Täglich die Kriegswirtschaft sabotieren: Jederzeit bereit für friedliche Kooperation
Umgangsformen und persönliche Ausstrahlung gewinnen gerade an Bedeutung
von Christian Paulwitz drucken

Vor ein paar Tagen saßen wir mit einem befreundeten Ehepaar zusammen, das in Regensburg lebt. Er, der sonst eher selten unter die Leute geht, erzählte von seinem kürzlichen Besuch des Stadtfests und wie er die Atmosphäre dort wahrgenommen habe. Viele junge Leute seien da gewesen, häufig in bayerischer Trachtenmode. Die jungen Männer hätten auf ihn einen positiv-selbstbewussten Eindruck gemacht, so als ließen sie sich nicht unbedingt von jedem etwas sagen. Das Erlebnis hat ihm offenbar einen positiven Impuls gegeben, dabei ist anscheinend nichts Großartiges passiert. Positive Ausstrahlung von Menschen wirkt positiv auf andere Menschen, die diese wahrnehmen, ohne dass es sonst zu Interaktionen kommen muss. Mag sein, dass mein Freund einen Moment hatte, in dem er besonders offen war, das Positive auch wahrzunehmen. Das mindert die Bedeutung des Erlebten nicht, eher im Gegenteil. Vielleicht hat auch der eine oder andere, der anonym solch einen Eindruck mit ausgelöst hat, die positive Aufnahme gespürt und etwas Ähnliches zurückbekommen.
Am Nachmittag desselben sommerlich-warmen Tages hatte ich ein ähnliches Erlebnis, als mir auf einem Supermarktparkplatz zwei sich miteinander unterhaltende Mädchen entgegenkamen, denen ich beim Passieren unwillkürlich hinterherlächeln musste. Nicht wie ein Mann, der einem hübschen Mädchen nachsieht – dafür waren sie zu jung –, sondern wie ein älterer Erwachsener, der sich an jungen Leuten mit guten Manieren freut. Sommerkleider mit freundlichen Farben, keine Tätowierungen, kein Blick in ein Smartphone, sondern im unaufgeregten, aber aufeinander eingehenden Gespräch miteinander. Das war’s – keine Ahnung, was Gegenstand des Gesprächs war, die Ausstrahlung war positiv und ich hatte sozusagen einen positiven Kick mitgenommen.
Seither muss ich darüber nachdenken, ob nicht gerade etwas in Veränderung ist, was über die – alles andere als geringe – Bedeutung einzelner Erlebnisse hinausgeht. Während wir Älteren das große Gesamtbild zu erfassen suchen und den zivilisatorischen Niedergang spüren, baut sich bereits die Gegenbewegung in einem Maßstab auf, den wir wahrscheinlich unterschätzen. Die zunehmende Unsicherheit als Kennzeichen unserer Zeit lässt viele jungen Menschen früher und erfolgreicher nach dem eigenen Selbst suchen, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. Die Zeit des Tätowierungsbooms, ein Ausdruck der Suche nach einer externen Lösung für die empfundene fehlende Übereinstimmung mit dem eigenen Körper, scheint mir auch vorbei zu sein. Am Badestrand sieht man vor allem die Altersklassen ab den 30ern, die sich früher haben zeichnen lassen und dies nicht rückgängig machen können; kaum noch deutlich jüngere.
Die Anspruchshaltung, die auf den Versprechungen des übergriffigen Sozialstaats gründet, führt nicht weit, wenn dessen Konzept in absehbarer Zeit nicht mehr funktioniert. Vieles spricht dafür, dass junge Menschen das früher spüren und ihr Verhalten früher und effizienter anpassen können als ältere. Dazu kommt das Bedürfnis, andere Wege zu suchen als die vorgelebten. Es ist nicht notwendig, dass dies ein reflektierter Prozess ist. Jeder Mensch sucht seine Bedürfnisse zu befriedigen und wählt dazu die ihm am erfolgversprechendsten erscheinenden Methoden. Entscheidungsbasis für das eigene Verhalten ist die ganz persönliche Summe aus unzähligen gewonnenen und gewerteten Eindrücken und Informationen.
Positive Ausstrahlung eines Menschen ist ein Zeichen dafür, dass er (mehr oder weniger) mit sich im Einklang lebt und handelt. Er hat die Erfahrung gemacht, dass er eigene Ziele im Austausch mit anderen erreichen kann, aus der auch der jeweils andere Beteiligte einen Nutzen ziehen kann. Das stärkt das Selbstbewusstsein und die Bereitschaft, diesen Weg weiterzuverfolgen. Weit bevor die Kommunikation für eine konkrete Handlung beginnt, deren Möglichkeit man erst einmal erkennen muss, steht die nonverbale Kommunikation. Es erweist sich als nützlich, negative Befindlichkeiten nicht ständig zur Schau zu stellen und höfliche Umgangsformen anzuwenden, die die eigene Person formal gegenüber dem anderen etwas zurücknehmen, um Nicht-Aggressivität und freundlichen Respekt zu signalisieren. Das führt wiederum zu einer direkten positiven Rückwirkung auf das eigene Befinden.
Wer diese Erfahrungen macht und immer wieder anwendet, wird auch immer wieder erfolgreich sein können im freundlichen Austausch und entsprechend an Selbstbewusstsein gewinnen. Je mehr uns die tägliche Propaganda in der heutigen Zeit von „Ansprüchen“ aufgrund von „Bedürfnissen“ erzählt, der die „Gesellschaft“ nachkommen müsse, desto offensichtlicher wird die Unfähigkeit des staatlichen Konstrukts, der daraus seine Rechtfertigung zieht, diese zu erfüllen. Das Konzept ist nicht nur am Ende – es wissen auch immer mehr darum und passen ihr Verhalten an, auch wenn es sich nicht um einen reflektierten Prozess handeln muss. Daraus entsteht eine sich selbst verstärkende Dynamik, die den Ausbau der Kommandowirtschaft am Ende des Systems Wohlfahrtsstaat sprengen wird und die Lösung bereits in sich trägt.
Vergangene Woche lief ich abends in einem Urlaubsort in Kroatien die Straße entlang, während mir drei Jungs entgegenkamen, Alter so etwa 13 bis 15. Zufällig habe ich da ein Milei-Hemd getragen („Viva la libertad, carajo!“). Ich selbst nehme in der Regel eigentlich kaum wahr, was Passanten so auf ihrer Kleidung geschrieben haben, weil es sich meist auch nicht lohnt. Allenfalls mit etwas Muße im Café, wo jemand länger am Nachbartisch sitzt und man die Zeit hat, irgendeinen Werbespruch einer Modefirma zu entziffern. Doch einer der Jungs, der sich noch gerade zuvor mit seinen Kumpels unterhalten hatte, sprach mich unvermittelt auf Englisch an: „Sir, where have you bought this T-Shirt? … That’s a good one!“.
Spontan, völlig selbstbewusst sowohl gegenüber mir als auch neben seinen Freunden. Offenbar eine unbeschwerte, natürliche Reaktion auf die externe Triggerung einer eigenen Einstellung. Respekt!
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