Nach dem Massaker von Nashville: Waffen für die Ukraine, für die Bürger aber nicht?
Über Doppelmoral und die zunehmende geistige Verwirrtheit in Kriegszeiten
von André F. Lichtschlag (Pausiert)
von André F. Lichtschlag (Pausiert) drucken
Die Nachricht am Montag von dem Massaker an einer kleinen christlichen Privatschule in Nashville steckt mir immer noch stark in den Knochen. Drei Kinder und drei Erwachsene hat eine – wie man jetzt weiß, sich „als Mann definierende“ – 28-jährige Frau brutal erschossen. Schwer zu verdauen, wenn die eigene Tochter gerade an eine kleine christliche Privatschule nur wenige Kilometer südlich vom Tatort geht und wenn man dann noch liest, dass die Täterin auch andere ähnliche Schulen auf dem Plan hatte. Und ja, es war an der Schule meiner Tochter Alarmstimmung, die Kinder durften am Montag in der Pause nicht auf den Schulhof und verstanden nicht, warum.
Tatsächlich bin ich nach dieser furchtbaren Tragödie noch immer zu aufgewühlt, um stärker auf die Tat und die Täterin – zu der es einiges zu sagen gäbe – einzugehen. Aber ich möchte ein paar grundsätzliche Gedanken fließen lassen.
Bereits kurz nach dem Schulmassaker forderte der senile Präsident, dabei einen Witz über Ice Cream einstreuend, einmal mehr die Verschärfung von Waffengesetzen. Und jetzt war die Täterin eine Transsexuelle. Der Kulturkampf, der in den Vereinigten Staaten längst ein lodernder Kulturkrieg ist, wird sich wohl abermals verschärfen.
Und Krieg, das ist auch genau jenes Stichwort, das ich aufgreifen möchte. Beim Scrollen durch die sozialen Medien fiel mir nämlich auf, dass jene, die nach der Tat von Nashville umgehend Waffenverbote forderten, fast immer genau auch jene sind mit den gelb-blauen Flaggen in ihrer Biographie, die gleichzeitig immer noch mehr Waffenlieferungen in die Ukraine fordern.
Nun seien aber Waffen nicht gleich Waffen, wenden diese Leute ein. Sie argumentieren, dass sie in der Ukraine doch nur die Opfer gegen die Verbrecher bewaffnen möchten. Aber genau das ist das erste zentrale Argument für das Recht auf Waffenbesitz und gegen Waffenverbote: der Opferschutz. Auch die Täterin von Nashville Audrey Hale, das weiß man inzwischen, suchte sich genau eine solche christliche Schule für ihr satanisches Treiben aus, in der Lehrer und Personal aus Prinzip unbewaffnet waren. Ach, wären sie doch bewaffnet gewesen, so wie es die Freunde der Bewaffnung der Ukraine für die dortigen möglichen Opfer ja auch so unbedingt einfordern!
Aber dann wenden diese Leute ein, die Waffen für die Ukraine seien nur dort aus einem ganz anderen Grunde notwendig, nämlich um einen übergriffigen, außer Rand und Band geratenen staatlichen Aggressor – Russland – zu stoppen.
Und genau das ist das zweite zentrale Argument bereits der Gründerväter der USA gewesen, als sie den Verfassungszusatz mit dem unumstößlichen Recht auf Waffenbesitz ausformulierten – es ging diesen weisen Männern nämlich darum, dass sich die Menschen gegen einen irgendwann außer Rand und Band geratenden staatlichen Aggressor, gegen einen zukünftigen neuen Totalitarismus, zu dem jeder Zwangsmonopolist irgendwann zu werden droht, wehren können.
Wir erkennen also schnell: Waffen sind nicht gleich Waffen, aber eine Argumentation für Entwaffnung widerspricht einer Argumentation für Bewaffnung. Immer.
Nun sind die offensichtlichen logischen Brüche
bei Leuten, die an der einen Stelle gar nicht genug Waffen einfordern können,
um sie an der anderen Stelle möglichst sofort zu verbieten, geradezu ein
Kennzeichen unserer Tage.
