltmeisters sein.

Mit Fernando Alonso hat das Team von Lawrence Stroll in diesem Jahr nicht nur den besseren Fahrer verpflichtet, sondern auch in politischer Hinsicht einen Anti-Vettel. Als Lewis Hamilton vor ein paar Jahren seine Fans dazu aufrief, aus Klimaschutzgründen kein Fleisch zu essen, war es der zweifache Weltmeister aus Spanien, der die Heuchelei des Mercedes-Piloten anprangerte. „Ich würde meine Ideen und Essgewohnheiten lieber für mich behalten“, sagte Alonso damals. „Wir kennen alle den Lebensstil, den Lewis und ich haben, den Formel-1-Fahrer haben, die jedes Jahr 200-mal fliegen. Da kann man dann doch nicht den Leuten sagen: Esst kein Fleisch!“


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