08. April 2023

Ostern Das Fest der Freiheit

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“

von Thorsten Brückner

Als „Fest der Freiheit“ bezeichnen viele Christen Ostern. Auch die Bibel, vor allem das Neue Testament, ist voll mit Bezügen zur Freiheit. Als nichtchristlich sozialisierter Mensch sollte man sich hier keinen Illusionen hingeben. Wenn die Bibel von Freiheit spricht, geht es in der Regel um Freiheit von Sünde oder Freiheit vom mosaischen Gesetz. Dass es den Verfassern des Neuen Testaments nicht um politische Freiheit ging, wird beim genauen Hinsehen offensichtlich. „Die Sklaven sollen ihren Herren in allem gehorchen und ihnen gefällig sein. Sie sollen nicht widersprechen“, schreibt der Verfasser des Titus-Briefes, für den viele Christen den Apostel Paulus halten. Und aus gutem Grund. 

Es ist der typische Paulus-Sound, der bei freiheitsliebenden Christen auch an anderen Stellen für Irritationen sorgt. „Jeder soll sich den Trägern der staatlichen Gewalt unterordnen. Denn alle staatliche Gewalt kommt von Gott, und jede Regierung ist von Gott eingesetzt“, schreibt Paulus im Römerbrief, Kapitel 13. Wer in solchen Versen eine Billigung von autoritärer Staatsgewalt oder gar Leibeigenschaft sieht, missversteht, worum es dem Verfasser ging. Keinesfalls handelt es sich hier um zeitlose Handlungsanweisungen an christliche Gemeinden, auch wenn manche Freikirchen in ihrem unbiblischen Biblizismus genau das behaupten. 

Die Absicht des Verfassers muss aus dem Kontext der Zeit verstanden werden: Die christliche Gemeinde war noch jung, ihre Existenz ständig von staatlicher Gewalt bedroht. Christen sollten nicht als politische Revolutionäre auffallen, da sie dies noch stärker zur Zielscheibe gemacht und dies möglicherweise die Verbreitung des Evangeliums gefährdet hätte. Dennoch: Solche Bibelverse für von Gott inspiriert zu halten, grenzt schon an Blasphemie. Zu Ende gedacht würde das nämlich bedeuten: Egal, ob Stalin, Hitler oder Mao – bei ihnen allen handelte es sich demnach um Obrigkeiten, die von keinem Geringeren als Gott selbst eingesetzt wurden und in seinem Namen „das Schwert nicht umsonst“ tragen, um „Übeltäter zu bestrafen“ (Römer 13, Vers 4). 

Während der Titus-Brief in christlichen Gemeinden ein Schattendasein fristet und in Predigten eher ausgespart wird, bemühen Pastoren und Pfarrer Römer 13, als sei es die Quintessenz aller 66 Bücher der Bibel. Einer meiner früheren Pastoren ermahnte im März 2020 seine Gemeinde mit Verweis auf Römer 13, „den Anordnungen der Obrigkeit Folge zu leisten und zu Hause zu bleiben“. Römer 13 ist das am häufigsten missbrauchte Kapitel der Bibel – Faschismus im Namen Gottes, das Lieblingskapitel der Nationalsozialisten. 

Der von mir zitierte Pastor ist kein Einzelfall. Nicht nur die beiden Staatskirchen, auch die große Mehrheit der Freikirchen haben sich während der Covid-Jahre zum verlängerten Arm des Staates machen lassen. Aus „Fürchtet euch nicht“ wurde „Bleibt gesund!“. Zahlreiche Gemeinden bestanden auf das Tragen von Masken oder gingen gar so weit, Menschen ohne Test- oder Impfnachweis abzuweisen – das alles verantwortet von sogenannten Geistlichen, die für sich in Anspruch nehmen, einem Mann nachzufolgen, der nicht mal Lepra-Kranke zurückgewiesen hat. Bei drei Osterfesten in Folge war neben dem Kreuz, dem Symbol der Liebe, die Maske, das Symbol der Angst und der Unterwerfung unter staatliche Autoritäten, omnipräsent. 

Das erste Osterfest seit 2019 in relativer Normalität könnte daher für Christen auch Anlass zur Reflexion sein. Die Beziehung zu Gott ist, zumindest nach protestantischem Verständnis und meiner Ansicht nach auch nach biblischem Verständnis, eine unmittelbare, die keine Pastoren oder andere autoritäre Pfaffen als Mittelsmänner benötigt. Ostern kann zu einem persönlichen Fest der Freiheit werden. Es war ein Fest der Freiheit für die ängstlichen Jünger, die nach Jesu Tod, Auferstehung und Himmelfahrt in Jerusalem vor dem Hohen Rat standen und feierlich bekannten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Ein Bekenntnis, das man heute in christlichen Gemeinden schmerzhaft vermisst.


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