Es waren auch fast immer jene (und übrigens wieder weitgehend dieselben), die mit dem Argument „Mein Körper gehört mir“ das Recht auf „Abtreibung“ im Mutterleib postulierten und die dann gleichzeitig „während Corona“ plötzlich den Impfzwang gegen andere einforderten – deren autonomer Körper ihnen nun gar nichts mehr galt. Piks.
Dieser Art Beispiele gibt es viele. Heuchelei und Doppelmoral kennzeichnen geradezu unsere Zeit, gute Täter (beschwichtigt), schlechte Täter (hysterisiert), gute Opfer (hypermoralisiert), schlechte Opfer (verschwiegen) – die Medien sind voll von dieser Art zweierlei Maß.
Nun sind wir mit der Politisierung aller Lebensbereiche (bis hin zu Toiletten) mal wieder im Exzess angekommen, beim letzten, ultimativen Mittel der durch das Freund-Feind-Denken erst definierten Politik: im Krieg. In solchen Tagen werden verwirrte, jeder logischen Argumentation abholde Geister schnell auch zu Extremisten. Die Täterin von Nashville sah sich als Teilnehmerin in diesem Krieg. Sie hatte darüber jeden moralischen Kompass verloren, wusste nicht mal mehr, ob sie Männlein oder Weiblein, geschweige denn, was richtig und was falsch, was gut und was böse ist.
Andere wollen fanatisch Waffen für die einen (gegen ihre Feindbilder) in Stellung bringen und ebenso fanatisch den anderen (auserkorenen Feinden) verbieten. Auch sie stehen geistig längst im Krieg – man kann die zunehmende Unversöhnlichkeit und Verrohung gegenüber Andersdenkenden in den sozialen Medien jeden Tag miterleben, wenn man sich das antun möchte.
Solche Tage des Fanatismus und des totalen Primats der Politik – zuletzt nach ersten und zweiten Wellen des geistigen Sozialismus kulminierend im Ersten und Zweiten Weltkrieg – beginnen stets in den Köpfen und enden für gewöhnlich in Pogromen, Massen-, Klassen- und Völkermord. Und womöglich ist der „Point of no Return“ auch heute schon wieder überschritten.
Ich möchte hinzufügen, dass ich durchaus den Impuls vieler Vernünftiger sehr gut verstehen kann, die nach Taten wie der in Nashville fragen: „Brauchen die Menschen denn wirklich halbautomatische Sturmgewehre in Privathand?“ Und ja, ich denke auch: Sie benötigen sie nicht!
Die Gründerväter jedenfalls hatten diese Art von Kriegswaffen in Privathand eher nicht im Kopf. Müsste, wer sie einfordert, nicht konsequenterweise noch viel weitergehen: Warum bei modernen Sturmgewehren stoppen? Sollte nicht jeder auch mit dem Panzer zur Jagd oder zum Einkaufen fahren, eine Atombombe im Garten stationieren können?
Vor wenigen Jahrzehnten begnügten sich normale Amerikaner mit Pistolen und Gewehren. Kaum einer hatte halbautomatische Sturmgewehre im Waffenschrank. Wozu auch? Und so ist auch das Sturmgewehr in Privathand sicher auch ein Zeichen zeitgeistiger Verwirrung – und dabei geht es mir nicht um Verbote, schon gar nicht staatlich verordnete, sondern um einen Bürgerkonsens, der in jeder Beziehung gerade abhandenkommt, nicht nur in den USA.
Da fällt mir ein: Sieht man nicht diese brutalen Automatikwaffen jetzt auch immer öfter im Straßenbild (in den Händen der Staatsmacht) – selbst in Deutschland? Hatte früher der „Schutzmann um die Ecke“ allenfalls eine Pistole im Halfter, stehen Polizisten jetzt mit angelegtem Halb- oder Vollautomat am Flughafen oder gar in der Innenstadt. Was passiert da gerade?
Geht es also doch um Waffen? Oder vielmehr um Fanatismus in den Köpfen, um die Überpolitisierung und Entprivatisierung aller Lebensbereiche, um eine neue Hysterie, Freund-Feind-Denken, den Verlust jeder Bodenhaftung und jedes Miteinanders und am Ende zwangsläufig um den totalen Krieg, den manche längst zu führen angetreten sind?
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.