07. März 2023 13:00

Grund zur Zuversicht Das sind ja alles Stümper

Die Akzeptanz, nichts mit dem Politpersonal gemein zu haben, eröffnet eine positive Perspektive

von Christian Paulwitz

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Täglich möchte es einem mehrfach durch den Kopf gehen, was für eine absurde Show einem da geboten wird. Angesichts der Sprüche und Schlagzeilen aus dem Brüsseler und Berliner Politikbetrieb inklusive der darunterliegenden Ebenen von Land und Kommunen mag sich der eine oder andere immer wieder Augen und Ohren reiben. War es jüngst der Beschluss, den Verbrennungsmotor ab 2035 zu verbieten und damit den motorisierten Individualverkehr weitgehend abschaffen zu wollen, folgte letzte Woche die Ankündigung des Ministers, der sich mit Hilfe der staatlichen Justiz gegen die Betitelung als „Vollidiot“ zu wehren versucht, ab 2024 den Einbau von Gas- und Ölheizungen zu verbieten.

Als „retardierendes Moment“ bezeichnet man in der Dramaturgie eine Szene nach (!) dem Höhepunkt des Handlungsverlaufs, die zur Erhöhung der Spannung für eine gewisse Zeit einen anderen Ausgang als eigentlich erwartet wahrscheinlicher aussehen lässt. Nachdem in Brüssel das Schicksal des Verbrennungsmotors mit der Zukunft der Europäischen Union verknüpft wurde, hat nun einer der Nebenschauspieler des Stücks „So haltet ein und kommet zur Besinnung!“ gerufen und die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich gelenkt. Kurzzeitig ein wenig Rampenlicht; ob es für das von wirtschaftlicher und geistiger Insolvenz bedrohte Schauspielhaus noch reichen wird, ihm bei guter Performance im nächsten Stück eine hervorgehobenere Rolle anzubieten, darf allerdings bezweifelt werden.

Es geht um Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der die Zustimmung der Bundesregierung zum Beschluss des sogenannten EU-Parlaments für das Verbot des Verbrennungsmotors für Neufahrzeuge verweigern will und damit eine Mehrheit in der Ministerrunde gefährdet, die nach dem Parlamentsbeschluss noch notwendig sei. Eigentlich galt diese als Formalie, denn wenn eine Sache mal durch das Parlament durch ist, läuft sie eigentlich weiter durch – wie geschmiert, hätte ich fast gesagt. Doch nun wurde entschieden, die Abstimmung, die für den heutigen Dienstag angesetzt war, zu verschieben. Das ist nämlich in lupenreinen demokratischen Strukturen so üblich, dass man Abstimmungen, bei denen das Falsche rauszukommen droht, möglichst nicht stattfinden lässt, sondern lieber etwas Zeit gewinnt, um mehr oder auch weniger dezent im Hintergrund vorzubereiten, dass dann bei der Abstimmung doch das Richtige rauskommt und die Demokratie somit nicht in Gefahr gerät.

Sollten Sie jetzt vielleicht denken „Ist doch gut, dass die FDP in der Regierung ist und wenigstens das Schlimmste noch verhindern kann“, dann dürften Sie – verzeihen Sie mir – dramaturgisch nicht sehr erfahren sein. Natürlich ist diese Reaktion genau das, was der Autor des Stücks bezwecken will – obwohl die gesamte bisherige Handlung dem widerspricht, soll der Zuschauer sich gegen seinen Verstand aufs Glatteis führen lassen und einen Ausweg aus der sich anbahnenden Katastrophe (bitte den Ausdruck nur dramaturgisch verstehen) für möglich halten, also in diesem Fall das baldige Ende der EU aufgrund der unauflösbaren Verstrickungen, in die sie sich begeben hat.

Trotz der Hoffnung, die das retardierende Ereignis wecken soll, ist bereits das Scheitern auch dieses Ansatzes von Beginn an erkennbar. Lässt sich der Zuschauer von der Emotion mitnehmen und muss im Nachhinein erkennen, dass er seinen Verstand quasi sehenden Auges hat übertölpeln lassen, so bereitet dies dem Dramaturgen besondere Freude. Denn der Einwurf in den Handlungsablauf ist ja kein Wachrütteln des gesunden Menschenverstands, den ganzen Quatsch wegen seiner selbstzerstörenden Auswirkung einfach abzublasen. Vielmehr schwiemelt Wissing was herum von wegen, man müsse doch Verbrennungsmotoren erhalten können, wenn sie mit „klimaneutralen“ Kraftstoffen betrieben würden. – Klar, hier wird nur Zeit geschunden, um das Publikum von der sich anbahnenden Katastrophe abzulenken und es obendrein ein wenig zum Narren zu halten.

