25. März 2023

Einbürgerungsdebatte Ein Reisepass hat nichts mit Identität zu tun

Neues Staatsangehörigkeitsrecht

von Thorsten Brückner

„Mit Staatsbürgerschaften ist es wie mit Kreditkarten – man kann gar nicht genug davon haben“, sagte einmal ein Arbeitskollege. Und wenn einen ausländische Zuwanderung im eigenen Viertel störe, solle man da eben wegziehen, meinte er gleich hinterher. Leider ist der Einwanderungs-Pragmatismus meines ehemaligen Kollegen zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen nicht gerade vorherrschend.

Für die politische Linke ist die derzeit von der Ampel-Koalition diskutierte Reform des Staatsbürgerschaftsrechts eine „demokratiepolitische Notwendigkeit“. Konservative und Rechte kritisieren, durch eine weitere Aufweichung würde der deutsche Pass „verramscht“. Auch Identitätsargumente hört man in der Debatte ständig. Der Vorwurf schwingt mit: Doppelstaatler seien illoyal gegenüber dem deutschen Staat. Na, hoffentlich! Dabei fällt der derzeit im Raum stehende Vorschlag von Innenministerin Nancy Faeser eher unscheinbar aus.

In Zukunft sollen Ausländer nach fünf statt bisher acht Jahren legalen Aufenthalts in Deutschland die Staatsbürgerschaft erwerben können. Zudem müssen sich volljährige Kinder mit zwei Staatsbürgerschaften wohl bald nicht mehr zwischen dem Pass der Eltern und dem BRD-Pass entscheiden. Und für Ausländer, die seit Jahren in Deutschland leben, gibt es weitere gute Nachrichten. Laut Faesers Entwurf sollen künftig doppelte Staatsbürgerschaften generell akzeptiert werden. Ein Amerikaner, der in Deutschland eingebürgert werden möchte, muss dafür in Zukunft demnach nicht mehr seine amerikanische Staatsbürgerschaft aufgeben. Damit wird er einem Iraner und einem Afghanen gleichgestellt, die schon bisher einen Doppelpass haben durften, da beide Staaten die Aufgabe der Staatsbürgerschaft ausschließen.

Faesers Entwurf fördert laut CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt „zusätzliche Pull-Effekte bei der illegalen Migration“. Und so absurd das auch klingen mag: Dobrindt weiß dabei eine Mehrheit auf seiner Seite. 59 Prozent der Deutschen lehnen laut einer YouGov-Umfrage die Pläne des Innenministeriums ab.

Linke und Rechte argumentieren in der deutschen Einbürgerungsdebatte wie so oft beide kollektivistisch. Wer die Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts vom Individuum her denkt, kann daran kaum ernsthaft etwas auszusetzen haben. Im Gegenteil, wirft Faesers Entwurf doch eher die Frage auf, ob die Reform tatsächlich der große Wurf ist, als den die Bundesregierung ihn verkauft.

Nach wie vor etwa sollen in Deutschland geborene Kinder von Ausländern nicht automatisch wie in den USA die Staatsbürgerschaft erhalten. Warum eigentlich nicht? Nach wie vor sollen auch Ehepartner, die mit Deutschen verheiratet sind, erst nach drei Jahren Aufenthalt in der Bundesrepublik eingebürgert werden können. Und nach wie vor sollen auch für Ehepartner deutscher Staatsbürger ein Nachweis über Deutschkenntnisse und ein Einbürgerungstest verpflichtend sein.

Eine Ausnahme beim völlig aus der Zeit gefallenen Deutschzwang wird es künftig lediglich für Antragssteller geben, die älter als 67 Jahre sind. Auch wer fließend Englisch spricht, wird vom deutschen Staat also weiterhin bei der Einbürgerung mit Deutschtests schikaniert. Mit einer „modernen Einwanderungspolitik“ hat ein solcher Sprachnationalismus nichts zu tun.

Genauso wenig wie ein Pass mit Identität. Es handelt sich um ein Dokument, das einem viele Türen öffnen und das Leben leichter machen kann in einer Welt, die von Staaten und Grenzen geprägt ist. Ebenfalls hört man von der politischen Rechten immer wieder die Befürchtung, durch den zu erwartenden Anstieg an Einbürgerungen verändere sich auch die Zusammensetzung des Elektorats. Und keine Frage: Das ist natürlich genau das, was sich Linke davon versprechen. Doch welche Rolle soll das für Libertäre spielen, die der Demokratie-Farce ja grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen? Ob 16-Jährige oder eingebürgerte Ausländer wählen dürfen, ist doch angesichts des grundsätzlichen Problems einer Mehrheit, die über eine Minderheit herrscht, vollkommen vernachlässigbar. Und am Rande bemerkt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass eingebürgerte Ausländer noch katastrophalere Wahlentscheidungen produzieren als „Bio-Deutsche“ in den vergangenen paar Dekaden.

Zu diesen katastrophalen Wahlentscheidungen zählen sicher auch die Millionen von Stimmen für die FDP. Die fordert jetzt Nachbesserungen an den Einbürgerungsplänen des Koalitionspartners. Unter anderem soll niemand eingebürgert werden dürfen, der seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann. Damit ist die FDP sicher von allen drei Koalitionsparteien am nächsten an der eigentlichen Problematik dran. Aber nahe dran, ist auch vorbei. Die Axt an den Sozialstaat traut sich die Partei nämlich nicht zu legen. Dazu soll es Einbürgerungsfeiern nach amerikanischem Vorbild inklusive Schwur auf das Grundgesetz geben. Bei der Vorstellung kann es einem schon ein wenig kalt den Rücken runterlaufen.

Das System aus Staatsbürgerschaft und Reisepass ist hochgradig willkürlich. Niemand hat Einfluss darauf, in welchem Land er als Kind welcher Eltern mit welcher Staatsbürgerschaft geboren wird. Dass Nicht-EU-Ausländer gerne einen Schengen-Pass erwerben möchten, kann man nicht ernsthaft jemandem zum Vorwurf machen. Das Problem ist viel grundsätzlicher: Warum erlauben wir überhaupt einer Mafia mit demokratischer Verbrämung, darüber zu entscheiden, wer in ein Land einreisen beziehungsweise einwandern darf? In ein Gebiet mit willkürlich gezogenen Grenzen, die oftmals das Resultat von Kriegen sind, die Regierungen selbst vom Zaun gebrochen haben? Warum erwarten Menschen vom Staat, Ausländer an der Einreise zu hindern beziehungsweise zu deportieren? Doch sicher auch, weil sie glauben, ihre Sicherheit würde von Einwanderern stärker bedroht als vom Staat. Dass das nicht der Fall ist, hätte in den vergangenen drei Jahren eigentlich auch dem Letzten klar werden müssen, könnte man meinen.

Aus eigener Expat-Erfahrung kann ich sagen: Länder mit hohen Anforderungen an Aufenthalt und Staatsbürgerschaft haben es schwerer, die jeweils richtigen Leute anzuziehen, also Gutverdienende, Gebildete, Fachkräfte. Man muss sich nur mal anschauen, wer in den vergangenen 20 Jahren so nach Deutschland eingewandert ist. Das waren, mal vorsichtig gesagt, nicht nur Leute, die man sich als Nachbarn wünscht. Ausufernder Sozialstaat und hohe Hürden bei Einwanderung und Einbürgerung haben hier einen doppelt negativen Effekt. Die Falschen kommen, die Richtigen bleiben weg.


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