Die Philosophie des Mangels: Wasser-Kriegswirtschaft
Wenn der Sozialismus das Wasser als Aufgabe entdeckt, wird es sogar in Deutschland knapp werden
von Christian Paulwitz drucken
Die lebenswichtigen Dinge sollte man nicht dem Staat überlassen. – Merkwürdigerweise denken viele Menschen trotz ungezählter diese These bestätigenden Erfahrungen genau andersherum. Was die Wasserversorgung betrifft, wurde der Boden über jahrzehntelange Propaganda bereitet. Infrastruktur hat ja der Staat historisch sehr frühzeitig unter seine Kontrolle gebracht und Konkurrenz unterbunden. Während bei der Telekommunikation und auch in der Energieversorgung die Staatsbetriebe landesweit in andere Strukturen übergeführt wurden – von marktwirtschaftlichen Strukturen muss man hier auch nicht gleich reden –, ist die Wasserversorgung der Privathaushalte zwar auf kommunaler Ebene aufgestellt, erfüllt aber vielfach eine wichtige politische Rolle für die Versorgung von Lokalpolitikern und Parteifreunden mit Posten. Ob es sich formal um Wasserversorgungsaufträge handelt, die kommunal an privat geführte Betriebe vergeben wurden oder direkt durch kommunale Betriebe wahrgenommen werden, ist dabei sekundär.
Auftragsvergabe wie Aufsicht erfolgen durch die politischen Strukturen der Kommune und nicht durch den Wasserkunden, der sich nicht wehren und auf einen anderen Versorger ausweichen kann, und entsprechend ist der Einfluss der Politik und die Rücksichten, die zu nehmen sind. Die Verbände, die „gegen Privatisierung der Wasserversorgung“ und für den Erhalt am Ende staatlicher Strukturen der Versorgungsbetriebe agieren, vertreten die Interessen der lokalen politischen Filzstrukturen. Doch immerhin ist die Wasserversorgung, da auf kommunaler Ebene organisiert, relativ dezentral strukturiert, und so gibt es unzählige unterschiedliche Beispiele für die konkrete Umsetzung, nicht etwa nur abschreckende, sondern im Gegenteil sogar sehr gut funktionierende Beispiele zu relativ günstigen Kosten, die bisweilen in anderen Gemeinden und Verbünden vor allem im näheren Umfeld zur Nachahmung nötigen. Doch damit könnte künftig Schluss sein – ein zentralistisches Wasserregime wird vorbereitet.
Denn es ist die Zeit der Kriegswirtschaft angebrochen. Nicht dezentrale Lösungen zur Versorgung sind politisch gefragt, um Mangel zu beheben und Qualität zu sichern, sondern Mangel wird zur Tugend der Zeit erklärt und Knappheitsbewirtschaftung ist die Methode des dirigistischen, zentral gelenkten Staats. Deutschland ist ein rohstoffarmes Land – eines der wenigen Rohstoffe, die in großer Menge natürlicherweise vorhanden sind, ist Wasser. Natürlicherweise ist es zwar regional und jahreszeitlich etwas unterschiedlich verteilt, und relative Knappheiten existieren ohne Zweifel und schmerzhaft für die Landwirtschaft, aber im absoluten Vergleich mit manch anderen Landstrichen der Welt findet die Not beim privaten Verbrauch wie auch in der Landwirtschaft noch auf einem relativ hohen Niveau statt, und vorübergehende lokale Knappheiten könnten gut bewältigt werden.
„Was passiert, wenn in der Sahara der Sozialismus eingeführt wird? Zehn Jahre überhaupt nichts, und dann wird der Sand knapp.“ – So wird Franz-Josef Strauß zitiert. Deutschland steht eine ähnliche Perspektive in Bezug auf Wasser bevor, wobei ich den zeitlichen Horizont von zehn Jahren für zu optimistisch halte. Denn nach einem Kabinettsbeschluss vom 15. März 2023 gibt es nun eine „Nationale Wasserstrategie“. Öffnet man das Dokument und stellt fest, dass es 120 Seiten hat, dann weiß man schon, dass es nicht jeder im Kabarett gelesen oder sich gar tiefergehend damit beschäftigt hat. Wahrscheinlich keiner, allenfalls, aber nicht gewiss, die federführende Ministerin. Schließlich gibt es eine Kurzfassung in einfacher Sprache zum beschaulichen Wohlfühlen.
