Grundstücksenteignen leicht gemacht: Von zwei Seiten quetscht es sich besser
Von der DDR lernen, heißt siegen lernen
von Carlos A. Gebauer (Pausiert)
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Als ich nach dem Studium im Jahre 1991 die Arbeit in einem Anwaltnotariat begann, beschäftigten wir uns – wie viele andere Büros – schon bald mit Fragen der sogenannten „Rückübereignung“ von Grundstückseigentum in der soeben untergegangenen DDR. In meinen Händen lagen Aktenordner, die ein Stück Zeitgeschichte repräsentierten. Was war geschehen?
Nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 fasste der Sozialismus dort bald Fuß. Im Gefolge war klar, dass die überkommenen Strukturen des Privateigentums zerschlagen werden mussten. Insbesondere galt es für die Herrschenden, das ihnen unerträgliche private Eigentum von Grund und Boden zu beseitigen.
Hierzu bediente man sich einer pfiffigen Strategie: Das sozialistische Dogma besagt, dass der Sozialismus billigen Wohnraum bereitstelle. Also erließen die Machthaber in Ost-Berlin Gesetze, die eine Art Mietendeckel bedeuteten. Eine Wohnung kostete fortan noch 30 Ostmark Miete pro Monat. Mehr durfte der private Eigentümer nicht verlangen. Legte ein Herbststurm dann einen Baum im Garten um und ließ ihn spektakulär in das Hinterhaus fallen, waren Reparaturkosten fällig, die natürlich aus den Mieteinnahmen nicht zu stemmen waren. Der Hauseigentümer hatte nun ein Problem. Anfangs halfen Westverwandte mit Krediten, die hypothekarisch gesichert werden konnten. Über die Jahre schwand aber das Vertrauen der Brüder und Schwestern im Westen und sie liehen kein Geld mehr. Nun schlug die Stunde der Kreissparkassen.
Sie gewährten weiter Kredite und die Hypotheken für sie erhielten den Privilegstempel „Mit Vorrang vor allen anderen Lasten“ in den Grundbüchern. So wurden die Westverwandten aus dem Rang ihrer Sicherheiten nach hinten geschoben, bis ihr Grundpfandrecht wertlos war. Dann stürzte noch eine Wand ein, und endlich kam der Vertreter der kommunalen Gebäudewirtschaft und bot selbstlos an, das Eigentum zu übernehmen. Die Enteignung war perfekt. Karl Lauterbach würde vielleicht gesagt haben: „Es wurde niemand gezwungen, am Ende haben alle freiwillig ihr Eigentum übertragen.“
Dieselbe Nummer läuft nun wieder in ganz Deutschland ab: Mit dem Mietendeckel, der nun wirklich auch so heißt, werden die Einnahmen der Vermieter aus Mietwohnungen gedrückt. Aber heute wartet der Enteigner nicht mehr auf Herbststürme. Sondern er erlässt Sanierungsgesetze, die die Eigentümer mit Heizungsneubauzwängen wirtschaftlich in die Knie zwingen. Von zwei Seiten quetscht es sich besser.
Ich neige dazu, Wetten anzunehmen: Der Staat wird sich den Bedrängten als Retter andienen, ihr Eigentum übernehmen und sich dann großzügige Übergangsfristen zur energetischen Sanierung staatlichen Wohnungseigentums in die Gesetze schreiben. Ein Praktiker-Tipp? Unterlagen gut aufheben, Akten trocken und gut lesbar konservieren. Wenn alles wieder in Trümmern zusammengefallen sein wird und Westdeutschland wie Havanna aussieht, dann werden sich die Massen auf eine Mauer stellen und irgendwelche Parolen rufen. Dann wird wieder rückübereignet und privatisiert. Dann beginnt das Spiel von Neuem. Dann setzt der Wandel um 360 Grad neu an.
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