Im Grunde ist das Stück ja grottenschlecht – sowohl das Drehbuch als auch die Inszenierung. Ich hege ernsthaft Zweifel, dass manche Schauspieler überhaupt wissen, in welchem Stück sie spielen, ja sogar, ob der Autor das weiß – welche Flasche das auch geschrieben haben mag. Und dann alles so uniform nach demselben Muster … wetten, die Geschichte mit dem Heizungsverbot wird genau nach demselben Schema gespielt? Ein Publikum, das etwas auf sich hält, kann sich das nicht bieten lassen – einfach aufstehen und sich anderen Dingen zuwenden.

Vielleicht gehen Sie gerne ins Theater? Oder Sie sehen gerne Filme an und steigen da auch emotional voll in die Handlung ein? Können Sie sich gar mitunter mit dem einen oder anderen Hauptdarsteller identifizieren – zumindest ein bisschen? – Sicher nur, wenn es ein sehr guter Film, eine überzeugende Geschichte, große Momente, erstklassige Schauspieler sind. In der Politik finden Sie nichts von alledem – trotz ergaunerten Milliardenetats. Dennoch gibt es wohl viele Menschen, die darauf einsteigen, immer wieder auf „ihr Team“ setzen – so wie bei Sportwetten, bei denen man weiß, dass sowohl Spieler als auch Schiedsrichter von unbekannten Dritten bestochen sind. Manche halten unverdrossen ihre Überzeugung hoch, die Aufgabe der von ihnen „Gewählten“ sei, zu ihrem Nutzen zu handeln und sie nach außen zu vertreten, obwohl sie genau sehen und erkennen, dass gerade gegenteilig gehandelt wird. Ich halte das für würdelos – so wie wenn erwachsene Menschen intellektuell nicht in der Lage sind, Fiktion und Realität zu unterscheiden, wenn sie einen Spielfilm anschauen. Es besteht im Politbetrieb kein Erkenntnisproblem, sondern ein nicht auflösbares Problem unterschiedlicher Interessen. Davon abgesehen sind Show und Schauspieler einfach nur grottenschlecht! Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit gegen sich selbst, sich da auszuklinken, und zur Selbstachtung, sich nicht mit so etwas gemein zu machen.

Jetzt sagen Sie: Ausklinken wäre ja ganz schön, aber die Bande lässt einen ja nicht in Ruhe. Das stimmt, und dabei ist es obendrein irritierend, dass Personen ohne jegliche Skrupel bei der Anwendung von Verbotsgewalt und dem Zugriff auf ehrlich erworbenes Eigentum anderer Leute, selbst nicht einmal das eine oder andere bloße Wort der von ihnen Angegriffenen auszuhalten vermögen. Mit „ausklinken“ meine ich vielmehr die Akzeptanz, dass man tatsächlich und unabänderlich auf verschiedenen Seiten steht – Vorschriften setzende Politik einerseits und normale, ehrlich lebende Menschen andererseits. Nichts verbindet. Gar nichts. Hat man dies einmal angenommen, ist nichts negativ daran, wenn schon, dann wenigstens von Stümpern regiert zu werden, denn sie müssen ja zwangsläufig früher oder später scheitern. – Wäre doch viel schlimmer, wenn das alles fähige Köpfe wären, oder?

Schon, schon, auf kurze Sicht richten Sie enormen Schaden an; man muss sich in acht nehmen und versuchen, sich in unruhigen Zeiten so gut es geht abzusichern. Wenn jedoch die Zeit der Zerstörungen vorbei ist und die des Wiederaufbaus kommt – und sie wird natürlich kommen – hat das aktuelle Personal und seinesgleichen nichts mehr mitzuspielen. Verbieten und kaputtmachen, dazu konnte man sie gebrauchen. Für den Neuaufbau wird ein anderer Menschenschlag von sich reden machen, der nach wie vor existiert: Produktive Menschen. Um die positive Perspektive zu erkennen, muss nur der Zeithorizont etwas erweitert werden. Das ist nicht einmal eine Frage von Alter oder Status, denn wesentliche Fähigkeit des Menschen ist, sogar über sich selbst hinausdenken zu können. Mitunter geht es aber auch manchmal ziemlich schnell, wenn die Zeit reif ist.


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