22. März 2023 07:00

Corona und die Folgen Wer zieht die Politiker zur Rechenschaft?

Warum ein Untersuchungsausschuss nichts bringt

von Oliver Gorus

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„Ich persönlich zum Beispiel würde es schätzen, wenn wir eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag einsetzen würden, die alle Fehler, alle Schäden dieser Pandemiepolitik einmal untersuchen würde, um es beim nächsten Mal besser zu machen, damit wir nicht wieder in eine solche Schwarz-weiß-Republik verfallen: Entweder du bist dafür oder du bist ein Corona-Leugner. Nein, es gab wissenschaftliche Stimmen, die nicht gehört wurden, die vor einzelnen Maßnahmen auch gewarnt haben. Und unsere Diskussionskultur muss in Zukunft da besser werden. Das ist eine Lehre, die ich aus der gesamten Pandemie ziehe.“

Wer hat’s gesagt? Laschet war’s, im ZDF am 20. März 2023. Diese auf den ersten Blick vernünftige Aussage enthält ziemlich viel.

Zunächst: Weder von Baerbock noch von Scholz oder Söder gab es in den letzten drei Jahren ähnlich vernünftige Töne. Bis heute nicht. Wäre uns also so manches erspart geblieben, wenn Laschet nicht beim Lachen im Ahrtal erwischt worden und stattdessen Bundeskanzler geworden wäre?

Wendehälse

Ich bin sicher, dass dies zu glauben ein Kurzschluss wäre. Nach all den gemachten Erfahrungen gehe ich keinem Politiker mehr auf den Leim. Auch nicht Tante Laschet. Denn er hat sich so ja nicht etwa vor einem halben oder ganzen Jahr geäußert, als es dafür noch kräftigen Gegenwind gegeben hätte und er dafür von den Medien und seinen politischen Gegnern als Querdenker, Coronaleugner, Schwurbler oder Covidiot verunglimpft worden wäre.

Sondern er sagt so was erst jetzt, nachdem die Corona-Maßnahmenkrise vorbei ist. Erst jetzt, angesichts der vielen Belege, dass die Maßnahmen nicht nur kaum etwas genützt, sondern eher gigantische Schäden an Gesundheit, Vermögen und Zusammenhalt der Gesellschaft verursacht haben. Erst jetzt, da sonnenklar ist, dass Schweden ohne Maßnahmen viel besser dasteht. Erst jetzt, da die Impfschäden nach und nach ans Licht kommen. Erst jetzt, da der Wind sich spürbar dreht.

Politiker sind Opportunisten von Beruf. Sie loten vielleicht mal die Stimmung aus wie etwa Kubicki, wenn es dann aber dazu kommt, in Abstimmungen Farbe zu bekennen, heulen sie mit ihrer Meute.

In den meisten Fällen horchen sie am Puls der Zeit, um dann, wenn sie eine öffentliche Stimmungslage identifiziert haben, in diese Windrichtung zu schwenken und dabei so schnell wie möglich die extremsten Positionen zu vertreten, damit ihnen niemand zuvorkommt und niemand sie überbieten kann. Merkel hat ihren Job in diesem Sinne verstanden und den professionellen Opportunismus als Politikstil geprägt. Ihre Nachfolger in allen Farben machen es nun genauso.

Der Foulspieler, der sich selbst vom Platz stellt

Eine Enquete-Kommission ist also auf dem Tisch. Das ist ein regulärer Untersuchungsausschuss des Bundestags, eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe aus Politikern und von Politikern ausgesuchten Experten zur Untersuchung eines Sachverhalts. Ein Viertel der Mitglieder des Bundestags kann ihn einberufen. Derzeit müssten sich also 184 Abgeordnete einig werden. Die CDU/CSU hat alleine 197 Sitze. Laschets Fraktion hätte also als Oppositionspartei einen solchen Ausschuss schon längst einberufen können, um der Regierung zuzusetzen.

Aber was sollte eine solche Enquete-Kommission, wenn sie denn zustande käme, außer Tugendsignalisierung bewirken? Haben die Politiker auch nur ein entferntes Interesse, sich selbst zu maßregeln? Denn sie haben ja so gut wie alle mitgemacht.

Mit einem Untersuchungsausschuss könnte die Opposition vielleicht die Regierung unter Druck setzen, um Aspekte der Regierungspolitik zu durchleuchten. Bei den Corona-Maßnahmen war es aber so, dass es gar keinen Unterschied zwischen Regierungs- und Oppositionskurs gab. Die eigentliche Opposition war außerparlamentarisch, Sie konnten sie auf den Montagsspaziergängen und auf Telegram und Twitter finden.

