11. April 2023 14:00

Planwirtschaft beim Scheitern zuschauen Medikamenten-Mangelwirtschaft

Sie wissen nicht nur nicht, wie man Knappheit behebt – sie wissen nichts über die Knappheit, die sie selbst verursachen

von Christian Paulwitz

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Es gibt Lieferprobleme bei Medikamenten, sagt die deutsche Bundesregierung. Wie der stets etwas verwirrt wirkende Bundesgesundheitsminister nach einer Bekanntmachung der Regierungsnachrichten feststellte, habe es Deutschland bei der Arzneimittelversorgung „mit der Ökonomisierung übertrieben“. Und da im Musterland der Demokratie und Gewaltenteilung fast alle Gesetze in den Ministerien der Regierung entworfen und mit der Regierungsmehrheit im Parlament durchgewunken werden, hat sie letzte Woche einen Gesetzentwurf vorgelegt unter Vorspiegelung der Annahme, ein Gesetz könne die Situation verbessern.

Gesetzentwürfe sind lustig und ihre Begründungen haben immer dasselbe Format. Meist ist der Titel schon ausgesprochen lächerlich. In diesem Fall heißt er „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“. Darauf aufmerksam geworden bin ich durch eine Verlautbarung des bayerischen Staatsfunks während einer Autofahrt. Die Regierung wolle die Versorgung mit Arzneimitteln verbessern. Wie in diesem Sender üblich, wurde dann ausgiebig wichtigtuerisches Geschwätz des bayerischen Gesundheitsministers, dessen Namen wirklich niemanden interessiert, eingestreut und Berichterstattung simulierend ergänzt. Man sei abhängig geworden von Lieferungen aus dem Ausland – das habe man die letzten Jahre negativ zu spüren bekommen. Warum, das hat er nicht gesagt – muss wohl irgendein höheres Schicksal sein. Ja, und dann der Ukrainekrieg natürlich. Jedenfalls müsse die Bundesregierung viel mehr tun und die Produktion im Inland stärken. Ach ja, die Produktion im Inland stärken könne man übrigens auch dadurch, dass man Einfuhren mit CO2-Zöllen belege. – Manchmal bin ich ganz hingerissen von den Gedankenketten, die da – von jeder logischen Sinnhaftigkeit befreit – ausgebreitet werden können, wenn man nur an den Staat glaubt.

 „Problem und Ziel“ werden in der Einführung zum Gesetzesentwurf als Erstes erläutert und in vier Absätzen dargestellt. Generische, also patentfreie Arzneimittel bezüglich onkologischer Erkrankungen sowie Antibiotika und Arzneimittel zur Fiebersenkung bei Kindern seien von Engpässen betroffen. Zwar führe nicht jeder Engpass zu einem Mangel, man müsse ihn aber früh erkennen. – Warum, das bleibt im Dunkeln. – Man beobachte die „Konzentration auf wenige Herstellungsstätten und Abwanderungen der Ausgangsstoff-, Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion in Drittstaaten“ – die Frage, warum dies so ist, stellt sich natürlich nicht – die Antwort könnte verunsichern. Jedenfalls berge dies das Risiko strategischer Abhängigkeiten und die Gefahr von Lieferkettenunterbrechungen.

Dass Regierungen die größte Gefahr für Lieferkettenunterbrechungen sind, hat vermutlich bald jeder begriffen, außer den Regierungen. „Werden zum Beispiel Qualitätsmängel festgestellt, steigen die Risiken für Produktions- und Lieferverzögerungen und damit das Risiko für die bedarfsgerechte Versorgung der gesetzlich Versicherten in Deutschland.“ – Nun ich denke, dieser Teil des Problems dürfte vollständig im Griff sein – Zur Vermeidung der Feststellung etwaiger Qualitätsmängel hat man spätestens seit den Covid-Gentherapien funktionierende Prozesse etabliert, und über die Definition einer bedarfsgerechten Versorgung hat ja im sozialistischen, deutschen, medizinischen Versorgungswesen ohnehin die regierende Politik mit ihren Ausführungsbehörden die alleinige Deutungshoheit, die sie jederzeit zur Anpassung an die jeweilige Lage ausüben kann.

Dennoch – Gesetze müssen geschrieben werden, damit die Regierung ihre legislative Arbeit dokumentieren kann, und so gibt es den nächsten Abschnitt des Vorspanns zum Gesetzentwurf, die ähnlich umfangreiche „Lösung“. Wie könnte die aussehen? Natürlich Bürokratie: Erhöhte Lagerhaltungsverpflichtungen, ein Frühwarnsystem zur Erkennung drohender versorgungsrelevanter Lieferengpässe, Anpassungen bei den Preisdiktaten – so muss man das wohl formulieren. Mehrausgaben werden als verhältnismäßig angesehen – wie hoch die tatsächlich sind, weiß natürlich keiner, nur dass sie verhältnismäßig sind.

Im dritten Abschnitt zur Begründung eines neuen Gesetzes kommt dann ein klitzekleiner Absatz mit der Überschrift „Alternativen“ und dem einzigen Wort „Keine.“ – Das ist eigentlich immer so und vermeidet die ernsthafte Diskussion lästiger Sinnfragen bereits im Ansatz.