Wasser ist weder generell knapp noch droht es, knapper zu werden; die auf der Erde vorhandene Menge bleibt immer gleich. Sehr wohl knapp ist jedoch Wasser für den persönlichen Verbrauch in Trinkwasserqualität, denn dazu muss Wasser als Grund- oder Oberflächenwasser immer von neuem gefördert, behandelt, transportiert und verfügbar gemacht werden. Dadurch wird es zum Produkt mit allen ökonomischen Eigenschaften, insbesondere denen, dass Wettbewerb die Qualität bei sinkenden Kosten hochhalten kann, während wettbewerbsferne staatliche Bewirtschaftung in die gegensätzliche Richtung lenkt.
Dabei ist anzumerken, dass es kein höheres Wissen gibt, welche exakte Qualität das über die Wasserrohre in die Haushalte gelieferte Wasser genau haben muss: Qualität A, das direkt aus der Leitung einwandfreie Trinkwasserqualität aufweist und direkt aus dem Glas getrunken werden kann, oder Qualität B, das optisch und geruchlich von Qualität A nicht zu unterscheiden ist, aber zur Verwendung als Trinkwasser noch lokal in der Regel in einer Haushaltsanlage zusätzlich gefiltert oder möglicherweise sogar abgekocht werden müsste? Und wie objektiv sind die Grenzen, die Qualität A von Qualität B trennen? – Vielleicht haben sich die Haushalte ohnehin daran gewöhnt, das Trinkwasser in Flaschen zu kaufen, und wollen sich nicht umstellen; und je nach Region und geologischen Bedingungen ist der Aufwand zur Wasseraufbereitung mit sehr unterschiedlichen Kosten verbunden und erfordert unterschiedliche Ansätze. Marktnahe und dezentrale Strukturen könnten das lokale Optimum herausfinden und sich so gut wie möglich daran anpassen. Politik verspricht dagegen gerne viel, lebt von den Missverständnissen, zieht aus Misserfolgen weiteren Handlungsbedarf für sich selbst, wächst dabei und versteckt die tatsächlichen Kosten und schiebt sie anderen zu. Ein Erfolgsmodell.
Als Motivation zur zentralen Kontrollübernahme benötigt die Politik nicht mehr viel Phantasie: es reicht die herbeihalluzinierte Klimakrise. Ob Dürresommer oder die Fluten im Ahrtal, deren Schadensausmaß nicht zuletzt den von der Politik kontrollierten Strukturen sowohl im Wassermanagement potentiell als Auffangbecken dienender Speicherseen als auch im Versagen bei der Auslösung von Warnsystemen geschuldet ist, beides ist der Politik Anlass zu neuem Aktionismus. Die Ziele der Wasserstrategie sollen 2050 erreicht werden und liegen hinreichend weit in der Zukunft, dass weder die jetzige noch künftige Regierungen in Gefahr geraten, sich an ihnen tatsächlich messen lassen zu müssen. Noch weniger als die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, die auf einem Gipfel im Jahre 2000 die „Lissabon-Strategie“ entwickelten und sich als Ziel setzten, die Europäische Union „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu entwickeln. – Daran muss ich bei solchen Strategiepapieren immer denken und sage einen ähnlichen „Erfolg“ voraus. Apropos Europäische Union – die will zufällig auch bis 2050 (als ob es nur die geringste Chance gebe, dass sie dann noch existieren würde) die „Kreislaufwirtschaft“ durchsetzen. Darauf bezieht sich natürlich auch das deutsche Wasser-Regime. Inwiefern gab es eigentlich beim Trinkwasser von der Gewinnung über die Aufbereitung bis zur Bereitstellung und zum Verbrauch jemals keinen Kreislauf? Und warum kommt mir beim Stichwort „Kreislaufwirtschaft“ nur immer ein Hamsterrad bildhaft in den Sinn?
Es geht ja auch nicht um die Erfüllung von Zielen, sondern um die Durchsetzung von Handlungsräumen und Erweiterung des politischen Betätigungsfeldes, eben um die Durchsetzung von Kriegswirtschaft. Das sieht man in den beschriebenen Handlungsfeldern praktisch in jeder Zeile. Auf dem Gebiet der Trinkwasserversorgung sollen Behörden entscheiden dürfen, wer vorrangig Wasser nutzen darf – „Wassernutzungshierarchie“ (sic!) ist das Stichwort – der eine oder andere wird möglicherweise noch einmal darüber nachdenken müssen, ob es eine gute Idee ist, einem gewaltbereiten Monopolisten mit jeder Menge ideologischer Psychosen die Macht über das Produkt Wasser in die Hand zu legen. „Anreize zum Wassersparen sollen unter anderem in Industrie und Landwirtschaft dabei helfen, einer Übernutzung der verfügbaren Wasserressourcen vorzubeugen.“ – Da ist man ja sogar schon kräftig dabei, indem man beiden Branchen auch im übertragenen Sinn das Wasser abgräbt und sie so verkleinert. Dürren und Hochwasser bearbeitet man unter dem Stichwort „Anpassung der Wasserinfrastruktur an die Klimakrise“ und hat dabei vor allem Städteplanung sowie kommunale und regionale Besonderheiten im Auge – warum das in einer „nationalen (!) Wasserstrategie“ überhaupt Erwähnung findet, erschließt sich nicht aus sachlichen Gründen.