Der Bundestag hat fraktionsübergreifend fast alles mitgemacht: der Exekutive mit dem neuen Ermächtigungsgesetz namens Infektionsschutzgesetz freie Hand gegeben. Alle Maßnahmen, auch die extremsten, durchgewunken. Auf immer die gleichen Experten gehört und alle anderen Stimmen diffamiert. Miserable Zahlen und Daten akzeptiert und auf dieser untauglichen Wissensbasis immer neue Grundrechtseinschränkungen beschlossen. Die Ungeimpften diskriminiert und zum Sündenbock gemacht.

Die Politiker des Bundestags waren ja sogar mit deutlicher Mehrheit für eine allgemeine Impfpflicht, sie konnten sich lediglich nicht auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf einigen. Auch Laschet hat im April 2022 für die Unions-Variante der Impfpflicht gestimmt.

Sowohl die Regierung als auch die Opposition haben in dieser Bewährungsprobe komplett versagt. Sie haben ihre diesbezügliche Pflicht versäumt, bei den Maßnahmen Nutzen und Risiken sorgfältig abzuwägen. Sie haben versäumt, unterschiedliche wissenschaftliche Meinungen zu Wort kommen zu lassen. Sie haben mit der hemmungslosen Einschränkung der Grundrechte das Grundgesetz in den Staub getrampelt. Sie haben Demonstrationen und Kritik gegen ihre Corona-Politik mit Gewalt unterbunden. Sie haben den Grundkonsens, die Basis des Zusammenhalts der Gesellschaft aufgekündigt und gegen eine als Sündenbock markierte gesellschaftliche Gruppe gehetzt wie in den beiden deutschen Unrechtsstaaten des 20. Jahrhunderts.

Und nun sollen genau dieselben Versager ihre eigene Pandemiepolitik untersuchen? Soll der Falschparker sich selbst einen Strafzettel schreiben? Soll ein Foul begehende Fußballer sich selbst die Rote Karte geben? Soll der Korrupte seine eigene Affäre aufdecken?

Dass dabei irgendetwas herauskäme, glauben die ja wohl selber nicht.

Schwamm drüber?

„Um es beim nächsten Mal besser zu machen“, sagt Laschet. Beim nächsten Mal? Ich bin doch wohl ganz schwer der Meinung, dass es ein „nächstes Mal“ nicht geben darf! Alle Konsequenzen, die die Bürger aus diesem Frontalangriff der Politiker auf die bürgerlichen Grund- und Freiheitsrechte ziehen, müssen darauf abzielen, Politikern nie wieder so viel Macht über ihr Leben zu geben.

Mit einer ein bisschen besseren „Diskussionskultur“, wie es Laschet vorschlägt, ist es angesichts der Schwere der Schuld nicht getan. Die Bürger müssen stattdessen einen Weg finden, die Politiker zur Rechenschaft zu ziehen. Handelnde Politiker müssen sich verantworten und müssen bestraft werden. Wenn das nicht geschieht, ist an Versöhnung nicht zu denken.

Dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss das nicht leisten kann, liegt auf der Hand. Es ist eine juristische Aufgabe. Und wenn es in diesem Staat mit seinem Monopol auf Rechtsprechung kein Gericht gibt, das die Politiker zur Rechenschaft zieht, dann hat der Rechtsstaat versagt. Und wenn der Rechtsstaat versagt, dann ist der Staat insgesamt am Ende und hat sich selbst delegitimiert – wie so mancher vor ihm.

Die gesellschaftlichen Gräben, die von den Politikern und ihrem PR-Personal im ÖRR und in den großen Redaktionen aufgerissen wurden, sind so breit, die Kränkungen bei etwa einem Drittel der Bevölkerung so tief, das Vertrauen, der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhalten soll, ist dermaßen zerstört, dass wir mit den Folgen der desaströsen Corona-Politik mindestens eine Generation lang zu kämpfen haben werden.

Angesichts dessen sind die Aussagen und Forderungen Laschets nicht nur opportunistisch, wollen diese nicht nur den Bock zum Gärtner machen, sondern sie stellen auch eine zynische Verharmlosung der Situation dar. Eine Enquete-Kommission wäre lediglich eine Variante von „Schwamm drüber!“, ein Feigenblatt der Aufarbeitung, ein Weg, um sich davonzuschleichen.

Ich vermute ja, dass die Politiker keine Ahnung haben, wie ernst es wirklich um dieses gespaltene und gekränkte Land steht. Als der erste Lockdown kam, war mein erster Impuls: „Jetzt machen sie alles kaputt!“ Ich glaube, dass ich damit richtiglag: Sie werden nicht eher aufhören, bis nicht alles kaputt ist.

Ihren Untersuchungsausschuss können sie sich sparen. Ich will Handschellen klicken hören – auch wenn das begangene Unrecht an den Alten, den Kindern, den Impfgeschädigten und den Ungeimpften so oder so nicht wieder gutzumachen ist.


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