Drogen und Waffenbesitz: Das Zweite Amendment gilt auch für Kiffer
Ein Fall aus Oklahoma lässt aufhorchen
Offiziell befürwortet die Biden-Administration die Legalisierung von Cannabis. Erst vergangenen Herbst gab das Weiße Haus mit großem Tamtam die Begnadigung von Tausenden von Häftlingen bekannt, die ausschließlich wegen eines entsprechenden Drogendelikts in Bundesgefängnissen einsitzen. Doch während die Regierung öffentlichkeitswirksam eine verschwindend geringe Zahl an Häftlingen begnadigt, ist es Bidens Justizministerium, das nun vor dem 10. Bundesberufungsgericht die Kriminalisierung von Cannabis für eine bestimmte Personengruppe verteidigen will: Waffenbesitzer.
Im Februar hatte Bundesrichter Patrick Wyrick mit einem Urteil für Aufsehen gesorgt. Wyrick verwarf die Anklage gegen Jared Michael Harrison, dem im vergangenen Jahr zum Verhängnis wurde, dass die Polizei in Oklahoma Cannabis und eine Handfeuerwaffe in seinem Wagen gefunden hatte. Wyricks Begründung hatte es in sich. Harrisons „bloßer Status als Marihuana-Konsument“ rechtfertige nicht, „ihn seines fundamentalen Rechts zu berauben, eine Pistole zu besitzen“. Cannabis-Konsum sei „keine gewalttätige Handlung“.
Zudem gab der von Donald Trump berufene Richter zu bedenken, dass Cannabis in zahlreichen Bundesstaaten legal zu erwerben sei (darunter auch in Oklahoma aus medizinischen Gründen). Doch da Cannabis auf der Bundesebene weiterhin offiziell als illegale „Schedule 1“-Substanz gilt, disqualifiziert ein „Cannabis-Delikt“ aus Sicht des Justizministeriums automatisch für den legalen Waffenbesitz.
In seinem Urteil geht Wyrick auch auf die Konsequenzen der bestehenden Rechtslage für das Zweite Amendment ein. „Ein Parlament könnte den Zweiten Verfassungszusatz ganz einfach umgehen, indem es jedes Delikt, egal wie belanglos, zum Verbrechen erklärt und damit so viele Bürger wie möglich ihres Rechtes beraubt, Handfeuerwaffen zu besitzen.“ Wyrick skizziert folgenden hypothetischen Fall: Ein Bundesstaat könnte das Mähen des eigenen Rasens verbieten und zur Straftat erklären. Damit würde ein legaler Waffenbesitzer durch das Mähen des eigenen Rasens zum illegalen Waffenbesitzer. Zu weit hergeholt? Keineswegs. Die Anwälte des Justizministeriums bestätigten auf Wyricks Nachfrage, dass auch in diesem Fall gelten würde, was bei Cannabis gilt: eine „Straftat“ und die Waffen sind weg.
Andere von Trump ernannte Richter gelangen bei dem Thema jedoch zu einer gegenteiligen Auffassung. Bundesrichter Allen Winsor verwarf im vergangenen Herbst eine Klage von Floridas Landwirtschaftskommissarin Nikki Fried. Die Demokratin, die in ihrem Amt vier Jahre lang für die Erteilung von Waffenlizenzen verantwortlich war, hatte argumentiert, dass zumindest Konsumenten von medizinischem Cannabis nicht in ihrem Recht eingeschränkt werden dürfen, eine Waffe zu besitzen. 2020 hatte die Biden-Administration die Regierung des ebenfalls von den Demokraten regierten Michigan gerügt. Die Cannabis-Gesetze des Bundesstaates hätten es Freizeitkonsumenten ermöglicht, legal in den Besitz von Waffen zu gelangen.
Selbst die inzwischen weichgespülte Waffenlobbyorganisation „National Rifle Association“ (NRA) scheint das Problem nun endlich erkannt zu haben und fordert eine Gesetzesänderung. „Es wäre ungerecht, wenn die Bundesregierung einer Person ein Verfassungsrecht verwehrt, nur weil diese Person eine Substanz benutzt, die der jeweilige Bundesstaat legalisiert hat“, sagte die NRA-Medienbeauftragte Amy Hunter dem libertären Magazin „Reason“.
Vor dem 10. Berufungsgericht in Denver, Colorado, fechtet die Bundesregierung nun Wyricks Urteil an. Viel spannender als der Ausgang des Verfahrens ist aber das doppelte Spiel, das die Biden-Administration spielt. Sowohl Biden als auch Vizepräsidentin Kamala Harris haben eine unrühmliche Vergangenheit, wenn es um die Verfolgung friedlicher Cannabis-Konsumenten geht. Doch unter dem Druck der eigenen Klientel war die Positionsänderung für einen demokratischen Präsidenten genauso notwendig wie damals Obamas Schwenk von einem Gegner zu einem Befürworter der Homo-Ehe.
Nicht zu dieser Klientel gehört die nicht geringe Zahl an Waffenbesitzern, die sich hin und wieder gerne mal einen Joint anzündet. Dabei ist es gerade diese Personengruppe, von der am wenigsten zu befürchten ist, dass sie ihre Waffen missbräuchlich einsetzt. Cannabis zu konsumieren ist nicht nur „keine gewalttätige Handlung“, wie Wyrick zurecht anmerkt, sondern ihr Konsum führt im Gegenteil doch eher zu Ausgeglichenheit und Friedfertigkeit.
Für die US-Administration sind kiffende Waffenbesitzer lediglich Kollateralschäden in ihrem Krieg gegen den privaten Waffenbesitz. Erst im vergangenen Monat unterstützte die US-Regierung mit einem dreistelligen Millionenbetrag die Durchsetzung sogenannter „Red flag laws“ in den 19 Bundesstaaten mit entsprechender Regelung. Dort reicht bisweilen schon eine Denunziation bei der Polizei aus, um aus einem legalen einen de facto illegalen Waffenbesitzer zu machen. Das Ziel der gegenwärtigen US-Regierung: so viele Amerikaner wie möglich entwaffnen, ohne dabei neue Gesetze beschließen zu müssen, für die man keine Mehrheiten hat.
Möglich ist diese Strategie auch deshalb, weil zu wenige Wähler auf beiden Seiten für Rechte eintreten, die sie selbst nicht in Anspruch nehmen oder deren Ausübung sie gar ablehnen. Man muss kein Stoner sein, um den „Krieg gegen die Drogen“ der US-Regierung für etwas Verwerfliches zu halten, und kein Waffennarr, um den Zweiten Verfassungszusatz als Abwehrrecht gegen den Staat zu verteidigen. Einzelne Rechte gegeneinander ausspielen, können beide große Parteien gut. Die Freigabe von Cannabis auch auf Bundesebene ist dennoch nur noch eine Frage der Zeit, alle Zeichen stehen auf baldige Legalisierung. Auch für Waffenbesitzer sind das gute Aussichten.
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