Besonders schön finde ich den Abschnitt über den „Erfüllungsaufwand“ zum Gesetz, dokumentiert er doch in anschaulicher Weise, dass in gesetzgebenden Regierungskreisen keine Spur ökonomischen Sachverstands zu finden ist – oder man wirklich keinerlei Skrupel zur verlogenen Heuchelei besitzt. Oder beides: „Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.“ Anders sehe es wohl bei der Wirtschaft aus: „Durch die Änderung in Artikel Sieben entsteht durch die Anpassung des gesetzlich vorgesehenen Warnhinweises ein einmaliger Umstellungsaufwand, der sich nach der Anzahl der werbenden pharmazeutischen Unternehmen und der Anzahl der beworbenen Arzneimittel richtet. Belastbare Zahlen hierzu liegen nicht vor.“ Den Artikel Sieben schauen wir uns gleich noch an. Durch die erhöhten Bevorratungsverpflichtungen entstünden ferner für Krankenhausträger beziehungsweise Apotheken einmalige Kosten von 100 Millionen Euro. – 100 Millionen Euro? – Sapperlot! – Aber warum einmalig? Verursacht die dann wohl dauerhaft höhere Bevorratung später keine Lagerhaltungskosten, die sich zwangsläufig auf Preise auswirken? Aber beruhigen Sie sich: „Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.“

Dafür gibt es dann jedoch Verwaltungskosten. Mindestens eine halbe Million Euro für das Datensammeln zur Bewertung der Versorgungslage für Entwicklungs- und Lizenzgebühren. Neue Aufgaben zudem für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): „Daraus resultiert beim BfArM ein erwarteter Personalmehrbedarf von zwei E14-Stellen.“ Und: „Darüber hinaus hat das BfArM derzeit acht Projektstellen mit einer Befristung bis Ende 2025 im Zusammenhang mit der Beobachtung und Bewertung von Lieferengpässen. Diese sechs Stellen im höheren Dienst (vier E14, eine E13, eine E12) und zwei Stellen im gehobenen Dienst (E9b) mit Projektbefristung bis Ende 2025 sollten entfristet werden.“ – Bürokratie benötigt eben unproduktives Personal, aus dem ansonsten tatsächliche Fachkräfte erwachsen könnten, und Bürokraten gibt es nun einmal nicht kostenlos, aber keine Angst: „Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.“

Was steht eigentlich im oben erwähnten Artikel Sieben, der der „Wirtschaft“ (im sozialistischen Weltbild jedoch nicht den Bürgern) Umstellungskosten bereitet? – Er betrifft eine Änderung des Heilmittelwerbegesetzes: „In Paragraph Vier Absatz Drei Satz Eins des Heilmittelwerbegesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I Seite 3068), das zuletzt durch Artikel Zwei des Gesetzes vom 11. Juli 2022 (BGBl. I Seite 1082) geändert worden ist, werden die Wörter ‚und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker‘ durch die Wörter ‚und fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder fragen Sie in Ihrer Apotheke‘ ersetzt.“ – Dieser überflüssige Bullshit ist immerhin noch einigermaßen leicht zu erfassen. Die anderen Änderungen sind nur durch viel investierte Zeit und Quervergleiche mit den herauszusuchenden, vorherigen Textfassungen nachzuvollziehen, was meine Motivation deutlich übersteigt.

Ich frage mich, ob Menschen der Politik weniger vertrauen würden, wenn sie ab und zu Gesetze oder Gesetzesentwürfe läsen. Wahrscheinlich nicht, sonst wären Juristen im Allgemeinen staatskritisch. Noch so viele Gesetze, und wenn sie mit noch so viel Sachkenntnis geschrieben würden, werden nicht nur nichts helfen, sondern das Problem des Mangels verschlimmern. Die Bürokraten können noch so viele Daten sammeln und sogar auswerten, selbst wenn es mit noch so viel Kompetenz geschähe, was nicht zu erwarten ist. Um Mangel zu erkennen, gibt es genau eine sichere und zuverlässige Methode: Preise, die auf dem Markt zustande gekommen sind. Und um Mangel zu beheben, gibt es auch genau eine zuverlässige Methode: Den sich dezentral selbst organisierenden Markt, der von Eingriffen durch die Politik in Ruhe gelassen wird – denn wer dazu beiträgt, auf dem Markt den Mangel, der zu hohen Preisen geführt hat, zu beseitigen, wird mit Gewinnen belohnt und wirkt gleichzeitig dabei mit, dass durch das höhere Angebot die Preise mit der Zeit wieder sinken. Im kommunistischen, medizinischen Versorgungssystem in Deutschland ist dies nicht möglich. Der Bedarf richtet sich nicht an Heilung aus, sondern an den Vorgaben der staatlichen Gebrechensverwaltung, die auch die Preise festsetzt.

Um dies zu ändern, wäre ein kompletter Systemwechsel notwendig, mit dem die Nachfrage über freiwillig wählbaren Versicherungsumfang bei privaten Versicherungsgesellschaften (die heutigen formal privaten Krankenversicherungen sind Teil des staatlichen Systems) sich nach einem systemimmanenten Interesse an Gesundheit richten würde und nicht nach Verwaltung. Die Versorgung echter Bedürftiger, die sich keinen ausreichenden Versicherungsschutz finanzieren können, kann dezentral auf freiwilliger Basis effizient geleistet werden, wenn der bürokratische Wasserkopf erst einmal nicht mehr gefüttert werden muss. Der Medikamentenmarkt, so wie er heute existiert, würde allerdings in großen Teilen zusammenbrechen, weil diese ohne die von der Polit-Pharma-Mafia ausgekungelten Verordnungsanweisungen keine Chance auf dem Markt hätten. Die Covid-Gentherapien sind nur die Spitze des Eisbergs. Zum Wohl der Bürger sollte man das alte System komplett in die Tonne treten. Alternativen: Keine.

Quellen:

Medikamenten-Engpässe soll es nicht mehr geben (tagesschau)

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln („Bundesgesundheitsministerium“)


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