Schützenhilfe durch: Alte Songs von Pur: Damals harmlos, heute rebellisch
Im Nachhinein ein paar gute Worte
von David Andres
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Kürzlich machten sich André F. Lichtschlag und Martin Moczarski in der 89. Folge des „Dachthekenduetts“ über das endgültige Ende des Punks lustig. Campino mit gegelten Haaren, brav und demütig beim Empfang des britischen Königs, Seite an Seite mit Bundespräsidentenkaiser und Roland-Kaiser-Intimus Frank-Walter Steinmeier.
Diese Beobachtung veranlasst mich dazu, einmal rückblickend auf eine Band zwischen Poprock und Schlager aufmerksam zu machen, die jahrzehntelang als Sinnbild biedermeierlicher Harmlosigkeit galt – Pur, aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen. Es lohnt sich, ihre alten Werke wieder auszugraben und festzustellen, dass manche Songs auf dem Narrenschiff der Gegenwart auf einmal subversive Einwürfe geworden sind.
Nehmen wir den Refrain des stampfenden, kraftvollen Songs „Kein Krieg“ von ihrem 1991 erschienenen Album „Nichts ohne Grund“:
„Kein Krieg ist heilig
Kein Krieg ist gerecht
Im Teufelskreis der Waffen
wird gestorben und gerächt
Kein Krieg ist edel
Kein Krieg lebt von Mut
Er ist unvorstellbar
grausam
Und auch für die
sogenannten Sieger nur zum Verlieren gut“
Kein Krieg ist heilig? Das war damals eine Konsensaussage, die Stuttgarter Zeitung lobte, wie bei dem „Klassesong“ doch „Melodie, Text und Dramaturgie stimmen“. Das gesamte Album erhielt den Preis der deutschen Schallplattenkritik und Hartmut Engler den Fred-Jay-Preis für seine Leistungen als Texter. Heute undenkbar, denn natürlich sind manche Kriege heilig, der aktuelle in der Ukraine etwa. Allen Kriegen pauschal den Sinn abzusprechen, das ist Wagenknecht, das ist Guérot, das ist Drewermann, das ist nach heutiger Lesart rechts, das ist, wie Sascha Lobo schrieb, Merkmal der „Friedensschwurbler“ – ein Autor übrigens, dessen Schädel ein Irokesenschnitt ziert und der dafür seltsamerweise keine Vorwürfe ob kultureller Aneignung erhält. Was uns zum nächsten alten Gassenhauer von Pur bringt…
… „Indianer“, vom 1993 erschienenen Album „Seiltänzertraum“, ein Lied über Freundschaft und die enttäuschende Veränderung von Menschen, ausgedrückt in einer heute strengstens verbotenen Metapher:
„Unser Ehrenwort war
heilig
Nur ein Bleichgesicht
betrog
Und es waren gute Jahre
Bis der erste sich belog
Wo sind all die Indianer
hin?
Wann verlor das große Ziel
den Sinn?
So wie Chingachgook für
das Gute stehen
Als letzter Mohikaner
unter Geiern nach dem Rechten sehen“
Als ob das der kulturellen Aneignung noch nicht genug wäre, spielte Hartmut Engler den Song bis vor Kurzem live mit einem riesigen Federschmuck auf dem Kopf. Den lässt er zwar nun weg, das Lied streicht er allerdings trotz der erwartbaren Angriffe nicht aus dem Programm. „Beim Konzert in der Gelsenkirchener Veltins-Arena stand das Stück auf der Setlist“, berichtet der Stern, bis auf den weggelassenen Kopfschmuck gab es „keine Distanzierung“. Engler sagte: „Es geht nicht um die Nöte der nordamerikanischen Ureinwohner, sondern um Kindheitserinnerungen, die wir uns auch nicht nehmen lassen.“
Letztes Beispiel – der Song, mit welchem der Gruppe 1988 der erste kleine Durchbruch gelang. „Wenn sie diesen Tango hört“, das melancholische Porträt einer Witwe, die nun für sich alleine tanzt, von der undankbaren Brut zu selten besucht, von dem Song selber aber geehrt, auch und gerade für ihre Leistungen beim Wiederaufbau des zerstörten Landes. Respekt vor alten, weißen, deutschen Trümmerfrauen? Da würden die Klimakleber vor Empörung ganz schnell aufspringen, hielte das Pattex nicht so gut.
Die „Schützenhilfe“ dieser Kolumne stellen also alte Lieder der Band und ein paar einzelne Aspekte von heute dar, in denen sie gelassen gegen den Strom schwimmen. In Sachen Corona und Impfung gehörte Engler leider zu denen, die bei den Tätern mitgemacht haben, wie ein paar der Quellen unten ebenfalls belegen.
Aber zumindest all den spießigen Bekannten, welche die Gruppe lieben, aber dennoch heute aus Opportunismus wirklich jedes „current thing“ unterstützen, kann man diese Lieder bezüglich des Krieges, des Indianerehrenworts und des Respekts vor den Alten entgegenhalten.
Quellen:
Punk ist tot: Clownwelt am Ende (ef-TV)
„Kein Krieg“ (Pur, YouTube)
„Indianer” (Pur live, YouTube)
„Wenn sie diesen Tango hört“ (Pur live, YouTube)
„Kindheitserinnerungen, die wir uns nicht nehmen lassen“: Pur verteidigen ihren „Indianer“-Song (Stern)
Hartmut Engler ist wütend auf Ungeimpfte (Stuttgarter Zeitung)
Kommentare
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