Angeblich müssten auch Seen und Flüsse sauberer werden – nun ja, auch hier fehlt natürlich ein objektives positives Qualitätskriterium oberhalb des Zustands einer ausgeglichenen, funktionierenden und dem Gewässer entsprechenden gesunden Tier- und Pflanzenwelt. Klar ist jedoch, dass unabhängig von den politischen Tagesthemen der Zustand einer sauberen, natürlichen Umgebung eine umso größere Rolle spielt, je höher der allgemeine Wohlstand in der Region ist, aber darum geht es natürlich auch hier nicht, sondern die Politik sagt gleich, was sie eigentlich will: Düngemitteleinträge reduzieren, indem Nutztierhaltung und Tierfutteranbau reduziert werden sowie „Reinigungskosten fairer aufteilen“ – also neue und höhere Steuern. Findet die EU auch gut, wird gesagt, und warum sollte der Politik auch etwas Neues einfallen, wenn man mit den alten Rezepten doch immer gut ausgebeutet hat?
So richtig austoben kann sich der Plan aber auf dem Gebiet der „Stärkung und Wiederherstellung des naturnahen Wasserhaushalts“, da bleibt keines der Moore mehr trocken, die ja in einer über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft zumeist nicht ohne vernünftigen Grund trockengelegt wurden, nämlich in dem Bestreben, landwirtschaftliche Nutzungsflächen zu gewinnen, um Menschen einer wachsenden Bevölkerung zu ernähren und den Hunger zu mindern. Der sozialistische Plan fasst die Zerstörung der gewachsenen Kulturlandschaft ins Auge, weil ihm alles Gewachsene ein Dorn im Auge ist. Und wo sie weniger gewachsen, sondern durch staatlichen Plan geformt worden ist, erwähnt er seine Rolle als langfristiger Fehlplaner lieber nicht, so bei den staatlichen Wäldern, die im 19. Jahrhundert durch staatlichen Plan als Fichtenwälder auch im Flachland angelegt wurden, weil man Bauholz wollte, und die Fichte unter anderem für den Bergbau zum Abstützen der Stollen gefragt war wie nie zuvor. Dass dies eine Fehlentwicklung war, weil der Flachwurzler auf großflächigen Standorten Probleme hat bezüglich Standfestigkeit und in trockenen Perioden anfällig ist, weiß man auch nicht erst seit der „Klimakrise“, sondern seit mindestens 70 bis 80 Jahren; aber der Waldbau geschieht eben in etwas längeren Zeitabläufen. Die kleinteilige, private Waldwirtschaft hat die Moden mit der Fichte im Wesentlichen nicht mitgemacht, sondern über Generationen hinweg in gleicher Weise gewirtschaftet – die alten und reifen Bäume entnommen und darunter die nächsten Generationen unter pflegenden Eingriffen natürlich nachwachsen lassen – keine wirklich neue Erfindung.
Wälder sind als Wasserreservoire bekannt und ihre Rolle als klimatische Moderatoren ist unbestritten – jeder, der im Sommer bei allgemeiner Hitze oder im Winter bei Frost einen halbwegs gesunden Wald aufsucht, kann sie unmittelbar spüren. Wie sich die Rolle des Waldes als Grundwasserspeicher und wie sich die Wege des Grundwassers mit welchen lokalen Auswirkungen verändern, wenn man im Wald im Abstand von nicht einmal einem Kilometer Fundamente für Windkraftanlagen von jeweils 3.500 Tonnen versenkt und den Wald darum herum entsprechend dauerhaft lichtet, findet in der „nationalen Wasserstrategie“ selbstverständlich ebenso wenig einen Gedanken der Erwähnung wert wie der Einfluss der Rotor- und veränderten Luftbewegungen durch Windkraftanlagen in der Fläche auf die bodennahe Austrocknung. Die Politik schafft doch keine neuen Narrative und Handlungsräume, um etwa alte und noch von ihr benötigte in Frage zu stellen; schließlich wird sie gebraucht, um Probleme zu schaffen, und nicht etwa, sie durch Zurücknehmen ihrer selbst zu lösen.
Quellen:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Nationale Wasserstrategie (Kabinettsbeschluss vom 15. März 2023)
Kurzfassung der „Nationalen Wasserstrategie“
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